Bogner-Strauß: „Erwarte mir Solidarität unter Frauen“

Die Frauenministerin will mehr Einkommens-Transparenz, ein automatisches Pensions-Splitting und verspricht rasche Lösung im Kindergarten-Streit

KURIER: Sie haben schulpflichtige Kinder in der Steiermark. Jetzt sitzen Sie in Wien beim Interview. Wo sind die Kinder gerade und wer schaut auf sie?

Juliane Bogner-Strauß: Sie sind gerade im Sportcamp, am Nachmittag werden sie vom Papa abgeholt. Allgemein geht sich das mit der Kinderbetreuung bei uns gut aus. Außerdem waren die Kinder immer ab dem ersten Geburtstag in der Ganztagsbetreuung.

Ihre Regierung, die den 12-Stunden-Tag eingeführt hat, streckt allerdings die Mittel für den Ausbau der Ganztagsbetreuung und will die Förderung für den Kindergartenausbau kürzen. Dabei haben nur acht Prozent der Kindergärten länger als 12 Stunden pro Tag offen, rund die Hälfte überhaupt weniger als neun Stunden. Zudem hat jeder Kindergarten im Schnitt 30 Tage pro Jahr zu. Reicht das aus?

Es gibt immer wieder Bedarfserhebungen für Kindergärten. Wir müssen die Öffnungszeiten am Nachmittag ausbauen. Da haben wir vor allem bei den Unter-3-Jährigen Handlungsbedarf, bei den 3- bis 6-Jährigen haben wir bereits eine sehr gute Betreuungsquote.

Eine gute Betreuungsquote allein ist kaum aussagekräftig in der Frage, wie leicht Eltern Vollzeit arbeiten können.

Wir wollen die Kinderbetreuung so flexibilisieren, dass sich Vollzeitarbeit für Eltern besser ausgeht.

Warum kürzt man dann Förderungen?

Da muss man jetzt etwas auseinander halten: Der Bund hat immer Anschubfinanzierung geleistet. Prinzipiell ist Kinderbetreuung Länderkompetenz. Natürlich muss etwas getan werden, aber nach Bedarf.

Sie meinen also, dass die Situation bei den Öffnungszeiten daran liegt, dass bei den Eltern keine Nachfrage da ist?

In meinem Heimatbundesland, der Steiermark, ist es zum Beispiel so, dass der Bedarf am Nachmittag oft gar nicht gegeben ist.

Wie ist denn der Stand bei den Verhandlungen mit den Ländern über die Kindergartenförderung? Wird es die Kürzungen geben?

Wir sind in finalen Gesprächen.

Verzichten Sie auf Ihre Forderung, dass das Kopftuchverbot für Mädchen ein Förderkriterium wird? Die Länder haben das scharf kritisiert.

Nein. Mir ist die frühzeitige Gleichstellung von Mädchen und Buben ein wichtiges Anliegen.

Kann man eigentlich als Alleinerzieherin am Land ohne größere Probleme Vollzeit arbeiten?

Leichter ist es natürlich mit einem Netzwerk aus Familie und Freunden, aber es ist möglich. Es gibt viele Kindergärten, die ganztags geöffnet haben. Aber ich würde mir schon auch wünschen, dass Eltern gerade im Sommer ab und zu auch etwas weitere Anfahrten zum nächsten Kindergarten in Kauf nehmen, wenn der eigene gerade geschlossen hat.

Sie wurden zuletzt scharf wegen Kürzungen – auch bei Frauenvereinen – kritisiert. Frauenlobbys sagen, Türkis-Blau mache gar keine Frauenpolitik. Was entgegnen Sie dem?

Dem möchte ich krass widersprechen. Ein Thema dem wir uns verstärkt annehmen, ist die Einkommenstransparenz. Der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen beträgt knapp zwanzig Prozent. Das ist viel zu viel. Bei der Pension haben wir vierzig Prozent. Daher startet im September eine Arbeitsgruppe mit Experten der Sozialpartner, der Wissenschaft und dem Bereich der Statistik, um für Einkommenstransparenz zu sorgen.

Das kaum genutzte Pensions-Splitting zwischen Männern und Frauen in den Kindererziehungszeiten soll laut Seniorenbund und Neos automatisch passieren, um Frauenpensionen zu erhöhen. Wollen Sie das auch?

Wir müssen alles tun, um Frauen-Altersarmut zu verhindern. Der erste Schritt muss sein, besser über das Pensions-Splitting zu informieren. Weitere Schritte kann man schon diskutieren.

Der Automatismus kommt also?

Ich will das auf alle Fälle koalitionsintern diskutieren.

Die EU hat die Kürzung der Familienbeihilfe für ausländische Kinder einmal mehr abgelehnt. Bleiben Sie dabei?

Ja, wir beschließen das im Parlament im Herbst. Wir sind verwundert darüber, dass Brüssel das ablehnt. Die EU-Kommission hat es ja damals den Briten angeboten. Zudem passt Brüssel auch die Leistungen für seine Beamten je nach den Lebenshaltungskosten in den Ländern an.

Abgesehen von einem einzigen Gutachten sagen alle Experten, das sei rechtswidrig. Sie sind Wissenschaftlerin: Ist das evidenzbasierte Politik?

Aber das Gutachten von Prof. Wolfgang Mazal kommt zu einem eindeutigen Ergebnis.

Sie hatten in ihren ersten Monaten als Ministerin recht viel Gegenwind. Hätten Sie sich das eigentlich alles ein bisserl einfacher vorgestellt?

Ich finde es gut, so wie es läuft. Wenn etwas keine Diskussion wert ist, ist es nichts wert. Ich versuche außerdem auch, mit meinen Kritikerinnen – meistens sind es ja Frauen – in den Dialog zu treten. Mehr Solidarität unter Frauen würde ich mir aber schon auch erwarten.

Da meinen Sie zum Beispiel Ihre Vorgängerin Gabriele Heinisch-Hosek von der SPÖ, die Ihnen vorwirft, gar keine Frauenpolitikerin zu sein?

Und viele andere auch.

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