EU-Wahl: Gewesslers Absprung hat Grüne kalt erwischt

EU-Wahl: Gewesslers Absprung hat Grüne kalt erwischt
Aktuell gibt es keinen Plan B, die Suche nach einer Spitzenkandidatin startet bei null. Und jetzt hat sich auch noch das grüne Urgestein Michel Reimon ausgeklinkt.

Es war ein eMail, das für Kopfschütteln sorgte: Die „dramatischen internationalen Ereignisse“ und die „aufgewühlte Stimmung“ nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel sollen ein Grund sein, den seit Jahresbeginn geplanten Bundeskongress am 16. Dezember abzusagen?

Viele der rund 300 Delegierten, die eingeladen waren und am Mittwoch das Absage-Mail der grünen Bundespartei erhielten, fühlen sich – und das ist noch vornehm ausgedrückt – für dumm verkauft. „Ich hab schon geglaubt, die haben mir versehentlich die Presseaussendung geschickt“, sagt einer zum KURIER.

Parteiintern sei völlig klar, was der wahre Grund sei: Leonore Gewessler, grüne Klimaministerin, habe monatelang damit kokettiert, Spitzenkandidatin der Grünen für die EU-Wahl zu werden, vergangene Woche aber endgültig abgesagt. 

Kolportierter Grund: Sie soll darauf spekuliert haben, gleichzeitig Spitzenkandidatin der European Greens, der EU-weiten Grün-Fraktion, zu werden. Den Posten dürfte nun aber eine Deutsche bekommen.

Gewessler bringt Grüne in Not: Bundeskongress auf 2024 verschoben

Auf die Schnelle gibt es keine Alternative, also hat der Vorstand beschlossen, den Bundeskongress zu verschieben. Um Druck herauszunehmen, soll die Veranstaltung mitsamt Wahl der EU-Liste nun erst am 24. Februar stattfinden, wie am Mittwoch mitgeteilt wurde.

Position beziehen

Tags darauf, am Donnerstag, brach schon der nächste Kandidat weg: Michel Reimon, der seine Kandidatur im Oktober angekündigt hat, zieht sich zurück. 

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass er die Argumentation der Bundespartei (die Absage des Bundeskongress wegen des Israel-Krieges) jetzt gegen die Bundespartei verwendet: Gerade in Zeiten von Terror, Krieg und Unterdrückung sollten die Grünen dies ins Zentrum ihrer Außen- und Europapolitik rücken; gerade die dramatischen Entwicklungen seien ein Anlass, laut und deutlich Position zu beziehen, erklärt Reimon via Facebook-Posting. „Unter der neuen strategischen Vorgabe bin ich einfach kein geeigneter Kandidat. Unter dieser Prämisse sollte ich nicht antreten.“

Für Reimon, der zwischen 2014 und 2019 im EU-Parlament war und jetzt im Nationalrat sitzt, dürfte der Rückzug mit Ende der Legislaturperiode ein vollständiger sein: Bereits vor Längerem hat er ausgeschlossen, für die Nationalratswahl zu kandidieren.

Turbulenzen um Bundeskongress: Jetzt springt auch noch Reimon für EU-Wahl ab

Weder Vana noch Wiener für Platz 1

Wer bleibt übrig für die EU-Wahl, die von 6. bis 9. Juni 2024 über die Bühne geht? Tom Waitz, amtierender EU-Abgeordneter, hat bereits angekündigt, noch einmal antreten zu wollen. Monika Vana auch. Sarah Wiener, die bei der Wahl 2019 als Quereinsteigerin dazugestoßen ist, sagt, sie hätte „prinzipiell Interesse, noch eine Legislaturperiode zu machen“ – die Grünen müssten nur signalisieren, ob sie das möchten oder nicht. Aber weder für Vana, noch für Wiener ist eine Spitzenkandidatur ein Thema.

Die Suche startet also bei null. Aufgrund der Verschiebung rückt die Listenerstellung für die EU-Wahl näher an jene für die Nationalratswahl heran, deshalb müsse man beides „im Paket denken“, sagt ein Grüner. Wer wo was werden soll – dazu gibt es jetzt ein breit angelegtes Brainstorming. 

Nicht der richtige Zeitpunkt

Dabei soll immer wieder der Name Lena Schilling gefallen sein. Nicht alle befürworten das – und zwar aus langfristigen Überlegungen heraus: Die 22-jährige Klimaaktivistin sollte „früher oder später einmal“ bei den Grünen andocken, heißt es. Die EU-Wahl sei dafür aber noch nicht der richtige Zeitpunkt.

Auf KURIER-Anfrage antwortet Schilling wie ein Polit-Profi: „So wie es immer wieder Gerüchte um mögliche Kandidaturen gibt und gab, kann ich das auch diesmal nicht bestätigen“, teilt sie per SMS mit. Ein Dementi liest sich anders.

Ganz ähnlich klingt das Statement aus dem Büro von Justizministerin Alma Zadić zum Thema Spitzenkandidatur bei der EU-Wahl: „Wir kommentieren Gerüchte nicht.“ Dem Vernehmen nach hat sie aber schon vor Monaten klargestellt, dass sie keine Kandidatin sei.

Damals galten allerdings noch andere Vorzeichen: Gewessler, die auch stellvertretende Parteichefin ist, war gebeten worden, zu kandidieren, Zadić nicht. Beiden sagt man zudem nach, sie hätten gute Chancen, Werner Kogler eines Tages an der Parteispitze abzulösen.

Auch ÖVP berät noch

Mit ihrer Listenwahl am 24. Februar – drei Monate vor der EU-Wahl – dürften die Grünen übrigens immer noch schneller dran sein als ihr großer Koalitionspartner auf Bundesebene: Auch der ÖVP ist kürzlich mit Othmar Karas ihr Zugpferd abhanden gekommen. Die türkise Liste könnte, wie man hört, erst im März feststehen.

Die Neos wählen ihre Liste im Jänner. Bei SPÖ und FPÖ gehen die amtierenden Delegationsleiter, Andreas Schieder bzw. Harald Vilimsky, wieder ins Rennen.

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