Lokalpopulismus der feinsten Sorte. Der Aufstand gegen „die in Wien“, der bringt Applaus bei den eigenen Wählern im Ort. Aber protestiert der Bürgermeister zurecht?
Fährt man von der Autobahn A1 ab, führt die Bundesstraße über einen Kreisverkehr direkt in den 4.476-Einwohner-Ort. Er ist herausgeputzt, wie sich das für Orte in einer Tourismusregion – der Attersee ist vier Autominuten entfernt – gehört. Bunte Fassaden, akkurat geschnittene Büsche, freundliche Gesichter. Transparente laden zur „Nacht der Tracht“ samt Mitternachtseinlage der Attergauer Volkstanzgruppe. (Wer kommen mag: am 29. Oktober!). Ein Schild weist den Weg ins Dirndl-Outlet. Eine Fahne mit dem Konterfei des berühmten Dirigenten Nikolaus Harnoncourt, der hier wirkte und starb, gibt Zeugnis von der Weltoffenheit des Orts.
Nur die roten Schilder, die vor Kirche und Gemeindeamt stehen, stören das Idyll. „Es ist genug“, steht da geschrieben. Dazu ein Stoppschild und der Aufruf, mit der A1-Sperre „ein Zeichen gegen die unmenschlichen Flüchtlingszelte und die ungerechte Verteilung der Flüchtlinge“ zu setzen.
Geht es darum? Solidarität mit Flüchtlingen? Und nicht darum, dass die ungebetenen Gäste nicht zu den bunten Fassaden, den akkuraten Büschen und den Touristen passen, von denen die Region lebt?
„Es geht um beides“, sagt Aigner, während er auf seinem Handy tippt. Er hat viel zu tun am Tag vor der Demo. Gerade hat die Sicherheitsbesprechung geendet. („Ich will friedlichen Protest und keine ausländerfeindlichen Parolen. Da fürchte ich mich vor den Gruppierungen, die anreisen.“) Drei verpasste Anrufe von Soziallandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) haben sich unterdessen auf dem Handy angehäuft. „Den ruf ich nachher kurz zurück.“
Dass er sich mit der eigenen Partei anlegt, ist Aigner bewusst: „Es ist zermürbend, dass mir keiner hilft.“ Innenminister Karner habe zwar kurz angerufen und „erklärt, dass er meinen Frust verstehe“, der versprochene Termin sei aber nicht zustande gekommen. Und Landeshauptmann Thomas Stelzer? Aigner schüttelt den Kopf. „Nix.“
Daher sei er – mit Unterstützung aller Parteien in der Gemeinde – zur Tat geschritten: „Die Zelte sind menschenunwürdig, es ist kalt, nass und immer wieder fällt die Heizung aus.“ Und: „Ich bin den Menschen hier im Wort. Egal, von welcher Partei ich bin.“ Einst hatte St. Georgen einen blauen Bürgermeister, Aigners ÖVP-Vorgänger konnte die Gemeinde drehen. Im Gemeinderat hat man die Absolute.
Die Menschen im Ort, sagt Aigner, hätten Angst: „Wenn Mütter ihre Kinder nicht mehr alleine in die Schule gehen lassen, dann läuft etwas falsch.“ Auf Facebook hat er angekündigt, „aus gegebenem Anlass“ die Straßenbeleuchtung über Nacht brennen zu lassen, statt (wie geplant) Energie zu sparen. „Die Burschen, die zu uns kommen, zählen zu jenen, die kaum Chance auf Asyl haben. Viele brechen aus dem Lager aus und flüchten. Sie haben nichts zu verlieren.“
Bei so manchem stößt er damit auf offene Ohren: In eine der beiden Trafiken dürfen Flüchtlinge nur noch Einzeln rein. „Sonst verliert man ja den Überblick, was sie alles fladern.“ Die Bäckerin gegenüber klagt über verlorenen Umsatz, viele würden wegen „der Ausländer“ nicht mehr ins Zentrum fahren. Das spüre auch die Boutique gegenüber, lässt sie wissen. Die Eisenwarenhandlung darf sich über ein paar Rucksackverkäufe mehr freuen: „Unangenehm auffallen tun sie nicht“, sagt die Verkäuferin.
Man scheint aber einig: Es wäre wohl besser, würden die Fremden einzeln und nicht in „Grüppchen“ durch den Ort spazieren. Das mache Angst. Klar, auch die Historie prägt den Ort. In den 1990er-Jahren verübte ein Asylwerber hier einen Doppelmord.
Nicht wenige im Ort wiederum finden, dass es auch andere Probleme gebe, die Kampfeslust erfordern – die ausufernde Baulust etwa oder fehlende Beschränkungen für Autofahrer. Bei Messungen der Bezirkshauptmannschaft wurde an Stellen das Tempo von 85 Prozent der Fahrer überschritten – 90 km/h im Ortsgebiet sind keine Seltenheit. Eine Bürgerinitiative ist in Gründung, da man bei diesem Thema wegschaut.
Der Bürgermeister legt sich nun lieber mit jenen Autofahrern an, die von der Autobahn kommen. Bleibt die Frage: Was hat die Asylsituation mit der A 1 zu tun? Nichts. Aber Aigner greift auf ein bewährtes Mittel zurück. Schon 2015 wollte der Bund Zelte in Thalham aufstellen – und zog nach der Ankündigung der Bürger, die Autobahn zu sperren, zurück. Diesmal bleibt es nicht bei der Ankündigung. Wird die Demo etwas bewirken? Nein, heißt es beim Land. Nicht zuletzt, weil es nur wenige Kilometer vor und nach der Abfahrt bei St. Georgen andere Abfahrten gebe.
Aigner gibt sich kampfbereit: Er sei bereit, „noch weiter zu gehen.“ Was genau dann geplant sei, werde nicht verraten. „Jetzt rufe ich mal den Landesrat zurück.“
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