VfGH-Präsident bilanziert das Jahr 2016

Ein Mann spricht am Rednerpult des Verfassungsgerichtshofs Österreich.
Die Aufhebung der Hofburg-Stichwahl, das Nein zur "Obergrenze" sowie die Kontroverse um Richter Schnizer standen im Vordergrund der Bilanz.

Holzinger hat in seiner Pressekonferenz einmal mehr betont, dass die Wahlvorschriften von den Behörden "auf Punkt und Beistrich" einzuhalten seien. "Hier gilt für den Verfassungsgerichtshof der Grundsatz Zero Tolerance", sagte Holzinger. Das Verhalten von Richter Johannes Schnizer in der Causa will das Gericht nach Ende des von der FPÖ angestrengten Prozesses neu beurteilen.

"Ich bin sehr optimistisch, dass Verletzungen der Wahlgesetze in dem Ausmaß wie bei der Stichwahl im Mai in Zukunft nicht mehr Platz greifen werden."

Ein Mann mit Brille gestikuliert vor dem Schriftzug „Verfassungsgerichtshof Österreich“.
ABD0017_20161223 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA0132 VOM 23.12.2016 - Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), Gerhart Holzinger, am Freitag, 23. Dezember 2016, anl. der PK des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) "Bilanz 2016" in Wien. - FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER

Der VfGH-Präsident geht davon aus, dass die Aufhebung der Präsidentenwahl Wirkung zeigen wird: "Ich bin sehr optimistisch, dass Verletzungen der Wahlgesetze in dem Ausmaß wie bei der Stichwahl im Mai in Zukunft nicht mehr Platz greifen werden." Noch nicht ausgestanden ist die Causa allerdings für Verfassungsrichter Johannes Schnizer. Während sich Holzinger selbst für die Dauer des Wahlkampfes Stillschweigen verordnet hatte, war Schnizer an die Öffentlichkeit gegangen. In mehreren Interviews hatte er die Wahlaufhebung verteidigt und sich mit Kritik an der FPÖ eine Klage der Partei eingehandelt.

Schnizer-Abberufung stand nie im Raum

Berichte, wonach im September ein Abberufungsverfahren gegen Schnizer im Raum stand, bestätigte Holzinger zwar nicht explizit. Das Plenum des Gerichts habe sich aber mit seinem Verhalten beschäftigt und Schnizer habe sich dabei entschuldigt und sich für alle Verfahren mit FP-Beteiligung für befangen erklärt, so der Präsident. Und: "Nach Ende des von der FPÖ angestrengten Verfahrens gegen den Kollegen wird sich das Plenum des Gerichtshofes erneut mit dieser Frage beschäftigen."

Ein älterer Mann mit Brille gestikuliert vor Mikrofonen des ORF und anderer Sender.
Verfassungsgerichtshof unter Präsident Holzinger bestätigt "Durchgriffsrecht" des Bundes

Den Kritikern des Urteils richtete Holzinger äußerst selbstbewusst aus, dass der Gerichtshof aus 14 hervorragenden Juristen bestehe. "Die Wahrscheinlichkeit, dass diese 14 Juristinnen und Juristen ein Fehlurteil fällen, ist ungefähr so groß, wie dass der Professor Taschner den Additionsvorgang zwei plus zwei mit dem Ergebnis fünf abschließt." Es mache eben einen Unterschied, ob jemand als Rechtswissenschaftler eine Meinung abgebe oder als Verfassungsrichter eine Entscheidung treffe.

Ebenso deutlich sprach sich Holzinger gegen die von der SPÖ geforderte Einführung abweichender Stellungnahmen einzelner Höchstrichter aus. Österreich habe das älteste Verfassungsgericht der Welt und sei mit dem bestehenden System kollektiver Entscheidungen sehr gut gefahren. "Aus meiner Sicht ist das gut so, weil das die Autorität des Verfassungsgerichtshofs stärkt." Es sei wichtig "dass es eine Institution gibt, die sagt, wo es lang geht. Und zwar nicht, weil es ihr gerade spontan einfällt, sondern wohlbegründet."

"Hier geht es um Fragen des Rechts und nicht der Mathematik oder der Statistik."

Keine Möglichkeit sieht Holzinger, bei künftigen Wahlanfechtungen auch die statistische Wahrscheinlichkeit von Manipulationen zu berücksichtigen. "Hier geht es um Fragen des Rechts und nicht der Mathematik oder der Statistik."

Ob er selbst bei der Wahlwiederholung für Alexander Van der Bellen oder Norbert Hofer gestimmt hat, wollte Holzinger nicht sagen. Dass der neuerliche Wahlsieg Van der Bellens die Situation für ihn als VfGH-Präsidenten einfacher gemacht hat, gestand er aber ein: "Natürlich ist mir klar, dass es für den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes jetzt etwas einfacher ist, als es sonst vielleicht gewesen wäre. Nur das gehört zum Geschäft." Er hätte die Wahlwiederholung jedenfalls auch bei einem anderen Ergebnis mit der selben Überzeugung vertreten, betonte Holzinger.

Schließlich präsentierte Holzinger auch noch die sonstige Arbeitsbilanz des Gerichtshofes im Jahr 2016: Demnach gab es 3.810 neue Verfahren, 3.700 wurden abgearbeitet. Die durchschnittliche Verfahrensdauer lag demnach bei fünf Monaten, Asylverfahren wurden in durchschnittlich drei Monaten abgewickelt.

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