Die Armee ächzt unter dem Sparzwang

Die Armee ächzt unter dem Sparzwang
Ein Jahr nach der Wehrdienst-Befragung fehlt dem Heer das Geld. Die Offiziere murren – und warnen vor Kasernenschließungen.

Wie steht’s um den Zusammenhalt in der Truppe? Wie ist die Verpflegung im Soldatenheim? Wie sind Unterkünfte und Toiletten?

Wenn am Dienstag Tausende Grundwehrdiener ihren ersten Tag bei den Streitkräften erleben, werden sie zum ersten Mal auch intensiv befragt. In der 2., 12. und 22. Ausbildungswoche muss jeder Rekrut einen Fragebogen ausfüllen, um der Armee anonymisiert zu melden, was gut und was nicht so gut läuft im Heer.

Die verpflichtende Befragung der Grundwehrdiener gehört zu den sichtbarsten Veränderungen, die die Volksbefragung 2013 gebracht hat. Nachdem am 20. Jänner des Vorjahres rund 60 Prozent der Österreicher für die Wehrpflicht gestimmt hatten (siehe unten), befand die Regierung, der Pflichtdienst an der Waffe müsse attraktiver werden.

Das Bundesheer erarbeitete daraufhin fast 180 Maßnahmen – von der Rekruten-Befragung über Wahlpflicht-Module (Schießtraining, Erste Hilfe, etc.) bis hin zu Gratis-WLAN in Kasernen.

Die Armee hat mit der Attraktivierung des Grundwehrdienstes kein Problem, im Gegenteil. „Grundsätzlich begrüßen wir das sehr“, sagt etwa Erich Cibulka, Präsident der Offiziersgesellschaft zum KURIER.

Das Problem ist nur die „Kleinigkeit“ mit dem Geld. Denn um den Grundwehrdienst interessanter zu machen, muss man vor allem eines tun: Geld in die Hand nehmen.

Loch auf, Loch zu

Zusätzliche 30 bis 50 Millionen Euro sind laut Generalstab jedes Jahr nötig, damit im Heer das gemacht werden kann, was junge Männer wünschen: Mehr Gefechts- und Schießdienst, Sport und Abwechslung.

Abgesehen von einer einmaligen Finanzspritze von 14 Millionen Euro muss das Heer die Attraktivierung aber aus dem vorhandenen Budget stemmen – eine bittere Lektion. „Wir wären auch vor der Volksabstimmung schon mit den Rekruten in eine Kletterhalle gefahren“, sagt ein hochrangiger Offizier im Ministerium. „Das Problem ist nur: Für Betreuer, Bus-Benzin und Eintritt war bislang kein Budget da.“

Und jetzt? „Jetzt nehmen wir das Geld eben anderen Einheiten weg – Loch auf, Loch zu.“

Das führt zu bisweilen kuriosen Situationen. So sind mittlerweile die Roll-Kilometer der Panzer aus Kosten-Gründen streng kontingentiert. „Wir müssen unseren Fahrern vor einer Übung sagen: ,Bei einem Angriff dürft ihr maximal drei Kilometer weit fahren, weil unser Kontingent ist schon aufgebraucht.‘ Man muss kein Soldat sein, um zu wissen: So übt man nicht“, erzählt ein Offizier im Oberst-Rang.

Kopfschütteln

Dem nicht genug, wird dem Verteidigungsressort in Bälde noch mehr abverlangt: Fünf Prozent der Ermessensausgaben (Budget, das nicht durch Personal- oder Betriebskosten schon fix gebunden ist) sollen noch in diesem Jahr gestrichen werden – so will es der vom Finanzministerium geplante Sparkurs.

Bei den Offizieren sorgt das für Kopfschütteln. „Zeigen Sie mir ein Ministerium, das es innerhalb weniger Jahre geschafft hat, einen ganzen Jahres-Etat, also 1,7 Milliarden Euro, zu sparen“, sagt Oberstleutnant Cibulka von der Offiziersgesellschaft.

Tatsächlich wurden im großen Stil Panzer verschrottet und Kasernen verkauft. Trotzdem soll die Armee jetzt weiter sparen.

Schafft sie das? „Nein. Dann können die Aufgaben, die in der neuen Sicherheitsstrategie angeführt sind, nicht mehr erfüllt werden“, sagt Cibulka. Was also tun?

Bei den Ermessensausgaben ist 2014 wenig möglich. Bis auf 20 Millionen Euro ist das Budget de facto verplant und in (Kauf-)Verträgen gebunden. Werden diese gelöst, sind Pönalen fällig – kein nachhaltiger Weg zu sparen.

Bleibt der laufende Betrieb. „Hier müssten wir dann aber Maßnahmen setzen, die wirklich weh tun“, sagt ein hochrangiger Offizier.

Kleine Kasernen würden geschlossen, teure Waffensysteme vorübergehend stillgelegt. „Der Eurofighter kostet pro Flugstunde 85.000 Euro. Wenn wir kein Geld haben, bleibt der Jet auf dem Boden.“ Klug sei das nicht. „Aber es ist alternativlos.“

Abstimmung

Am 20. Jänner 2013 wurde bei der ersten Volksbefragung der Zweiten Republik die allgemeine Wehrpflicht de facto in Stein gemeißelt. 59,7 % sprachen sich dafür aus, sie beizubehalten. Die Regierungsparteien bekannten sich dazu, das formal nicht bindende Ergebnis politisch umzusetzen.

Was neu ist

Als Konsequenz wurde die Armee beauftragt, 180 Maßnahmen (Gratis WLAN in Kasernen, Kurs politische Bildung, etc.) zur Attraktivierung der Wehrpflicht zu entwickeln. Zu den wesentlichsten Änderungen gehört, dass der Dienst fortan in vier Kern-Bereiche und fünf Wahlpflicht-Module (Sprachen, Sport, Schießtraining, Erste Hilfe, Führungsaufgaben) gesplittet ist.

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