"Die Kärntner Luft schmeckt wieder besser"

Kabarettist, Autor, Schauspieler und Regisseur Werner Schneyder kennt Kärnten seit seiner Kindheit: Er wurde 1937 in Graz geboren, wuchs aber in Klagenfurt auf und lebt heute in Wien und am Millstätter See
Kabarettist Werner Schneyder analysiert im Interview den Machtwechsel von Blau zu Rot in Kärnten.

KURIER: Herr Schneyder, vor einem Jahr brachte die Landtagswahl den Machtwechsel in Kärnten. Hat Landeshauptmann Peter Kaiser das Land in den letzten zwölf Monaten verändern können?

Werner Schneyder: Ich möchte das nicht an einer Person festmachen, aber ich kann sagen: Man atmet seit einem Jahr in diesem Land wieder besser. Die Luft über dem Kärntner Boden schmeckt wieder besser, und man kann wieder befreit durchatmen. Peter Kaiser ist ein hochintelligenter Mann, der mit seinem Partner vor schauerlichen Zuständen steht, die eine andere Regierung hinterlassen hat. Und nun spielt sich in Kärnten etwas Klassisches ab – nämlich dass diejenigen, die die Situationen verschuldet haben, jetzt meckern.

Sie meinen die FPÖ, die nun die Koalition wegen sozialer Kälte kritisiert…

Das ist völlig idiotisch. Dass angesichts der Budgetkatastrophe gespart werden muss, ist klar. Aber der Koalition das jetzt vorzuwerfen, da gehört schon eine ordentliche Chuzpe dazu.

Welches Zeugnis würden Sie der neuen Dreier-Koalition in Kärnten nach einem Jahr ausstellen?

Allein, dass sie angesichts der angespannten Situation die Qualität besessen haben, eine Dreier-Koalition zu machen, spricht für diese drei Parteien. Dass eine Dreier-Koalition auf Dauer nicht konfliktfrei und ohne Bremseffekte ablaufen wird, ist auch klar. Ich habe das Gefühl, ohne himmelhoch jauchzend zu wirken, dass die Koalition einen guten Job macht. Nichts zuletzt deswegen, weil das Niveau der Beteiligten hoch ist. Peter Kaiser und Rolf Holub sind zwei integre Politiker, Gabriel Obernosterer ist ein hochanständiger Bauernpolitiker, und Wolfgang Waldner ist ein weitläufiger Diplomat. Sie sorgen für ein neues Klima in Kärnten.

"Die Kärntner Luft schmeckt wieder besser"
APA13637106-2 - 10072013 - KLAGENFURT - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT II - (v. l. n. r.) Grüne-Landesrat Rolf Holub, Kärntner Landeshauptmann und SPÖ-Parteichef Peter Kaiser und ÖVP-Landesrat Wolfgang Waldner am Mittwoch, 10. Juli 2013, während einer Pressekonferenz anlässlich der "100 Tage Zukunftskoalition Kärnten" in Klagenfurt. APA-FOTO: GERT EGGENBERGER

Werden die Kärntner die neue politische Kultur trotz der Krise mit hoher Arbeitslosigkeit honorieren?

Ich würde die Formulierung "die Kärntner" anfechten. Während der blauen Ära wurde oft vom "anderen" Kärnten geredet. Das andere Kärnten ist jetzt am Ruder. Aber deswegen existiert das Kärnten, das vorher nicht das andere Kärnten war, trotzdem noch. Natürlich sind jetzt ein paar charakterlose Opportunisten übergelaufen, aber die Kerntruppe ist noch existent.

Und trauen Sie dieser blauen Kerntruppe ein Comeback in Kärnten zu?

Die Blauen werden sich sicher ein bisschen konsolidieren. Aber wenn den Regierenden keine groben Fehler passieren und sie nicht zu etwas Unpopulärem gezwungen werden, dann werden Haiders Erben mit Sicherheit nie wieder die alte Stärke bekommen. Denn der erste Wahlsieg war eine Trauerkundgebung für Jörg Haider, und das fällt jetzt flach. Auch weil die Aufklärung der Ära Haider nicht mehr übersehbar ist.

