Eine Gesundheitsreform mit vielen Fragezeichen

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Nach zähem Ringen hat Johannes Rauch sein Reformpaket auf Schiene gebracht. Ob es in der Praxis eine wesentliche Verbesserung der Versorgung bringen wird, ist laut Experten noch offen.

Das Säbelrasseln der Ärztekammer hat sich einmal mehr gelohnt: In letzter Minute konnte sie in die von Minister Johannes Rauch (Grüne) geplanten Gesundheitsreform noch Änderungen hinein verhandeln. Vor wenigen Tagen hatte die Kammer noch zehn Millionen Euro für Kampfmaßnahmen freigemacht und mit der Aufkündigung des Gesamtvertrags gedroht, um sich gegen ihre Entmachtung zu wehren. 

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Nun spricht sie von einem „brauchbaren, guten Ergebnis“. Deutlich euphorischer war am Mittwoch Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), der das Paket als die „wahrscheinlich größte Gesundheitsreform der letzten 20 Jahre“ bezeichnet.

Was sind die Eckpunkte der Reform?

Zentraler Punkt ist die Stärkung der niedergelassenen Versorgung – durch mehr Kassenstellen, vor allem in Form von Primärversorgungseinheiten (also speziellen Ärztezentren). Der Gesamtvertrag, der die Abrechnung von Kassenleistungen mit den Sozialversicherungen regelt, soll bundesweit möglichst einheitlich werden. Der Regionale Strukturplan, mit dem auf Länderebene die Versorgung organisiert wird, soll verbindlich werden. Auf Spitalsebene wird der Ausbau von Fachambulanzen und Tageskliniken forciert. Weiters sollen digitale Angebote wie etwa Telemedizin erweitert werden.

Eine Gesundheitsreform mit vielen Fragezeichen

Magnus Brunner, Johannes Rauch

Was hat die Ärztekammer verhindert?

Wäre es nach Rauch gegangen, hätten Ärzte künftig statt konkreten Präparaten nur mehr Arzneimittel-Wirkstoffe verschreiben dürfen. Dies hätte Vorteile in der Versorgung, vor allem im Fall von Lieferengpässen, gebracht. Die Ärztekammer hatte Sicherheitsbedenken angemeldet. Für Thomas Czypionka, Gesundheitsökonom am IHS, konnten Ministerium und Sozialversicherung diesen Punkt aber leicht in den Verhandlungen opfern, um dafür wichtigere durchzubringen. Auch die Möglichkeit, mit Ärzten Einzelverträge außerhalb des Gesamtvertrages abzuschließen, konnte die Kammer verhindern. Änderungen gibt es auch beim geplanten Bewertungsboard für teure, neue Medikamente. Hier sollen mehr medizinische Fachleute als ursprünglich vorgesehen vertreten sein.

Was wurde aus der ursprünglich geplanten Zurückdrängung des Einflusses der Ärztekammer?

In zwei nicht unwesentlichen Punkten ist dies Gesundheitsminister Rauch tatsächlich gelungen: Gegen Ärzte-Stellenpläne und die Schaffung neuer Ambulatorien wird die Ärztekammer künftig kein Veto mehr einlegen können. Damit soll die Errichtung neuer Versorgungsstandorte beschleunigt werden.

Welche Geldmittel werden für die Reform locker gemacht?

Für den Ausbau des niedergelassenen Bereichs gehen jährlich 300 Millionen Euro an Bundesmittel an die Sozialversicherung. Für die Spitäler erhalten die Länder pro Jahr zusätzlich 600 Millionen Euro vom Bund, die Digitalisierungsoffensive ist mit jährlich 51 Mio. Euro veranschlagt.

Wie bewerten Experten die Reform?

Czypionka ortet grundsätzlich gute Ansätze. Er gibt aber gleichzeitig zu bedenken, dass der Bund den Ländern letztlich nicht vorschreiben kann, wofür genau sie die bereitgestellten Gelder ausgeben. Äußerst skeptisch ist hingegen sein Kollege Ernest Pichlbauer. Für ihn ist der Letztentwurf der Reform gerade noch eine „gesichtswahrende Lösung“, die Ärztekammer habe am Ende noch erhebliche Erfolge einfahren können. „Ihre Mitspracherechte wurden beschnitten, aber es ist noch genug übrig“, so Pichlbauers Einschätzung. 

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Er will nicht so recht glauben, dass jetzt Länder und Krankenkassen nun eng bei der Organisation der Versorgung zusammenarbeiten. „Diese Möglichkeit hatten sie ja bisher schon, sie aber nicht genutzt.“ Nach vielen gescheiterten Versuchen in diese Richtung bezweifelt er, dass es gelingt, eine Gesundheitsplanung zu etablieren, die auch tatsächlich verbindlich ist. „Ich habe die Ankündigung der größten Strukturreform im Gesundheitssystem in den vergangenen Jahren einfach schon viel zu oft gehört.“

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