Die heikle Rolle der Bürgermeister beim Bauland

Grundstücksdeal des Bürgermeisters in Pyhra erhitzt die Gemüter (Symbolbild)
Beton und Asphalt statt Wiese und Wald: Eine Fläche von acht Fußballfeldern wird in Österreich pro Tag laut Umweltbundesamt dauerhaft versiegelt. Diese zunehmende Verbauung von Grünflächen bedroht die Artenvielfalt. In der Frage, welche politischen Gegenmaßnahmen sinnvoll wären, gibt es unterschiedliche Zugänge.
Etwa den, dass die Kompetenzen derzeit nicht richtig verteilt sind. Wer bestimmt, ob in Österreich eine Fläche verbaut werden darf? Die Umwidmung in Bauland nehmen die Gemeinden vor, die Länder beschließen Raumordnungsgesetze und kümmern sich um die überörtliche Raumplanung. Heißt: Die Bundesländer sind, salopp gesagt, die Kontrollinstanz der Gemeinden. Und der Bund hat bei der Raumplanung kaum Kompetenzen.
Entmachtung der Gemeinden?
Nach Meinung der Neos soll sich das ändern: „Raumordnung und Flächennutzung können nicht länger ausschließlich in den Gemeinden und auf Länderebene entschieden werden. Es braucht mehr Transparenz, Kontrolle und einen bundesweiten Rahmen“, meint Umweltsprecher Michael Bernhard. Beate Meinl-Reisinger, Parteichefin der Pinken, hat diese Argumentation bereits vor zwei Jahren im ORF-Sommergespräch vorgebracht.
Damals einer ihrer lautesten Kritiker: Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl (ÖVP), der gleichzeitig Bürgermeister von Grafenwörth ist. Riedl wird nun wiederum vorgeworfen, von einem Großbauprojekt in Grafenwörth profitiert zu haben. Auch deshalb stellen die Neos nun wiederholt infrage, dass Bürgermeister als oberste Bauherren geeignet seien.
➤ Mehr dazu: Umstrittene Grundstücksverkäufe: Gemeindebund-Präsident Riedl in der Kritik
- Salzburg
Beim Prozess gab sich der Bürgermeister einer kleinen Salzburger Gemeinde zerknirscht: Er gestand „eine Befugnisüberschreitung“ ein. Er genehmigte 2012 und 2016 den Bau zweier Einfamilienhäuser, obwohl die Flächenwidmung das nicht her gab – „mein sozialer Einschaltknopf ist gedrückt worden“, begründete er, da die Bauwerber Jungfamilien gewesen seien. Das gab beim Prozess 2019 eine Geldstrafe von 12.000 Euro. - Oberösterreich
Gartenhütten, Schwimmbäder, Garagen, aber auch Einfamilienhäuser listet der Abschlussbericht der Polizei über eine Gemeinde im Bezirk Schärding auf, der vor wenigen Wochen an die Staatsanwaltschaft Ried ging. Der Vorwurf: Möglicherweise mehr als zwei Dutzend Schwarzbauten, Ermittlungen gegen zwei Ex-Bürgermeister laufen. Sie sollen es mit den Baugenehmigungen nicht ganz genau genommen haben. Ins Rollen kam das durch das Landesverwaltungsgericht: Es hielt im Sommer 2022 fest, dass ein Haus auf Grünland errichtet worden sei – und dennoch eine Baubewilligung vorlag. - Niederösterreich
Mehrere Umwidmungen hatten vor einigen Jahren in Ebreichsdorf den dortigen Bürgermeister und damaligen SPÖ-Landesgeschäftsführer, Wolfgang Kocevar, in Misskredit gebracht. Kocevar war als Bürgermeister die treibende Kraft bei mehreren Grundstücksdeals, aus denen Milliardär Frank Stronach als großer Nutznießer hervorging. Stronach versah die SPÖ im Ort mit großzügigen Geldspenden. Zur gleichen Zeit bekam der betuchte Unternehmer 30.000 Ackerland in Bauland-Wohngebiet umgewidmet. Auf dem goldenen Boden entwickelte Stronach den exklusiven „Aqualina Wohnpark“ samt Badesee für betuchte Häuslbauer. Der Wert der 90 Grundstücke vervielfachte sich über Nacht.
Industriellenvereinigung für Änderung
Die Industriellenvereinigung (IV) sieht das ähnlich. Durch den „teils rasanten Landverbrauch“ werde Raum „immer knapper“, heißt es aus der IV auf KURIER-Anfrage. Den Raum bräuchte man aber vor allem für industrielle Bauprojekte: Straßen, Bahntrassen, Industrieanlagen.
Deshalb sei „eine bessere Steuerung der Siedlungsentwicklung und eine rationellere Bodennutzung notwendig“, heißt es. Die IV kritisiert, dass in Österreichs neun gesetzliche Grundlagen zur Raumordnung bestehen: „Es ist daher eine arbeits- und zeitintensive Aufgabe für Planungs- und Projektträger, sich in das jeweilige Planungssystem des Bundeslandes einzuarbeiten und Kenntnisse über die Regelungsmechanismen zu erlangen.“ Deshalb sei eine bessere Koordination und Kooperation zwischen Bund, Ländern und Gemeinden nötig. Fazit: Die IV fordert mehr Kompetenzen für den Bund – etwa durch eine „verbindliche Bundesraumordnungskompetenz für übergeordnete notwendige Infrastrukturvorhaben“.
Keine Mehrheit
Im Nationalrat gibt es keine Mehrheit für eine Entmachtung der Bürgermeister. Grünen-Generalsekretärin Olga Voglauer hält eine „verpflichtende Begrenzung des Bodenverbrauchs auf 2,5 Hektar pro Tag“ für zielführender – und will das im Herbst beschließen. ÖVP, FPÖ und auch SPÖ halten dezidiert nichts davon, den Gemeinden die Raumplanung zu entziehen. Es sei nicht sinnvoll, dass eine zentralistische Behörde in Wien über ein Bauprojekt in einem anderen Bundesland entscheide, heißt es aus der FPÖ zum KURIER.
Auch die SPÖ sieht „keinen Grund“ die aktuelle Praxis zu ändern. So könnten Bürger ihre Bauvorhaben vor Ort am Gemeindeamt abwickeln. Das sei bürgerfreundlicher als „bei der Bezirkshauptmannschaft“.
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Baurechts-Wissenschaftler Arthur Kanonier von der TU Wien betont im Ö1-Morgenjournal, dass die Raumplanung grundsätzlich Gemeindekompetenz bleiben sollte. Aber: Es brauche gleichzeitig strengere Vorgaben, die Gemeinden hätten aktuell zu viel Spielraum. Vor allem kleinere Gemeinden seien zudem „gar nicht so glücklich“ über die vielen Anträge auf Umwidmungen.
Kanoniers Vorschlag: Es sollen mehr Fälle zur überörtlichen Raumplanung, also an die Bundesländer, übermittelt werden. Das soll Korruption einschränken, für mehr Transparenz sorgen und verhindern, dass beispielsweise in zwei Nachbargemeinden unnötigerweise zwei große Supermarkt-Filialen errichtet werden.
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