Apropos: Aufklärung der Ära Haider. Die Regierung lässt Kärnten nun ausrichten, dass sie sich an den Kosten des Hypo-Debakels beteiligen soll. Wird Kärnten die 500 Millionen Euro aus dem Zukunftsfonds nach Wien überweisen müssen?

Ich bin überzeugt davon, dass Kärnten in irgendeiner Art und Weise mithelfen wird müssen. Ich finde, Peter Kaiser hat durch seine Taktik gepunktet, indem er zuerst über die Lösung reden will. Er sagt nicht kategorisch nein, aber er bremst und wartet ab. Das ist eine intelligente Strategie.

Sehen Sie bei dem Hypo-Skandal noch durch, ob die Bank der Republik nun 4, 12, 14 oder 17 Milliarden kosten wird?

Nein, denn es ist unfassbar. Die Normalbürger können die Geldwirtschaft nicht mehr beurteilen. Das beginnt aber bereits damit, dass man in der Schule nicht mehr lernt, wie ein Preis entsteht, wann ein Lohn gerecht ist. Über das Wesentlichste, was unsere Gesellschaft bestimmt – nämlich die Ökonomie – erfahren wir nichts mehr. Und deswegen starren wir paralysiert, auf das, was in der Geldwirtschaft abgeht. Eine Finanzwelt, die keine Kontrollinstanzen hat, gerät notwendigerweise aus den Fugen, beziehungsweise ist diese Gesellschaft in der Lage an Kontrollinstanzen vorbei zu handeln.

Die Regierung sieht Jörg Haider als den Hauptverantwortlichen für das Hypo-Desaster, die FPÖ will das Bummerl der Regierung zuschanzen. Wo orten Sie die Ursache für den Skandal?

Die Haider-Sympathisanten sagen, er war nicht alleine in der Regierung als die Haftungen beschlossen wurden. Das ist natürlich etwas dran. Bei der Hypo befinden wir uns auf dem Gebiet der Ratlosigkeit: Ob die Notverstaatlichung zweckmäßig oder sinnvoll war und intelligent durchgeführt wurde, können wir nicht beurteilen. Etwas, das milliardenschwere Löcher hinterlässt, kann nicht so gescheit gewesen sein.

Ist der Stern des Jörg Haider nach dem Birnbacher-Urteil und dem Hypo-Desaster auch bei den Kärntnern gesunken?

Bei denen, die ihn lieben nicht. Aber bei allen Normalbürgern, die zu einem objektiven Urteil fähig sind, hat der Name Haider schon entscheidende Kratzer bekommen. Es ist einfach zu viel ruchbar geworden in den letzten Jahren.

Vor wenigen Tagen ist Jörg Haiders Tochter Ulrike in die Politik eingestiegen. Was trauen Sie Ulrike Haider-Quercia zu?

Nach den Interviews, die ich gelesen habe, traue ich der Tochter zu, dass sie ihren Vater lieb hat (lacht).

Aus der Sicht der Tochter gab es kein System Haider. Ist das Realitätsverweigerung?

Ich glaube, man sollte die Tochter mit dieser Art von Tiefenforschung verschonen. Sie hat zwei Doktorate, und ich glaube, es ist besser, sie mehr über die Inhalte ihrer Doktorate zu befragen als über die Politik ihres Vater.

Die Brüder Scheuch haben eine zentrale Rolle in der Kärntner Politik gespielt. Sind sie politisch endgültig tot?

Ich weiß nicht, wie lange die Halbwertszeit dieser Vernichtung anhält. Das Haus Scheuch hat eine große Tradition, der Großvater war ein Ober-Nazi. Eine Familie wie die Scheuchs lässt sich von der Politik nicht so leicht abnabeln. Doch in den nächsten zehn Jahren wird man den Namen Scheuch nicht ungefährdet aussprechen können. Aber im Moment sind die beiden mit beruflichen und privaten Problemen ohnehin genug ausgelastet.

