Pröll: "Landeskaiser gibt es in der Demokratie nicht"
Landeshauptmann Erwin Pröll feierte am Samstag in Stift Göttweig seinen 70er ("3000 Gäste feierten mit Pröll in Göttweig") . Der KURIER sprach mit ihm im Vorfeld der Veranstaltung.
KURIER: Eine Boulevard-Schlagzeile hat gelautet, Erwin Pröll dürfte nach seinem 70er abdanken. Jetzt haben Sie eine weitere Kandidatur nicht ausgeschlossen. Wann sagen Sie, was Sie wirklich vorhaben?
Erwin Pröll: Wenn die Zeit gekommen ist. Wir sind noch eineinhalb Jahre vor der nächsten Wahl.
Wie legen Sie ihre Entscheidung an?
Das ist wie bei einem Bauern, der sehr umsichtig überlegt, welche Richtung und welche Schritte zum richtigen Zeitpunkt zu setzen sind.
In kleinem Kreis haben Ihnen prominente Künstler, die nicht der ÖVP nahestehen, gratuliert. In Reden schwang die Hoffnung mit, dass es Sie als Landeshauptmann noch länger gibt.
Das ist für mich eine Bestätigung eines langen Weges der Zusammenarbeit mit der Künstlerschaft. Das ist meiner Meinung nach sehr wichtig für die Entwicklung Niederösterreichs und der Republik.
Sie vermitteln nicht den Eindruck von Amtsmüdigkeit. Was treibt Sie nach 37 Jahren in der Landespolitik noch immer an?
Gab es einen Zeitpunkt, wo Sie sich gesagt haben, jetzt ist Schluss?
Nein, auch nicht in schwierigen Situationen. In 37 Jahren gibt es natürlich nicht nur sonnige Tage, sondern auch dunkle Stunden. Wenn man aber Freude an der Arbeit hat und aus der Begegnung mit den Menschen Kraft schöpft, ist das alles wunderbar zu bewältigen.
In der Vergangenheit gab es wiederholt Fotos von ihren Radtouren auf den Großglockner. Wie fit fühlen Sie sich mit 70?
Ich fühle mich sehr, sehr fit. Ich tue auch einiges dafür. Rundum glücklich zu sein, Bewegung zu machen, diszipliniert beim Essen und Trinken zu sein, all das ist der Stoff aus dem die Gesundheit gemacht wird.
In Reden sagen Sie, Niederösterreich ist vom Rande Europas ins Herz des Kontinents gerückt. Was ist Ihnen in den knapp 25 Jahren als Landeshauptmann besonders gelungen?
Wir haben in einem historischen Mondfenster zeitgerecht erkannt, welche wichtigen Entscheidungen zu treffen sind.
Sie meinen den Wegfall des Eisernen Vorhangs und die europäische Öffnung.
Genau daraus hat sich die Notwendigkeit ergeben, das Land neu aufzustellen. Zu der Reihe an Höhepunkten zählt die gesamte kulturelle Infrastruktur mit Grafenegg als Spitze. Dann ist da die gesamte Wissenschaftsachse mit der Elite-Universität sowie Med-Austron. Und es ist gelungen, das Landesimage positiv zu verändern. Das wiederum war die Grundlage für ein entsprechendes Selbstbewusstsein, mit dem wir in Niederösterreich ordentlich politische Kraft entwickeln konnten.
Und was war von dem für Sie das Wichtigste?
Das Selbstbewusstsein, das Niederösterreich-Gefühl. Das war die Grundlage für all diese Maßnahmen.
Sie gelten als EU-Befürworter, haben aber zuletzt die europäische Flüchtlingspolitik kritisiert. Dreht sich Europa in die falsche oder langsam wieder in die richtige Richtung?
Letzteres ist derzeit nicht authentisch zu beantworten. Da muss im europäischen Geist noch einiges spürbar werden.
Was konkret?
Will man ein Auseinanderfallen Europas verhindern, dann muss es zu einer Arbeitsteilung kommen. Nämlich zwischen dem großen Europa als ein Kontinent, der sich in einer globalisierten Welt behauptet und den nationalen Einheiten und Regionen, wo es darum geht, Entscheidungen auf diese Ebene zu verlagern.
Warum ist das so wichtig?
Nur so kann den Bedürfnissen der Menschen Rechnung getragen werden.
Woran leidet Europa?
An der Distanz zwischen der Bevölkerung und den Entscheidungsträgern in Brüssel.
Um die Regionen in der EU zu stärken, haben Sie Verbündete gesucht.
Im Hinblick auf die zukünftige Förderpolitik konnten wir hinter Niederösterreich 337 Regionen versammeln. Das ist ein deutliches Signal an Brüssel, dass sich die Regionen nicht am Gängelband führen lassen.
