Presseschau: Rechtsextreme im Schafsfell

Norbert Hofer nach der Verkündung der ersten Hochrechnung.
Österreichische und internationale Medien zum Ausgang des ersten Wahldurchgangs.

Der erste Durchgang der Bundespräsidentschaftswahl ist geschlagen, es wird eine Stichwahl zwischen FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer und Grünen-Kandidaten Alexander Van der Bellen geben. Das schreibt die nationale und internationale Presse:

Politico (US-Nachrichtenportal)

"Obwohl viele vom österreichischen Polit- und Medien-Establishment versuchten, das (Wahl)Ergebnis als Protest gegen die regierenden Eliten darzustellen, wird es im Ausland Erinnerungen an den langjährigen Flirt des Landes mit der rechtsgerichteten Politik wieder erwecken. In den 1980er Jahren wählten die Österreicher den Ex-UNO-Generalsekretär Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten, obwohl er Antworten auf Fragen zu seinen Aktivitäten als Wehrmachts-Offizier im Zweiten Weltkrieg schuldig blieb. Die USA setzten Waldheim auf die sogenannte Watchlist, so dass er dort nicht einreisen durfte.

Österreich zog in den 1990ern während Haiders meteoritenhaftem Aufstieg erneut ungewollte internationale Aufmerksamkeit auf sich. Haider, ein charismatische Politiker, brachte seine populistische Botschaft von seiner Heimatbasis in einer armen südlichen Provinz auf die nationale Bühne. Im Jahr 2000 ging die Freiheitliche Partei eine Koalition mit der Volkspartei ein - so wurde ein Tabu gegen populistische Parteien in der EU gebrochen, und Österreich wurde international getadelt.

Vor seiner Kandidatur war Hofer außerhalb Österreich praktisch unbekannt. Von seiner Ausbildung her ein Ingenieur, machte er sich innerhalb der Freiheitlichen Partei einen Namen als ihr "Chefideologe", Hauptautor des Parteiprogramms. (...) Die österreichischen Präsidenten sind normalerweise grauhaarige Getreue der etablierten Parteien. Die Kraft hinter Hofer (...) ist FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache."

El Mundo (Madrid)

Spaniens konservative El Mundo unterstreicht, dass sich Norbert Hofer im Wahlkampf als "Beschützer Österreichs" vor der Flut von Flüchtlingen profilierte und bezeichnet ihn als "Rechtsextremen im Schafsfell". "Der überraschende Sieg Hofers für die FPÖ könnte eine nationale Krise auslösen und die Alarmglocken in der Europäischen Union schrillen lassen."

El Periódico (Barcelona)

Die katalanische Tageszeitung bezeichnet den Sieg Hofers als einen "gigantischen Schritt der extremen Rechten, sich in Europa als politische Alternative zu etablieren". Der ultranationalistische Populismus habe sich in der österreichischen Gesellschaft festgesetzt und das beste Wahlergebnis seiner Geschichte eingefahren. "Damit wird Österreich zum neuen Beispiel, dass sich der autoritäre Ultranationalismus nicht nur in Ländern mit Wirtschaftskrisen oder mit hohen Flüchtlingszahlen durchsetzt."

El País (Madrid)

Spaniens große liberale Tageszeitung El País betont, die Bundespräsidentschaftswahlen hätten in der Vergangenheit den persönlichen Charakter des Kandidaten und seine Fähigkeit im Fokus gehabt, das Land zu repräsentieren und als moralische Autorität aufzutreten. "In dieser Wahlkampagne dominierten jedoch die Debatten um die Flüchtlingskrise und die drastischen Asyl-Begrenzung seitens der Regierung". Hofer habe die "Unzufriedenheit vieler Österreicher mit der Regierungspolitik Werner Faymanns ausgenutzt".

Eitb

Das baskische Regionalfernsehen Eitb versichert unterdessen auf seiner Homepage, "der Sieg einer ultranationalistischen, fremdenfeindlichen, anti-europäischen und populistischen Partei in Österreich ist eine Alarmwarnung über den Kurs in Europa".

Sega (Sofia)

Die bulgarische Zeitung "Sega" wie auch die privaten Fernsehsender bTV und Nova bezeichnen den Sieg von Hofer als "Triumph". Sie unterstreichen, dass nur der "Outsider" Lugner schlechter abgeschnitten habe als die Vertreter des Establishments - die beiden regierenden Koalitionsparteien. "Sega" unterstreicht, dass die Österreicher die Parolen der Nationalisten "hemmungslos" bevorzugt haben und offensichtlich nicht nur Angst vor den Migranten zeigten, sondern auch ihre Abneigung gegen die Regierung.

Die Welt

"Hofer ist in der FPÖ maßgeblich für das als fremdenfeindlich geltende Programm zuständig. (...) Trotz harter fremdenfeindlicher Linie gab es im Vergleich zu seinen Parteikollegen nie Aufregung um markige Sprüche. In der Partei gilt Hofer neben Generalsekretär Herbert Kickl als wichtiger Berater von Parteichef Heinz-Christian Strache."

Süddeutsche Zeitung

"Hofer ist einer der Chefideologen der FPÖ, hat gegen einen EU-Beitritt Österreichs gestimmt, hält die Anliegen von Pegida für berechtigt und gehört einer deutschnationalen Burschenschaft an. Durch seinen Sieg hat der Mann mit der freundlichen Ausstrahlung die FPÖ endgültig salonfähig gemacht."