Peter Kaiser gilt als intellek­tuell, aber als Politiker ohne großes Charisma. Kann er Kärnten ein neues Image geben?

Das traue ich ihm unbedingt zu. Das Charisma hat sich bei Peter Kaiser mit dem Amt eingestellt. Man hört aller Ortens in Kärnten: "Das hätte ich dem Kaiser nicht zugetraut." In der Politik ist es generell traurig, dass man Menschen Intellektualität vorwirft. Gott sei Dank, ist er nicht zu deppert! Aber natürlich ist ein sozialdemokratischer Politiker wie Kaiser auch Opfer des Gesamtzustandes der SPÖ.

Ein Jahr nach dem Machtwechsel

Am Abend es 3. März 2013 musste FPK-Landeshauptmann Gerhard Dörfler eine bittere Niederlage mit einem Minus von 27,78 Prozent bei den Landtagswahlen akzeptieren. Das System Jörg Haider war damit abgewählt.

Knapp einen Monat später verkündete der neue Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) eine Dreier-Koalition zwischen Rot-Schwarz-Grün. Viele Reformen wurden noch nicht durchgezogen, aber es herrscht ein neuer politischer Stil.

Vor einem Jahr haben die Kärntner das System Haider abgewählt. Mit nur noch 17 Prozent (statt zuvor 45 Prozent) wurden Haiders Erben vom Thron gestoßen.

Die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle lobt die positive Veränderung des politischen Klimas im Land: "Der Umgangston bei politischen Debatten hat sich verbessert. Auch der Blick in die Zeitungen zeigt Veränderung – durch Abwesenheit von Partei-Werbung und Politik-PR. Früher wurde jeder Spatenstich und jede Preisverleihung zum gewichtigen Event hochstilisiert."

Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) führt seit April 2014 eine Dreier-Koalition aus SPÖ, ÖVP und Grünen. Diese verfügt im Landtag über eine Zweidrittel-Mehrheit und hat sich vorgenommen, nicht nur den Stil zu ändern, sondern auch das politische System in Kärnten. Noch heuer sollen der Parteienproporz in der Landesregierung abgeschafft und die Rechte des Landtags ausgeweitet werden (gelten soll das neue System aber erst nach der nächsten Wahl).

Hohe Erwartungen

Die Dreier-Koalition hat – wie stets nach einem Wechsel – mit hohen Erwartungshaltungen in der Bevölkerung zu kämpfen. Kaiser: "Jeder wünscht sich sofortige Erfolge. Doch das ist unmöglich." Dass nun wieder SPÖ-Sekretäre Karriere im Landesdienst machen, hat für Verstimmung gesorgt, doch Kaiser kontert: "Zu Haiders Zeiten wurde hundertfach umgefärbt."

Der Postenschacher hatte zum Krach geführt, doch ÖVP-Chef Gabriel Obernosterer hält grundsätzlich an der Dreierkoalition fest: "Es war die richtige Entscheidung. Die Bevölkerung wollte einen Wechsel". Obernosterer mahnt aber ein größeres Reformtempo ein: "Das zweite Jahr der Koalition wird die Nagelprobe. Da wird man sehen, ob die SPÖ den Mut zu großen Reformen aufbringt."

Für Grün-Landesrat Rolf Holub ist die neue Koalitionsform wegen der verschiedenen inhaltlichen Ausrichtungen "eine ständige Herausforderung. Aber sie sorgt in der momentan schwierigen Situation für einen breiten Konsens, der sich bis heute zu jedem Thema finden ließ." Die Herausforderung laute: Sparsamkeit mit nachhaltigen Investitionen zu kombinieren.

Der Schriftsteller Egyd Gstättner, einer der schärfsten Kritiker Haiders, sieht das Land "nicht am, sondern im Abgrund. Daher gibt es keinen Anlass für Freudenrufe." Jetzt gelte es, die Altlasten aus der Ära Haider aufzuarbeiten, was viele Jahre dauern werde. Das Land müsse wieder handlungs- und zahlungsfähig werden.

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