Kleinpartei – was nun?
Neun Parteien treten kommenden Sonntag bundesweit zur Nationalratswahl an. Sechs davon – nämlich jene, die auch aktuell im Parlament vertreten sind – kann man regelmäßig im TV sehen. Wo aber diskutiert der Rest?
Das online via Livestream übertragene Diskussions-Format war ganz im Stile ehemaliger ORF-Wahlsendung gehalten. Als Vorbild nahmen sich die Organisatoren die ORF-Diskussion Kreisky-Taus anno 1975: Auf eine durchgehende Diskussionsmoderation wurde verzichtet und der Raum den Spitzenkandidaten zur Konfrontation freigegeben. Einzig ein oranger Lichtwürfel sorgte für die Einhaltung der Redezeit.
"Wir legen einen Fokus auf jene Parteien, die es nicht in die 'großen Diskussionsrunden' schaffen", erklären die Veranstalter ihre Motivation.
Beginnend mit der Erkenntnis, dass er der einzige Krawattenträger der Runde sei, hat ORF-Moderator Hans Bürger die außergewöhnliche Pressestunde eröffnet – seine Diskutanten sind alle nur im Hemd und ohne Sakko erschienen.
Einig gaben sich die drei auch in mehreren Themen - in der Bildungsfrage etwa: „Im Moment vernichten wir Talente“, sagte Matthias Strolz – die Direktorenbesetzungen müsste ohne Parteibuch vonstattengehen. Messner plädierte daneben für die Gesamtschule und prangert die Studiengebühren an; Pirat Wieser war da ganz auf seiner Seite.
Unterschiedlich waren die Erwartungshaltungen in puncto Wahlausgang: Die Neos hoffen auf – exakt – 5,6 Prozent, die KP nur auf den Einzug in den Nationalrat. Die Piraten gaben sich indes gänzlich kryptisch. Parteienkooperationen untereinander schloss man nicht aus – aber auch mit den „Großen“ sei eine Zusammenarbeit vorstellbar: Die Piraten hoffen ohnehin auf ein „freies Spiel der Kräfte“, die Neos zeigten sich für alle Parteien offen.
Auf Twitter wurde die ungewöhnliche "Pressestunde" auch rege kommentiert - mehrheitlich gab es für die drei Kleinparteien positive Resonanz:
Die Piratenpartei schaffte heuer - nach zwei erfolglosen Versuchen ihrer Vorgänger - die bundesweite Kandidatur. Ihre Chancen auf den Einzug in den Nationalrat stehen mit Umfragewerten von zwei Prozent (bei einer Vier-Prozent-Hürde) jedoch nicht sehr gut. Aber die Piraten sehen sich "auf Dauer angelegt" und "Teil einer globalen Bewegung, die eine zeitgemäße Demokratie für das 21. Jahrhundert entwickelt" - mit "mehr Mitbestimmung, mehr Mündigkeit und mehr Freiheit für uns alle". Einen wirklichen Spitzenkandidaten wollen die Piraten - die auf Liquid Feedback setzen - nicht, ihr Listenerster ist Mario Wieser. Wahlerfolge wie in Deutschland gab es für die Piraten in Österreich bisher nicht; aber in Graz und Innsbruck (wo es keine Sperrklausel gibt) stellen sie einen Gemeinderat.
Für die NR-Kandidatur gelang es, die rund 2.700 Unterstützungserklärungen - 2.600 sind österreichweit nötig - "ohne Kohle" zu sammeln. Darauf ist man mit Recht stolz bei den Piraten. Man habe keine Sponsoren, die Parteimitglieder hätten selbst ihre Aufwendung für die "Überzeugungsarbeit" bezahlt, berichtet Pressesprecher André Igler.
Netzpolitik als Kernthema
Auch für Listenersten Wieser stehen Netzpolitik-Themen im Zentrum seines politischen Engagements: Ihm geht es u.a. darum, Aufdecker zu schützen, Datenverschlüsselungen legal zu halten und Spähprogramm wie "PRISM" oder "Tempora" aufzuklären. Ein europäisches Spähprogramm müsse verhindert bzw. beendet werden - dies schließe auch die Vorratsdatenspeicherung mit ein: "Den Überwachungsfetischisten sei ins Stammbuch geschrieben: Freiheit schützt man nicht, indem man sie abschafft."
Gesellschaftspolitisch fordern die Piraten unter anderem ein bedingungsloses Grundeinkommen. Einkommen aus Arbeit soll entlastet, jenes aus Vermögenszuwächsen und Spekulation höher besteuert werden. Auch für die Öffnung der Ehe sowie Adoptionsrechte für alle tritt die Partei ein.
Kulturpolitik
Im Sinne einer gewissen Praktikabilität in der Nutzung von Teilen aus urheberrechtlich geschützten Werken fordert die Piratenpartei Österreichs Änderungen im Gesetz, "die das Recht auf Privatkopie stärken und die Nutzung von Teilen aus den Werken einfach und angemessen ermöglichen", heißt es weiter. Ein weiterer mit dem Urheberrecht verbundener Plan der Piratenpartei ist die "Förderung der Selbstbestimmung Kulturschaffender". So soll die Abhängigkeit Kulturschaffender von der Verwertungsindustrie gemindert werden.
Kein Zweckbündnis für die Wahl
Laut Listenfünftem Christopher Clay hat die Piratenpartei derzeit rund 900 Mitglieder, "mehrere 100 davon aktivistisch im Einsatz". In den vergangenen Monaten habe man starken Zulauf registriert. Der "Hype" um die Piraten ist mittlerweile vorbei, räumte er ein. Vor allem im Vorjahr seien diese im Kielwasser deutsche Landtags-Erfolge "hochgeschrieben" worden. Das bescherte Innsbruck auch jenen Piraten-Gemeinderat, mit dem man keinen Kontakt mehr hat. Mit der Tiroler Partei dagegen klappt die Arbeit hervorragend, die "Gräben wurden zugeschüttet". Und eigentlich sei man froh, dass der Hype Geschichte ist - so könne man in Ruhe arbeiten.
Clay sieht Chancen auf einen Einzug in den Nationalrat, sieht ihn sogar in "greifbarer Nähe". Doch auch wenn es nicht klappt, versichern die (mehrheitlich männlichen) Politik-Neulinge: "Wir sind gekommen, um zu bleiben." Die Piraten seien kein "Zweckbündnis für die Wahl" und hätten viele Menschen zur Politik gebracht, die sich davor nicht engagiert hatten.
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