Duell im Scheinwerferlicht: Wer konnte überzeugen?

Startaufstellung für die Superduelle: Van der Bellen, Griss, Hundstorfer, Khol, Hofer (v. li. n. re.)
Wer gewinnt, wer verliert im TV-Duell?

Sie mussten mehrere Stunden auf dem Beifahrersitz einer Limousine Rede und Antwort stehen; sie wurden an einem "Smartphone-Tisch" in der Nationalbibliothek "verhört", mussten ihre Englisch-Kenntnisse beweisen und mit den Fingern speisen; und schließlich galt es für die Kandidaten der Hofburg-Wahl zuletzt, sich in ständig wechselnden Zweier-Konfrontationen – quasi einem politischen "Speed-Dating" – zu beweisen.

Viele neue Fernsehformate

Egal, ob die "Wahlfahrt" und "2 im Gespräch" im ORF , der "Eignungstest" auf Puls4 oder "Klartext" auf ATV: Noch nie zuvor hat ein Präsidentschaftswahlkampf ähnlich viele neue Fernsehformate hervorgebracht wie der laufende. Allein aufgrund der Anzahl der Bewerber sind sich die Experten einig: Dem Fernseh-Wahlkampf kommt diesmal eine besondere Rolle zu – zumal gut ein Viertel der Wähler bis heute unentschlossen ist.

Live-Ticker

Auf kurier.at begleiten ab 20:15 Uhr kurier.at-Chefredakteur Stefan Kaltenbrunner und Chef vom Dienst Mathias Morscher Sie in einem Live-Ticker durch den Abend der TV-Duelle unter dem Titel "Die 2 im Gespräch" auf ORF2. Am Küniglberg sitzt die stellvertretende KURIER-Chefredakteurin Martina Salomon und wird die Performance der Kandidaten analysieren.

Experten-Wertung

Für den KURIER bewerten der Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer (OGM-Institut) und der Wahlkampf- und PR-Experte Stefan Albin Sengl die bisherige Vorstellung jener fünf Kandidaten, die auch am Donnerstag im staatlichen Fernsehen gegeneinander antreten durften.

Beide Experten sind wahlkampftechnisch "vorbelastet": Bachmayer analysiert seit vielen Jahren im Auftrag des KURIER die Stimmungslage vor Wahlgängen. Sengl wiederum hat die erfolgreiche Wiederwahl-Kampagne des scheidenden Amtsinhabers Heinz Fischer betreut und gilt als einer der führenden Fachmänner für Kampagnen im New-Media-Sektor.

Die Kandidaten im Check

Rudolf Hundstorfer - Der Volksnahe, dem die Lockerheit fehlt

Hundstorfer strahlt bisher selten aus, dass er von seinem Erfolg überzeugt ist und mit Nachdruck das Amt anstrebt. Er wirkt schaumgebremst“, findet Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer. Das Handicap des roten Kandidaten: „Er gilt als Kandidat dieser Regierung. Im Vergleich zu früheren Zeiten ist das diesmal ein großes Manko.“ Positiv aufgefallen ist Bachmayer, dass er „ein freundliches, sympathisches Wesen hat, das auch im Fernsehen spürbar war.“ Er wirke „volksnahe“: „’Einer von uns’ ist ja auch sein Kampagnenslogan. Und seine sozialpolitische Erfahrung konnte er immer wieder spürbar machen – was auch ein Nachteil war, weil er fallweise der Sozialminister war, und nicht der Präsidentschaftskandidat.“

Auch PR-Fachmann Stefan Sengl urteilt, dass bei Hundstorfer spürbar sei, dass er sich in seiner neuen Rolle noch nicht wohl fühle. „Statt seine Volksnähe auszuspielen und als jovialer Gewerkschafter die SPÖ-Basis abzuholen, versucht er in den TV-Auftritten möglichst präsidentiell zu wirken. Prinzipiell keine falsche Strategie, aber dadurch wirkt er bisweilen technokratisch.“

Andreas Khol - Ein Dozent, der lieber attackiert als gefällt

Andreas Khols Handicap ist – wie bei Hundstorfer – seine offenkundige Regierungsnähe. „Die Turbulenzen in der ÖVP haben ihm keinen Rückenwind gegeben, um es höflich zu sagen“, sagt Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer. Khols dozierende, mitunter ins Oberlehrerhafte kippende Art komme ihm nicht zugute. „Das unterstreicht zwar seine Erfahrung, aber damit erobert man keine Herzen“, sagt Bachmayer. Und natürlich schwinge immer mit, dass er – für ältere Wähler erinnerlich – als Architekt und Zuchtmeister der schwarz-blauen Koalition wirkte. In den TV-Debatten habe man nur gemerkt, dass er zu dozieren neigt und eine weniger freundliche Ausstrahlung als etwa Hundstorfer habe.

