Ernst Strasser: Sind vier Jahre Haft überzogen?

Im Wiener Landesgericht spielte Strasser eine Art James Bond, der Geheimagenten enttarnen wollte. Die Richter glaubten ihm die Story nicht
Chefankläger der Republik empfehlen Herabsetzung der Strafe für den einstigen ÖVP-Innenminister.

Wenn der ehemalige „erste Polizist des Landes“ (ein Zitat seiner Lebensgefährtin) heute vor den obersten Strafrichter des Landes tritt, dann geht es für ihn um ein paar Jahre Gefängnis. Für das öffentliche Leben geht es um ein Signal: Wie wird Korruption in der Politik geahndet?

Cash for law

Der einstige ÖVP-Innenminister und EU-Parlamentarier Ernst Strasser war Anfang des Jahres wegen Bestechlichkeit schuldig gesprochen worden. Gegenüber zwei als Lobbyisten getarnten britischen Journalisten hatte er in holprigem Englisch die Bereitschaft bekundet, für 100.000 Euro im Jahr an EU-Gesetzen zu drehen. Ein Schöffensenat verurteilte Strasser nicht rechtskräftig zu vier Jahren Haft. Richter Georg Olschak begründete die Strenge mit dem Unterschied zwischen einem „kleinen Gemeinderat eines Kuhdorfes“, der sich für eine Baubewilligung bestechen lasse und einem Mitglied des EU-Parlaments, das „cash for law“ (Geld für die Beeinflussung von Gesetzen) nehme.

Strafmilderung

Eben dieser Härtegrad könnte heute vom Berufungssenat des Obersten Gerichtshofes (OGH) als überzogen gewertet werden. Sogar die Generalprokuratur (höchste Instanz der Anklagebehörde) plädiert für eine Herabsetzung der Strafe, weil Strasser dem sogenannten Doppelverwertungsverbot zum Opfer gefallen sei: Das Verbot der Bestechlichkeit richtet sich ja gerade an Amtsträger, also dürfe Strassers Funktion als Abgeordneter nicht noch extra als erschwerend gewertet werden.

Wobei der Vorsitzende des Senats – OGH-Präsident Eckart Ratz – den Ruf des „Tüftlers“ genießt. Es ist also nicht ganz ausgeschlossen, dass er im Urteil Formalfehler entdeckt, die eine Wiederholung des Prozesses erforderlich machen könnten. Ein Streitpunkt ist die Frage, ob die mögliche Beeinflussung eines Gesetzes, für das Strasser gar nicht zuständig war, überhaupt einen Hoheitsakt darstellen würde.

Vier Jahre Haft in erster Instanz: Walter Geyer, Geburtshelfer der Korruptionsstaatsanwaltschaft, hält das Urteil für den „richtigen Maßstab“: Milde sei bei „kleineren Sünden“ angebracht.

Strafrechtsprofessoren halten es für zu hart. Alois Birklbauer (Linz) prognostiziert drei Jahre. Klaus Schwaighofer (Innsbruck) sieht einen „Prominenten-Malus“ und meint, zwei Jahre davon könnten sogar auf Bewährung ausgesprochen werden.

Die Verbüßung des einen verbleibenden Jahres unbedingt wäre dann mit Fußfessel im Hausarrest möglich.

Für Strassers Strafe im Fall der Rechtskraft ist der neue Leiter der Justizanstalt Wien-Simmering, Josef Schmoll, zuständig. Hier verbüßen 520 Insassen kürzere Freiheitsstrafen.

Küchendienst

Jemand wie Strasser kommt, wenn er einen Teil der Strafe absitzen muss, in den gelockerten Erstvollzug. Die Zellen sind tagsüber länger offen, es gibt mehr Freizeit und man kommt – für einen ehemaligen Innenminister nicht unwichtig – nicht mit Schwerverbrechern in Berührung. Die Beschäftigung hängt von Persönlichkeit und Ausbildung ab, das geht vom Küchendienst bis zur Betreuung der Bibliothek.

Schmoll will in Simmering den Wohngruppenvollzug ausbauen. 20 bis 30 Häftlinge leben wie im Familienverband, kochen für sich selbst, die Zellentüren müssen auch nachts nicht abgesperrt werden.

Der tiefe Fall des Karrieristen

Ernst Strasser: Sind vier Jahre Haft überzogen?

STRASSER-PROZESS AM LANDESGERICHT WIEN: STRASSER
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