In der Bundespolitik haben Sie zuletzt ihre Rolle vom Kritiker zum Mahner gewechselt. Da war Ihr Aufruf, nicht vorzeitig zu wählen. Sind sie milder geworden?
Ich kann nur vor vorzeitigen Neuwahlen warnen. Denn wir brauchen neben nationalen wie internationalen Unsicherheiten keinen zusätzlichen Unsicherheitsfaktor. Eines gestehe ich schon zu. Man wird mit zunehmenden Alter auch altersmilder.
Im Sommer wollten Sie kein Urteil über den neuen Bundeskanzler Christian Kern fällen. Gibt es jetzt eine Beurteilung?
Mein Eindruck ist, dass sich sowohl der Bundeskanzler wie der Vizekanzler persönlich besser verstehen, als dies nach außen spürbar ist. Auf der anderen Seite hat der Herr Bundeskanzler beim Amtsantritt mehr Hoffnungen erweckt, als er bis jetzt in der Lage war, sie zu erfüllen.
Wie können Sie mit ihm?
Nach Startschwierigkeiten haben wir einen pragmatischen Weg eingeschlagen.
Bei der Mindestsicherung sind Sie nicht zusammengekommen.
Der Bundeskanzler hat versucht, eine bundesweite Lösung zustande zu bringen. Was ich ihm leider auch sagen muss, ist, dass der Sozialminister dies vereitelt hat.
Sehen Sie hier noch eine Chance für einen gemeinsamen Kurs in Österreich?
Von mir aus Ja. Um eines kommen wir aber nicht herum. Ein Regierungsmitglied, das in meiner Regierung eine sinnvolle Lösung vereitelt, mit dem würde ich ein ernstes Wort sprechen. Ob das der Bundeskanzler mit seinem Sozialminister getan hat, kann ich nicht beurteilen.
Bei der Bundespräsidentenwahl haben Sie keine Empfehlung abgegeben. Warum nicht?
Weil der Wähler mündig genug ist, zu wissen, was er tut.
Wie haben Ihre Parteifunktionäre reagiert, als sich Reinhold Mitterlehner für Alexander Van der Bellen ausgesprochen hat?
Unterschiedlich, und das ist auch ein gutes Recht, sich in einer bestimmten Richtung zu äußern.
Wie sehen Sie den medialen Hype um Reinhold Mitterlehner oder Sebastian Kurz?
Das ist nachvollziehbar und überhaupt kein Malheur. Der Wert einer Partei wird daran gemessen, welch unterschiedliche Facetten zu einem gemeinsamen Ganzen gebündelt werden, um einer politischen Partei die nötige Kraft zu geben. Das ist in diesem Fall so zu werten.
Gegner bezeichnen Sie als den letzten Landeskaiser. Geht in Österreich die Zeit dieses Politikmodells zu Ende?
Das glaube ich nicht. Bei meinen Gegnern spricht hier in hohem Maß der Neid. Politischer Neid ist mir aber hundertmal lieber als politisches Mitleid. Landeskaiser gibt es in einer Demokratie nicht. Ich bin gewählt und stolz darauf.
Wie kommt es heute noch zu einer absoluten Mehrheit?
Die ist in Niederösterreich von einem intensiven Vertrauensverhältnis getragen. Denn keine einzige Stimme ist gestohlen. Die Freude im Umgang mit den Menschen zu haben und ständig bei ihnen zu sein, wird offenbar in der Wahlzelle honoriert.
Die Politik entwickelt sich weg von den Parlamenten hin zu den sozialen Netzwerken. Ist die Wut, die hier verbreitet wird, gut für die Demokratie?
Ich kann nur hoffen, dass möglichst rasch rechtliche Vorkehrungen gegen diesen Wahnsinn getroffen werden. Hier werden im Schatten der Anonymität Dinge verbreitet, die man von Angesicht zu Angesicht niemals sagen würde.
Sie selbst standen vor zwei Jahren im Zentrum einer breit angelegten Kampagne in den sozialen Netzwerken. Kann man sich als Politiker darauf einstellen?
Damit diese Dreckschleuderei nicht fruchtet, ist das Wichtigste, sich nicht zu fürchten. Ich hoffe sehr, dass niemand vor solchen betrügerischen Typen, die hinter solchen Netzwerken stehen, in die Knie geht.
Sie feierten mit Tausenden in Stift Göttweig (siehe Bilderstrecke von den Feierlichkeiten). Was wollen Sie damit signalisieren?
Wir haben hier das Europaforum Wachau gegründet. Und es war mein fester Wille, dem Herrgott im Rahmen einer Heiligen Messe Dank abzustatten, was er mir in meinem Leben geschenkt hat.
Gibt es für Sie mit 70 noch eine Herausforderung, wo Sie sagen: Das will ich packen?
Ich will selbst einen Beitrag leisten, dass ich noch möglichst lange gesund bleibe.
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