Das verdrängte Emissions-Problem der Schwerindustrie
Vergangenen Freitag war Finanzminister Magnus Brunner ganz unten. Nach einer herzlichen Begrüßung führten die Kumpel der Magnesit-Mine im steirischen Breitenau nahe Buck an der Mur Brunner in seiner Rolle als Rohstoffminister bis an den tiefsten Punkt einer der größten Untertagbauminen Österreichs.
Mit VW-Bussen fuhren die Gäste von etwa 750 Meter Seehöhe beim Stollenmundloch, so heißt die Einfahrt einer Mine, bis auf etwa 420-Meter-Seehöhe. „Bald werden wir hier tiefer als Radkersburg sein, das liegt auf 200 Meter Seehöhe und ist der tiefste Punkt der Steiermark“, erzählt Betriebsleiter Martin Kofler lächelnd.
Schwerindustrie
Noch gibt es große Minen in Österreich samt Schwerindustrie, nicht alles wird aus Fernost bestellt. Brunner wurde aber aus einem anderen Grund eingeladen, sich vor Ort ein Bild zu machen: In Breitenau wird das Magnesit zuerst aus dem Gestein gesprengt, verladen, zerkleinert und in einem bis zu 1.900 °C heißen Drehrohrofen eingebracht. Durch die Hitze des Ofens wird das Magnesit „kalziniert“, dabei wird sehr viel Kohlendioxid (CO2) emittiert. Die RHI Magnesita erzeugt industrielle Feuerfestprodukte wie Hochöfen, Glasöfen, Zementöfen, Verbrennungsanlagen und einigen mehr.
Das Problem, dem sich Brunner stellen soll: Beim beschriebenen Prozess wird sehr viel CO2 frei und diese Treibhausgasemissionen lassen sich nicht verhindern, die Chemie lässt sich nicht austricksen. Viele Industriebetriebe haben das gleiche Problem, so genannte „geogene“ Prozesse, wo Treibhausgase, vor allem CO2, entsteht. Derzeit emittiert alleine die Industrie rund 30 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Ein großer Teil wird durch den „fuel switch“, also durch den Wechsel auf nicht-fossile Brennstoffe, vermieden werden. Das ganze CO2 wird man aber nur wegbekommen, wenn die Industrieanlagen ihren Betrieb einstellen.
Was also tun? „Breitenau ist einer der wichtigsten Rohstoffstandorte in Europa“, erklärte dazu RHI-CTO Rajah Jayendran. „Wenn wir das Erreichen der Pariser Klimaziele ernst nehmen, müssen wir lernen, CO2 erst gar nicht zu emittieren, oder es unschädlich, transportierbar und vor allem wieder nutzbar zu machen. Einen Teil unseres CO2 können wir bereits reduzieren. Den Rest müssen wir aber als Übergangslösung einspeichern können, und zwar so lange, bis die industrielle Nutzbarmachung von CO2 (das Carbon Capture and Utlilisation, kurz „CCU“) gelingt. Anders lassen sich die Klimaziele nicht erreichen.“
An Brunner erging zuerst der Appell, das bestehende gesetzliche „Verbot der geologischen Speicherung von Kohlenstoffdioxid“, das es seit 2011 gibt, aufzuheben. Dazu muss Brunner mit den Grünen ein Einvernehmen herstellen. Die Grünen sind da skeptisch, außer es gibt realistische Chancen, dass das CO2 als industrieller Rohstoff wiederverwendet wird. Etwa zur E-Fuel-Produktion, zur Herstellung von Polycarbonaten, Polyurethanen oder Methanol – man kann es in Baustoffe umwandeln, in Karbonate oder in Olefine zur Kunststoffproduktion.
Doch dafür muss das CO2 transportiert werden können: „Wir brauchen jedenfalls eine eigene Infrastruktur für den Transport von Kohlendioxid, unabhängig davon, ob Österreich CCS (also das Einspeichern von CO2) erlaubt oder nicht“, sagt Klimaökonom Stefan Schleicher. Doch darüber haben die Gespräche gerade erst begonnen. Eines der Ziele könnte sein, sich an das deutsche CO2-Pipelinesystem anhängen zu können. Ziel wäre, das CO2 nach Norwegen zu schicken, die viel Erfahrung mit CCS haben.
Globaler Wettlauf um das Einspeichern von CO2 im Untergrund
Die Norweger geben an, in der Nordsee ausreichend Speicherplatz für etwa 2.000 Milliarden Tonnen CO2 zu haben. In Island haben Firmen wie Carbfix damit begonnen, in ihr Basaltgestein zu verpressen, wo es in weniger als 24 Monaten versteinert und für Hunderte bis Tausende Jahre gebunden bleibt.
Die USA, Kanada, China oder die Vereinten Arabischen Emirate haben längst mit dem Verpressen von begonnen. Weltweit gibt es 27 aktive CCS-Anlagen, das steht für „carbon capture and storage“, wo aus Schornsteinen gefiltert und in den Untergrund verpresst wird. In Österreich ist das verboten, das Gesetz wird heuer evaluiert.
Insider erzählen, dass wegen dieses Verbotsgesetzes (2011 von SPÖ und ÖVP beschlossen) die Industrie alle Ideen für CCS und den -Transport zurück in die Schubladen gesteckt hat, niemand habe sich seither damit ernsthaft beschäftigt. Doch angesichts der steigenden -Zertifikatspreise pressiert es inzwischen. In Deutschland etwa hat die Firma Open Grid Europe, die in Deutschland das größte Ferngasnetz mit einer Länge von rund 12.000 km betreibt, längst Pläne, wie ein eigenes Pipeline-System das Kohlendioxid von den großen Industrieanlagen zu den Häfen im Nordwesten Deutschlands bringen kann (siehe Grafik rechts). Von dort könnte das unerwünschte Treibhausgas bis in die Gaslager unter der Nordsee gebracht werden.
Und in Österreich?
„Wir arbeiten mit fachlicher Begleitung an der Analyse möglicher Mengen, der Qualität des Gases und ähnlichen Informationen für eine Beurteilungsgrundlage“, heißt es aus dem zuständigen Klimaministerium. „Die Technologien sind noch recht weit davon entfernt in so großen Mengen verfügbar zu sein, dass man von einem hohen Bedarf in den nächsten fünf bis zehn Jahren reden könnte.“ Geprüft werde zudem, welche Industrien unvermeidbare Emissionen haben, ob das genutzt werden kann, oder ob es transportiert und gespeichert werden muss.
Für Dieter Drexel, Klima-Experte der Industriellenvereinigung, ist das nicht ausreichend: "Die Industriellenvereinigung unterstützt ausdrücklich eine fachlich fundierte und undogmatische Diskussion des Themenkomplexes CCS/CCU inklusive der Errichtung der dafür erforderlichen Infrastruktur, als einer möglichen Klimaschutz-Option für gewisse schwer zu dekarbonisierende Industrieanlagen. Damit greift Österreich eine Diskussion zu einer Technologie auf, die weltweit und zunehmend auch in Europa als unabdingbarer Baustein zur Erreichung von Klimazielen gilt.“
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