Die südsteirische Weinstraße trägt Blau:"Stammtisch-Hoheit verloren"

Die FPÖ kam in Ehrenhausen erstmals auf 36,2 Prozent, die SPÖ wurde mit 28,5 Prozent Zweite (minus 15,4 Prozentpunkte). Die ÖVP erreichte in der VP-regierten Gemeinde nur 26,4 Prozent (minus 15,3 Prozentpunkte).
Die FPÖ erorberte auch in prominenten Weinlandgemeinden erstmals Platz 1. Ursache: Eine Mischung aus Asylwahlkampf, Protest und Reformfrust.

Die Wahlplakate sind längst weggeräumt. In Ehrenhausen an der Weinstraße wird fleißig für das Folkfestival in zwei Wochen geworben. Irische Musik, griechischer Salat, türkisches Kebab zu steirischem Wein: Mit diesem Menü sind viele Bürger auch für Multikulti zu begeistern.

Doch nach dem Essen hört die Internationalität offenbar auf. Sonntag eroberte die FPÖ mit ihrem Ausländerwahlkampf mit einem Plus von 27,7 Prozentpunkten den ersten Platz in der seit Kurzem 2500 Einwohner zählenden Fusionsgemeinde (mit Ehrenhausen zusammengelegt wurden Berghausen, Ratsch an der Weinstraße und Retznei). Das allein dürfte dort nicht ausschlaggebend gewesen sein: Bei den Gemeinderatswahlen im März kamen die Freiheitlichen nur auf sieben Prozent.

Ehrenhausen ist außerdem nicht die einzige Weinlandgemeinde, in der bei den Landtagswahlen blaue Wähler auf dem Vormarsch waren: In den Nachbarorten Gamlitz und Leutschach setzte sich die FPÖ mit 34,2 Prozent der Stimmen beziehungsweise 33 Prozent an die zweite Stelle hinter die ÖVP.

Sündenbock

Schwarze wie rote Gemeindepolitiker grübeln wegen der Ursachen. 30 Asylwerber leben derzeit in Ehrenhausen. Untergebracht sind die Männer in der Nähe einer Bushaltestelle. "Es gibt Eltern, die Angst haben, ihre Kinder dort alleine warten zu lassen", schildert Bürgermeister Martin Wratschko, ÖVP. "Das Ausländerthema der FPÖ hat total gezogen. Aber in den Asylwerbern einen Sündenbock zu suchen, das ist schon sehr tief."

Vor dem Rathaus wartet ein Pensionist auf seine Frau. Schuld am Ergebnis seien Protestwähler, glaubt der 77-Jährige. "Wir sind eine Tourismusgemeinde, die G’schicht mit dem Rauchverbot und den Registrierkassen hat wehgetan." Ein Pärchen, gute 50 Jahre jünger als der Mann, sieht das anders. Ihm gefiel die Fusion nicht, ihr die schon vor der Wahl angekündigte Fortsetzung von Rot-Schwarz. "Das hat den Eindruck gemacht, dass es eh egal ist, wen du wählst." Detlef Gruber, vor der Fusion Bürgermeister von Retznei und Landtagsabgeordneter der SPÖ, ist nun neben dem ÖVP-Ortschef Kassier im Gemeindevorstand. Er war einer der wenigen, die wegen der Vorverlegung der Landtagswahlen skeptisch waren. Zu knapp sei sie hinter der Gemeinderatswahl angesetzt worden, die wegen der Fusionen und Reformen einen intensiveren Einsatz der Funktionäre brauchte. "Ich hab’ dabei kein gutes Gefühl gehabt. Falls da eine Taktik dahinter war, ist sie danebengegangen."

Allergene und Rauchen

Mit einem Thema allein lasse sich dieses Wahlergebnis nicht erklären, glaubt Gruber. "Das Asylfrage vielleicht. Aber im Wirtshaus ist viel über die Raucher/Nichtraucher-Sache geredet worden und über die Allergen-Verordnung." Irgendwie habe die Politik in der Steiermark "die Stammtischhoheit verloren": "Wenn Leut’, die eh schöpfen, hören, dass die Schwarzarbeit eingedämmt werden muss, dann beunruhigt die das, die sich so was dazuverdienen." Dazu komme die Reformfreudigkeit des Landes. "Wenn es heißt, wir sparen ein, dann haben die Leute automatisch Angst um ihre Arbeitsplätze."

In drei Bezirken wurden die FPÖ erstmals stimmenstärkste Kraft: Deutschlandsberg (30, 5 %) und Voitsberg (32,6 % ) im Westen sowie Graz-Umgebung (29 % ).

Sieglauf im Grazer Speckgürtel

Vor allem das Abschneiden der Blauen im Speckgürtel von Graz ist auffällig: Hier leben viele gut verdienende Grazer, die zwar in der Stadt arbeiten, aber doch ein Haus im Grünen wollen. Bei den Gemeinderatswahlen im März kam die FPÖ auf 14 Prozent der Stimmen, ein Plus von 7,1 Prozentpunkten. Allerdings färbte sich Graz-Umgebung schon bei den Nationalratswahlen 2013 mit einem Stimmenanteil von 26,3 Prozent erstmals blau.

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