Defizitverfahren: Wie schnell kommt Österreich aus der Budgetkrise?

Vollzug: Der Rat der EU-Finanzminister (ECOFIN) hat am Dienstag offiziell beschlossen, zum dritten Mal ein Defizitverfahren gegen Österreich zu eröffnen. Österreich gesellt sich damit zu acht weiteren EU-Staaten – darunter Frankreich, Polen und Belgien. Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) stellte jüngst mehrmals klar, das Verfahren sei nicht weiter tragisch. Wird Österreich also nicht von der EU „teilentmündigt“, wie es FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker formuliert?
Zumindest über die Art der Sparmaßnahmen können die Mitgliedsstaaten selbst entscheiden. Hält ein Staat die Vorgaben der EU nicht ein, drohen diesem theoretisch halbjährlich Strafzahlungen von bis zu 0,05 Prozent des BIP – was in Österreichs Fall rund 250 Millionen Euro wären. Exekutiert hat die EU solche Strafen noch nie.
Milliardenschweres "Erbe" von Türkis-Grün
Ökonomen sind uneinig, ob das Defizitverfahren per se ein Imageschaden für EU-Länder ist – und beispielsweise Auswirkungen an den Finanzmärkten hat. Marterbauer sieht bisher keine Probleme, Österreich „sei eine der stärksten Volkswirtschaften Europas“.
ECOFIN hat auch Österreichs Finanzstrukturplan gebilligt – also jene Maßnahmen, mit denen Türkis-Rot-Pink die EU-Maastricht-Kriterien wieder einhalten will. Diese sehen ein jährliches Defizit von maximal drei Prozent des BIP vor. Vergangenes Jahr verzeichnete Österreich ein Defizit von 4,7 Prozent des BIP, heuer sind 4,5 Prozent geplant. Laut Budgetpfad hält Österreich die EU-Grenze ab 2028 wieder ein. Heuer will die Regierung 6,4, nächstes Jahr 8,7 Milliarden Euro einsparen.
Darüber hinaus will man Reformen bei Föderalismus und Förderungen umsetzen. Das Sparpotenzial ist ungewiss, vor allem mit Ländern und Gemeinden stehen schwierige Verhandlungen bevor. Das übermäßige Defizit sei ein „Erbe der letzten Regierung“, betont Marterbauer in Brüssel. Türkis-Rot-Pink habe die nötigen Gegenmaßnahmen beschlossen, man sei „auf sehr gutem Weg, plangemäß das Defizit abzubauen“.
Bisher mehr Schulden als 2024
Doch daran gibt es Zweifel. Mit Blick auf den Budgetvollzug bis Mai, meint Ökonom Hanno Lorenz vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria: „In den ersten fünf Monaten hat sich der Bund im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 400 Millionen Euro mehr verschuldet.“ Da die Regierung im Vergleich zu 2024 um eine Milliarde weniger Schulden machen wolle, sei das alles andere als „ideal“. Klar ist: Mehrere Sparmaßnahmen entfalten erst im zweiten Halbjahr ihre volle Wirkung. Dazu zählen die Abschaffung des Klimabonus und der Bildungskarenz, oder die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge für Pensionisten.
Dass das Sparpaket wie vorgesehen wirkt, hält aber auch der Fiskalrat für zweifelhaft. Er sieht „großen zusätzlichen Konsolidierungsbedarf“, um unter drei Prozent zu kommen.
Trüber wirtschaftlicher Ausblick
Wie geht es jetzt weiter? Formal so: Österreich muss der EU bis 15. Oktober die Sparmaßnahmen – die ja größtenteils schon beschlossen sind – vorlegen. Danach soll der Finanzminister der EU-Kommission jeweils im April und Oktober über den Sparpfad berichten. Wie rasch Österreich wieder aus der Budgetkrise kommt, ist – hier herrscht weitgehend Einigkeit – vor allem von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängig. 2024, eventuell auch heuer, verzeichnete man das EU-weit schwächste Wachstum.
Immerhin: Laut Prognosen soll die längste Rezession seit Beginn der Zweiten Republik heuer enden.
EU-Maastricht
Das jährliche Defizit der EU-Staaten soll 3 % des BIP nicht überschreiten, die Schuldenquote nicht über 60 % des BIP liegen. Ist das Defizit zwei Jahren in Folge zu hoch, droht ein EU-Defizitverfahren.
EU-Fiskalregeln
Verschuldete EU-Staaten können ihr Budget außerhalb oder in einem Defizitverfahren konsolidieren. Ohne Verfahren müssen sie Maastricht einhalten – also schnell viel sparen. Im Verfahren ist der Pfad sanfter, liegt bei mindestens 0,5 % des BIP pro Jahr. Der Staat muss der EU-Kommission über die Einhaltung des Pfads berichten.
Staatsschulden
Diese liegen derzeit bei rund 400 Milliarden Euro – oder 54.000 Euro pro Österreicher.
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