"Okay" oder: "Karl, wie geht’s?“

Beate MEINL-REISINGER / Christian STOCKER / Alexander VAN DER BELLEN /Andreas BABLER
Eine Viertelstunde nachdem sich die Tapetentür geöffnet hat eröffnet das Staatsoberhaupt mit der ihm eigenen, teils als flapsig, teils als charmant wahrgenommenen Art ein neues Kapitel. Nachdem Alexander Van der Bellen 21 Mal die Hände (aller Regierungsmitglieder) geschüttelt hat, schüttelt er gleichsam die letzten 155 Tage, die seit der Wahl vergangen sind, mit einem „Okay“ ab.
„Okay“, nun haben wir sie: die Dreierkoalition, deren Gelingen „unser Zutun“ braucht, wie Van der Bellen sagt. In der es um mehr gehe als um Parteien – „um das Staatsganze“ nämlich. Angesichts des Treffens zwischen US-Präsident Donald Trump und Ukraines Präsident Wolodimir Selenskij, der Eskalation und dessen, was nun weltpolitisch folgen kann, wirkt das innenpolitische Geschehen wie vernachlässigbares Geplänkel, wie eine fast lächerlich anmutende (Teller-)Randnotiz.

Alexander Schallenberg und Beate Meinl-Reisinger
Doch Österreich muss über den Tellerrand hinaussehen, sich ökonomisch wappnen und damit des Bundespräsidenten Worte wahr werden lassen, der mahnt, „der Friede in Österreich und Europa muss strategisch abgesichert werden“. Strategisch neu ausrichten werden sich alle drei Regierungsparteien nun müssen.

Amtsübergabe im Finanzministeirum: Barbara Eibinger-Miedl, Markus Marterbauer, Gunter Mayr
Die Neos – erstmals seit ihrer Gründung 2012 in einer Koalition auf Bundesebene – wollen „Österreich erneuern“. Von der früheren Kinderbetreuung bis zum längeren Arbeiten im Alter reichte zumindest im Wahlkampf das Spektrum, das teils diametral zu jenem der SPÖ steht.
Außenministerin Beate Meinl-Reisinger stand bis dato für die pinke Parteilinie und eine EU-Armee ein. Wird sie es aus Koalitionsräson bald ihrem Vorgänger Alexander Schallenberg gleichtun und davon sprechen, dass „Österreich militärisch neutral ist, nicht aber politisch“?
Die SPÖ – erstmals seit 2000 wieder an der Spitze des Finanzministeriums – hat nach Jahren der Gießkanne exakt nichts zu vergeben – außer eine Chance. Es nämlich besser zu machen als der Koalitionspartner ÖVP, der für die Milliarden-Misere mit den Grünen verantwortlich ist. Mit Markus Marterbauer wird nun ausgerechnet der „Liebling der Linken“ Herr der Zahlen.
Wird der SPÖ-Finanzminister auch mittelfristig ein EU-Defizitverfahren abwenden können, ohne neue Steuern einzuführen, gegen die sich ÖVP und Neos stets wehren („Österreich hat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem“)?

Alexander Schallenberg und Christian Stocker
Die ÖVP – erstmals seit 1999 (Kabinett Schüssel I) wieder nicht als Stimmenerster im Kanzleramt – muss sich nach der 180-Grad-Wende zu FPÖ-Chef Herbert Kickl und wieder retour neu (er)finden, ihren Parteichef Christian Stocker erst offiziell bestätigen (Parteitag 29. März) und einen Umgang mit dessen Vorgängern finden. Allen voran mit Karl Nehammer, dessen Podcast-Titel – "Karl, wie geht’s?“ – sich dieser Tage aufdrängt.
Wird die ÖVP unter Stocker einen Weg finden, wie sie in oder trotz der Koalition wieder an Kontur gewinnen kann?
Für all das und die Dreierkoalition, die „Jetzt das Richtige tun“ will, keinen konkreten Kommunikationsplan zu haben, ist keine Frage, sondern jetzt genau das Falsche.
Kommentare