"Nur mit Photovoltaik werden wir die Energiewende nicht schaffen"

Elisabeth Zehetner
Die türkise Staatssekretärin Elisabeth Zehetner über Trinkgelder, günstigeren Strom und Ungerechtes.

KURIER: Wie viel Trinkgeld geben Sie durchschnittlich?

Elisabeth Zehetner: Das kommt auf meine Zufriedenheit an, aber zehn Prozent sind es sicherlich im Schnitt.

Es wäre nicht Österreich, hätten wir nicht nur in den Branchen, sondern auch in den Ländern unterschiedliche Regeln im Umgang mit Trinkgeld. Wird es eine Einigung beispielsweise auf eine Pauschale von 95 Euro in absehbarer Zeit geben können?

Das, was uns allen wie ein Stein im Magen liegt, das ist die Rechtsunsicherheit für Betriebe wie für Mitarbeiter. Die Diskussion bewegt sich derzeit im Spannungsfeld zwischen jenen, die sagen, bei Trinkgeld handelt es sich um ein Geschenk und für ein Geschenk muss ich keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Und dann gibt es jene, die sagen, ab einer gewissen Trinkgeld-Höhe macht eine Abgabe Sinn.  Das Wichtigste dabei ist, dass es zu keinen Nachzahlungen kommen wird. 

Gehen Sie davon aus, dass das Trinkgeld noch im Juli geregelt sein wird?

Je früher, desto lieber, damit das Thema vom Tisch ist und weder Unternehmer noch Arbeitnehmer belastet.

Apropos Belastung: Ist der heimische Tourismus vorbereitet auf die hohen Temperaturen im Sommer, die immer schneeärmeren Winter?

Wir sind gut aufgestellt! Studien belegen, dass für Skigebiete ab 1.500 Meter  keine  Probleme zu  erwarten  sind, gleichzeitig verlängert sich durch die hohen Temperaturen die Sommersaison beispielsweise in Seengebieten.  Klar ist natürlich auch, dass es unter 1.500  Meter  zunehmend für Wintersportregionen schwieriger wird, aber hier wollen wir Österreich auch stärker als  Ganzjahresdestination etablieren.

PK WIRTSCHAFTSMINISTERIUM "BEGUTACHTUNGSSTART ELEKTRIZITÄTSWIRTSCHAFTSGESETZ (ELWG)": HATTMANNSDORFER  / ZEHETNER

Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer, Staatssekretärin Elisabeth Zehetner

Zurück zu ganz Österreich. Wir haben zu hohe Lohnnebenkosten und zu hohe Energiepreise. Beide wollte die Regierung in Angriff nehmen, spürbar ist nichts davon.

Zur Senkung der Lohnnebenkosten haben wir einen Fahrplan im Regierungsprogramm, nur müssen wir bis 2027  warten, bis  die  Budgetkonsolidierung  gegriffen hat. Bei den Energiepreisen hängen wir aufgrund der engen Verbindung mit unseren Nachbarländen von der EU-weiten Entwicklung und stark von den Weichenstellungen ab, die mit unseren Energiegesetzen vorgenommen werden sollen.Was die Energiepolitik betrifft, so haben wir gerade mehrere Gesetze auf den Weg gebracht. Das Elektrizitätswirtschaftsgesetz wird den Strommarkt reformieren und dafür sorgen, dass wir die Netzkostenentwicklung gerechter gestalten und dämpfen. Das zweite Gesetz, das gerade in der regierungsinternen Koordinierung ist, das ist das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz. Wir werden das System sukzessive ändern, weil wir überall mit den Energiekosten herunterkommen müssen.

Österreich ist in punkto Energie von anderen Ländern abhängig. Was macht den Strom bei uns so teuer? Die Gaskraftwerke?

Nein, das wäre zu vereinfacht dargestellt. Wir müssen beginnen, integrierter zu denken und in Zukunft so  planen, dass neue Erzeugungsanlagen  in unmittelbar  Nähe  von Abnehmern gebaut werden, um die Transportwege möglichst kurz und damit kostengünstig zu halten.  Zusätzlich müssen wir massiv in den Netzausbau und die Digitalisierung investieren. In einer idealen Welt produziere ich lokal, verbrauche lokal und speichere lokal. 

Die Regierung hat zahlreiche Klimaförderungen wegen des Budgetdefizits gestoppt. Wird der Tausch von Heizkesseln oder mehr PV-Anlagen auf Einfamilienhäusern ohne finanzielle Anreize künftig überhaupt funktionieren?

Laut Photovoltaic Austria liegen die Rückgänge bei Photovoltaik-Anlagen 2024 bei rund 10 Prozent. Die steigenden Verkaufszahlen von batterieelektrischen Fahrzeugen beweisen allerdings, dass es auch Förderung funktioniert. Abgesehen davon gibt es auch noch Förderungen. 

Windpark Obersiebenbrunn

Und wie werden die Stromkosten gesenkt? 

Mit dem nun vorliegenden E-Wirtschaftsgesetz soll der Anstieg der Kosten für Stromnetze gedämpft werden. Und regierungsintern haben wir bereits das zweite Energiegesetz zum beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien.

Weil derzeit die Gaskraft die teuerste Form der Stromerzeugung ist?

Nein, das wäre zu vereinfacht gesagt. Es gibt mehrere Faktoren, die Strom teuer machen, also auch der Netzausbau oder die 120 Millionen Euro für Redispatch-Kosten, damit das System stabil bleibt.

