"Eigenartig ausgezählt"? Bisher nur Verschwörungstheorien

FPÖ sucht einmal mehr nach Ungereimtheiten bei der Briefwahl – nur zwei Mal war sie seit 1970 damit erfolgreich.

Kaum ist das Patt Sonntag Abend fix – Hofers und Van der Bellens Chancen, Präsident zu werden, stehen 50:50, gibt es die erste Mutmaßungen. "Dass bei Wahlkarten eigenartig ausgezählt wird, ist bekannt", sagt Hofer noch in der Wahlnacht.

885.437 Wahlkarten wurden diesmal ausgegeben. Einen konkreten Anhaltspunkt nennt der freiheitliche Kandidat nicht, begründet wird der Verdacht durch eine versehentliche Veröffentlichung auf der Homepage des Innenministeriums (BMI).

Dort erscheinen Sonntagabend Testdaten mit Briefwahlergebnissen. Heinz-Christian Strache publiziert Selbige auf seiner Facebook-Seite, und Verschwörungstheorien machen in den sozialen Netzwerken die Runde. Ob es zu einer Wahlanfechtung seitens der FPÖ oder der Grünen kommt, ist zuerst offen.

Acht-Tages-Frist

Das Endergebnis ist erst mit der Verlautbarung per Anschlag auf der Amtstafel des BMI am 1. Juni amtlich. Erst dann kann die Stichwahl binnen einer 8-Tages-Frist beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden. Und zwar laut Bundespräsidentenwahlgesetz gemäß § 21 "wegen jeder behaupteten Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens". Vier Wochen hat der Verfassungsgerichtshof längstens Zeit, die Anfechtung zu überprüfen.

Erst zwei Mal war Anfechtungen Erfolg beschieden. Bei der Nationalratswahl 1970 musste in den Wiener Wahlkreisen 1, 3 und 5 die Wahl wiederholt werden. Grund: Die FPÖ hatte den begründeten Verdacht, dass die Nationaldemokratische Partei (NPD) Unterschriften für Unterstützungserklärungen gefälscht hatte.

Bei der Nationalratswahl 1995 musste in den Gemeinden Donnerskirchen und Reutte eine Wiederholungswahl durchgeführt werden, in Kindberg das Wahlergebnis im Nachhinein korrigiert werden, weil eine Stimme für die FPÖ fälschlicherweise als ungültig gezählt worden war.

Kurioser war der Fall Reutte. In der Tiroler Gemeinde gab die damalige ÖVP-Familienministerin Sonja Moser ihre Stimme ab, obwohl sie nicht im dortigen Wählerverzeichnis aufschien. Die Wahlwiederholung brachte der FPÖ in Donnerskirchen und Reutte ein Mandat auf Kosten der Volkspartei. Beide Male, 1970 wie 1995, brachte die Freiheitliche Partei die von Erfolg gekrönte Anfechtung ein.

Robert Marschall, der bei der diesjährigen Hofburg-Wahl an der 6000-Unterschriften-Hürde gescheitert war, kündigte bereits an, die Wahl anfechten zu wollen. 2004, bei der Bundespräsidentenwahl 2004, aus der Heinz Fischer als Präsident hervorging, gab es ähnliche Vorhalte. Damals ging es um das Prozedere bei den Unterstützungserklärungen und vermeintliche Bevorzugungen der Kandidaten Fischer und Ferrero-Waldner. Die Gründe waren nichtig, die Wahl rechtens.

Robert Stein, Leiter der Wahlbehörde im Innenministerium, schließt ob des Kopf-an-Kopf-Rennens zwischen Hofer und Van der Bellen nicht aus, dass es zu einer Anfechtung kommt. Bis dato seien indes keine Rechtswidrigkeiten an die Behörde herangetragen worden. Einer etwaigen Anfechtung wird mutmaßlich nur lokal, nicht aber bundesweit stattgegeben werden.

Moralisch bedenklich

Um Spekulationen um manipulierte Briefwahlkarten keine Nahrung mehr zu geben, will Verfassungsgerichtshof-Präsident Gerhart Holzinger die Briefwahlstimmen sofort nach Wahlschluss ausgezählt wissen. "So, dass noch in der Nacht ein Endergebnis vorliegen kann." Ohne Not darauf zu warten, hält er "für demokratiepolitisch bedenklich". Hierfür müsste die Wahlordnung geändert werden.

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