Für Wahlkampf-Beobachter Stefan Sengl ist der „Debatten-erfahrene“ und „streitlustige“ Khol der „wahrscheinlich beste Rhetoriker unter allen Kandidaten“. Trotz seiner Eloquenz schaffe er es aber nur eher selten, auf der emotionalen Ebene bei TV-Auftritten zu punkten. Sengls Erklärung: „Er opfert für eine gute Spitze schon mal ein paar Sympathiepunkte.“

Norbert Hofer - Der Radikales mit einem Lächeln bringt

Er ist konziliant und zurückhaltend – bei öffentlichen Auftritten wie im Fernsehen. „Selbst wenn Norbert Hofer hart angegriffen wird, bleibt er betont höflich. Er schafft es, radikalere Botschaften mit einem Lächeln zu vertreten und vermeidet Töne, die ihn mit rechtsextremen Positionen in Verbindung bringen könnten“, sagt PR-Fachmann Stefan Sengl. In Summe wirke Hofer dadurch sympathischer als sein Parteivorsitzender.

Einen anderen Aspekt, nämlich den Überraschungsmoment, sieht Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer als größtes Atout: „Hofer war anfangs ein unbeschriebenes Blatt. Angesichts dessen, wie er sich präsentiert hat – phasenweise angriffig, nie untergriffig – hat er als kaum bekannter Politiker eine große Überraschungswirkung erzeugt.“ Einen seiner besten TV-Momente hatte Hofer bei der ersten Elefantenrunde, als Hofer das Nicht-Kommen seiner Frau entschuldigen musste, weil sie als Altenpflegerin eine Frühschicht habe. Bachmayer: „Das war genial, er betonte das soziale Element und eine Familie, die frühmorgens ,schöpfen‘ geht.“

Alexander Van der Bellen - Der Routinier, der klug aber schwunglos wirkt

Ist es eine Masche – oder einfach nur die Art, wie er einst auch an der Universität seine Vorlesungen gehalten hat? Wenn es an Alexander Van der Bellen ein rhetorisches Merkmal gibt, dann seine langsame Art zu sprechen. Hat das überzeugt? Wahlkampf-Experte Stefan Sengl ist nicht ganz sicher: „Seine Fans mögen seine ruhige, bedächtige Art. Im Fernsehen wirkt sein langsames Sprechen allerdings rasch ein wenig schwunglos.“ Als Routinier lasse sich Van der Bellen nicht so schnell aufs Glatteis locken. „Kein Kandidat enttarnt hypothetische Fangfragen so elegant wie er“, sagt Sengl. Seine größte Schwachstelle? „Wenn ihn etwas nervt, kann er das nur schwer verbergen.“

Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer pflichtet bei: „Ja, ab und an hat er etwas mürrisch gewirkt.“ Sonst agiere er wie bekannt und gewohnt bedächtig, was auch gut zum angestrebten Amt passe. „Er war nie überraschend, was gar nicht unbedingt negativ sein muss, eher unauffällig. Die Debatte um seine Unabhängigkeit hätte er sich aber ersparen können, weil er ohnehin nicht das Image eines treuen Parteikandidaten hatte.“

Irmgard Griss - Die ewige Richterin, stets kontrolliert

„Die TV-Auftritte von Griss sind im Verlauf ihrer Kampagne kontinuierlich besser geworden“, sagt Kampagnen-Experte Stefan Sengl. Griss’ großes Plus ist für ihn, dass man bei allen Interviews und Gesprächen im Fernsehen spüre, „dass sie wirklich Präsidentin werden möchte“. Die Wendung „Der Bundespräsident oder die Bundespräsidentin“ sei eine Art Markenzeichen geworden – und gleichzeitig ein rhetorischer Kniff. „Damit verweist sie auch auf einen ihrer Vorteile: Sie ist die einzige Frau im Rennen“, sagt Sengl.

Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer fügt an, dass sie mit ihren souveränen Auftritten ihre gute Position als Mitfavoritin bestätigt habe. „Sie erschien als freundlich lächelnde Juristin, bleibt aber auch die Richterin. Alles Spontane und Emotionale, die es braucht, um den Menschen dahinter sehen zu können, hat sie eigentlich ausgelassen.“ Vielleicht sei ihr Problem, „dass sie nie die Richterrobe abgelegt hat. Sie hat sich immer auf Paragrafen berufen. Das ist gut und wichtig, aber eben kein Appell ans Herz.“ Gemeinsam mit Hofer habe sie im TV aber positiv überrascht.

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