Von der Planung bis zur Errichtung einer Windkraftanlage können viele Jahre vergehen.

Von der Planung bis zur Errichtung einer Windkraftanlage können viele Jahre vergehen.

Beim Netzausbau geht es um große Investitionen in die Infrastruktur, die dann für Jahrzehnte bereitsteht. Warum strecken wir diese Kosten nicht auch auf Jahrzehnte?

Wir zahlen nur das, was im Netzinfrastrukturplan vorgesehen ist, damit wir die Erneuerbaren ins System bringen. Es gibt verschiedene Finanzierungsmodelle, etwa Green Bonds, die in eigenen Expertengruppen diskutiert werden. Und wir müssen schauen, so wenig Netzausbaukosten wie möglich zu schaffen. Jeder Kilometer Stromnetz, der nicht gebaut werden muss, muss auch nicht bezahlt werden. Daher setzen wir auf Digitalisierung und Stärkung des lokalen Verbrauchs.

Großen Wirbel hat das Gesetz erzeugt, weil auch die privaten PV-Anlagen neuerdings Netzzugang bezahlen müssen. Was kommt da genau? 

Derzeit bezahlen 94 Prozent der  Netzgebühren die Verbraucher, wir  wollen das gerechter  aufteilen. Wer  das Netz  mehr  nutzt, indem er Strom einspeist, soll sich auch mit einem Beitrag beteiligen, also nicht nur die private PV-Anlage, sondern alle.

Aber zahlt sich dann der Bau einer privaten PV-Anlage am Dach überhaupt noch aus?

Ja. Bei einer einfachen Durchrechnung zeigt sich, dass man jedenfalls mit einer PV-Anlage am Dach die Energiekosten senken kann, am besten mit eigener Batterie. Aber etwa ein Drittel der Anlagen werden ohne eigene Speicher installiert.

Die Arbeiterkammer rechnet vor, wenn es mehr Zahler für den Netzausbau gibt, könnten die Netzkosten für die Haushalte um bis zu 170 Euro gesenkt werden, stimmt das?

Das kann sein, aber ich muss betonen, dass die Netzkosten-Tarife von der E-Control vorgegeben werden, die darf der Energieminister nicht festlegen. Wir können nur die Leitplanken festlegen. Uns geht es darum, dass der Wohnungsbesitzer ohne PV-Anlage derzeit die Netzkosten für jene bezahlt, der mit seiner PV-Anlage Geld verdient. Und das ist ungerecht.

Die Energiebranche verdient derzeit Milliarden, der überwiegende Teil ist aber in öffentlicher Hand, die hohen Energiekosten führen also zu erheblichen Mehreinnahmen für den Bund und die Landesregierungen. Da stimmt doch was nicht. 

Deshalb haben wir in den Gesetzesvorschlag geschrieben, dass die Energieversorger im  öffentlichen Interesse,  also  zum Gemeinwohl  handeln  müssen. Das macht bereits die Tiroler Tiwag. Damit ist auch die gängige Ausrede vom Tisch, man sei als Unternehmen ausschließlich dem Aktienrecht und der Gewinnmaximierung verpflichtet. Das ist  der Hebel,  den  ich als  Gesetzgeber  habe.

Und beim Gesetz zum beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren geht es um einen massiven Ausbau der Erneuerbaren in Österreich?

Ja, mit zwei Stoßrichtungen, einem Fokus auf konzentrierte und damit schnellere Genehmigungsverfahren, und auf  Erzeugungskapazitäten, die in  den einzelnen  Bundesländern  mit Zonierungen  ausgewiesen  werden müssen.

Also werden 2030 in jedem Bundesland Windräder stehen, derzeit ist das ja nicht der Fall. 

Das haben wir so vorgesehen, ja. Nur mit der Photovoltaik allein werden wir die Energiewende nicht schaffen.

Zurück zu ganz Österreich. Wir haben zu hohe Lohnnebenkosten und zu hohe Energiepreise. Beide wollte die Regierung in Angriff nehmen, spürbar ist nichts davon.

Der Fahrplan zur Senkung der Lohnnebenkosten ist im Regierungsprogramm festgeschrieben. Wir müssen für weitere Schritte allerdings warten, bis die Budgetkonsolidierung gegriffen hat. Was die Energiepolitik betrifft, so haben wir gerade mehrere Gesetze auf den Weg gebracht. Das Elektrizitätswirtschaftsgesetz wird den Strommarkt reformieren und dafür sorgen, dass wir die Netzkostenentwicklung gerechter gestalten und dämpfen. Das zweite Gesetz, das gerade in der regierungsinternen Koordinierung ist, das ist das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz. Wir werden das System sukzessive ändern, weil wir überall mit den Energiekosten herunterkommen müssen.

Österreich ist in punkto Energie von anderen Ländern abhängig. Was macht den Strom bei uns so teuer? Die Gaskraftwerke?

Nein, das wäre zu vereinfacht dargestellt. Wir müssen beginnen, integrierter zu denken und in Zukunft so  planen, dass neue Erzeugungsanlagen  in unmittelbar  Nähe  von Abnehmern gebaut werden, um die Transportwege möglichst kurz und damit kostengünstig zu halten.  Zusätzlich müssen wir massiv in den Netzausbau und die Digitalisierung investieren. In einer idealen Welt produziere ich lokal, verbrauche lokal und speichere lokal. 

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