"Es liegt an Rendi-Wagner, die SPÖ-Geschichte umzuschreiben"

Politikwissenschaftlerin Katrin Praprotnik rät der neuen SPÖ-Chefin zu eigener Linie und warnt davor, Sebastian Kurz zu kopieren

KURIER: Frau Praprotnik, die SPÖ musste 130 Jahre alt werden, bis sie erstmals eine Frau als Chefin bekommt. Warum eigentlich dauert es so lange, bis sich Frauen in allen Gesellschaftsbereichen durchsetzen?

Katrin Praprotnik: Die Frauen mussten einen sehr, sehr weiten Weg gehen von ihrer angestammten Rolle als Hausfrau und Mutter bis zur Gleichberechtigung im Privaten und im Beruf. Als letzten Schritt müssen sie es erst in die prominenten und wichtigen Positionen schaffen. Das ist ein sehr weiter Weg, insofern sind 130 Jahre gar nicht so lange.

In konservativen Parteien scheinen Frauen eher an Top-Jobs zu kommen als in der Sozialdemokratie, obwohl diese sich den Feminismus auf die Fahnen heftet. Die ÖVP stellte die erste Ministerin in den 60er-Jahren, die erste Frau im Nationalratspräsidium, die erste Landeshauptfrau. Gibt es dafür politikwissenschaftliche eine Erklärung?

Man muss sich die Ebene anschauen. Die SPÖ hatte stets einen höheren Frauenanteil im Nationalratsklub. Es wird jetzt an Pamela Rendi-Wagner liegen, die Geschichte der SPÖ umzuschreiben. Entweder wird sie eine Kurzzeit-Vorsitzende, die vor der nächsten Nationalratswahl wieder an einen Mann abgeben, oder sie wird als Langzeitvorsitzende eine längere Periode prägen.

Gibt es Vorteile, wenn man als Frau in der Spitzenpolitik ist? Oder umgekehrt, was sind die Nachteile?

Frausein an sich fällt einfach einmal auf. Ich glaube nicht, dass es für Rendi-Wagner gut wäre, ihre Strategie an Sebastian Kurz oder Heinz-Christian Strache anzulehnen. Sie sollte sich auf ihre eigene Person und ihre eigene Rolle konzentrieren. Die Tiroler SPÖ-Chefin Elisabeth Blanik ist ein interessantes Beispiel, sie hat bewusst Akzente auf das Frausein gelegt, und dass Frauen am besten durch Frauen vertreten werden.

Ist es wirklich so, dass Frauen Frauen wählen? Oder verhalten sie sich ähnlich wie Männer und entscheiden nach ideologischen Vorlieben oder danach, wer ihre ökonomischen Interessen am besten vertritt?

Rendi-Wagner kommt zugute, dass sie eine linke Politikerin ist. Sie kann links eingestellte Frauen ansprechen, womit das personelle und das inhaltliche Angebot übereinstimmen. Sie kann sagen: Ich als Frau, ich als Mutter verstehe die Situation meiner Wählerinnen.

Rendi-Wagner kommt aus einer privilegierten Situation. Kann sie Alleinerzieherinnen mit geringem Einkommen ansprechen?

Das wird die große Herausforderung für sie sein, nicht nur die Oberschicht anzusprechen.

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