Der Spiegel

"Die Wahl ist eine Abrechnung mit dem Establishment, das Ergebnis auch Folge der jahrzehntelangen Herrschaft zweier Volksparteien und einer zu lange regierenden Großen Koalition, die zerstritten ist und in Wahrheit nur auf den Moment wartet, den jeweils anderen Partner loszuwerden. Diese Wahl ist für SPÖ und ÖVP ein Debakel."

Die Zeit

"Wie in Zeitlupe ließ sich bereits in den vergangenen Jahren beobachten, wie das herrschende österreichische Machtmonopol wie eine belagerte Festung immer stärker unterminiert wurde. Doch jetzt kann schon ein kleiner Funke jederzeit eine verhängnisvolle Dynamik auslösen, an deren Ende die Auflösung der österreichischen Nachkriegsordnung steht."

Handelsblatt

"Der Triumph der FPÖ gibt hierzulande der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) weiteren Rückenwind. Denn in politisch komplexen Zeiten sehnen sich Wähler überall in Europa nach einfachen Lösungen, wie sie von Rechts und in manchen Ländern wie Griechenland, Spanien und Portugal auch von Links angeboten werden."

La Repubblica

"Das Wahlergebnis des Kandidaten der populistischen Rechten, Norbert Hofer, ist ein Triumph, der die kühnsten Prognosen vor den Wahlen wegfegt. Die Regierung Faymann könnte bald ins Wanken geraten. Nach einem Wahlkampf, der vom Flüchtlingsthema dominiert war, steht die Partei der 'Enkelkinder Haiders' einen Schritt vor einem unglaublichen Ergebnis. Hofer hat in einem Monat beste Chancen, zum achten österreichischen Staatschef zu avancieren".

Information (Kopenhagen)

"Die Präsidentenwahl in Österreich wurde für die Rechtspartei FPÖ zum Triumph. Deren Parteikandidat Norbert Hofer schlug seine Gegenkandidaten mit harten Attacken auf eine angeblich sentimentale Ausländerpolitik der Regierung und nicht zuletzt auch gegen den Islam. (...) Einiges deutet darauf hin, dass die antimuslimische Botschaft in Österreich populär ist, nachdem die Wähler gestern Hofer und die FPÖ an den Urnen belohnte."

Dnevnik (Ljubljana)

"Das Ergebnis des ersten Durchgangs, in dem Norbert Hofer von der FPÖ die Mehrheit der Stimmen gewann, ist keine Überraschung. (...) Die desillusionierten und verärgerten Wähler, die drei Viertel jener repräsentierten, die zu den Urnen gingen, wollen eine Veränderung, aber es wäre gemäß der österreichischen Kultur inkonsistent, so einen radikalen Schwung nach rechts zu wollen. In dieser Hinsicht kann Alexander Van der Bellen von den Grünen, der ruhig, vereinend und proeuropäisch ist, im zweiten Durchgang mit den Stimmen jener rechnen, die gestern verloren haben."

Nachrichtenagentur Reuters

"Obwohl der Bundespräsident eine weitgehend repräsentative Rolle hat: Die Tatsache, dass keine der beiden Regierungsparteien weiter im Rennen um den Posten (...) ist, markiert eine bedeutende Veränderung in der österreichischen Politik - und zugleich die steigende Rolle der extremen Rechten in Europa."

Mlada fronta Dnes (Prag)

"Die erste Runde der Präsidentschaftswahl in Österreich wurde zur Explosion, deren Opfer das etablierte politische System war (...) Die westliche Welle der Unzufriedenheit mit der Politik, die die Flüchtlingswelle beschleunigt hat, hat auch das scheinbar stabile Österreich erreicht (...) Österreich ist auch eine Bestätigung dessen, dass die traditionellen Parteien im freien Fall sind. Es ist ein weiteres Land, dessen Wähler die Politik der Mitte abgelehnt haben".

Lidove noviny (Prag)

"Der Ausgang der gestrigen österreichischen Präsidentschaftswahl hat die bisherigen Gesetzmäßigkeiten auf den Kopf gestellt (...) Außer dem Misserfolg der Kandidaten der beiden Regierungsparteien zeigt das Wahlergebnis auch auf ein Versagen aller bisherigen Meinungsumfragen hin, in denen konstant Van der Bellen führte, während Hofer auf Platz drei oder zwei lag. Hofer, der Favorit der Stichwahl ist, wird wahrscheinlich bemüht sein, die Wähler nicht nur mit einer härteren Antiimmigrations-Rhetorik anzusprechen, sondern wird auch von der langzeitigen Unzufriedenheit der Österreicher mit der Regierung der Sozialdemokraten und der Volkspartei profitieren. Auch sein niedriges Alter kann ihm zum Schlusserfolg verhelfen".

Pravo (Prag)

"In Österreich hat es gedonnert. Ein Anti-Einwanderungs-Populist kann Präsident werden (...) Das Ergebnis der ersten Runde deutet an, dass die FPÖ in die Situation gerät, in der sie in 90-er Jahren unter der Führung des damaligen Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider war. Die Freiheitlichen stellen sich scharf gegen die Immigration und sind auch die bedeutendste Stütze der Gegner von Atomkraftwerken, vor allem Temelin".

Kommersant (Moskau)

"Ein Gegner der Sanktionen gegen Russland könnte Präsident Österreichs werden"

Russlands linksgerichtetes Internetmedium Swobodnaja Pressa erinnerte in seinem Kurzbericht zudem daran, dass Hofer die Krim als Teil Russlands bezeichnete habe und damit den Unmut des ukrainischen Außenministeriums auf sich gezogen habe.

Ukrainische Medien bezeichneten in ihren Online-Beiträgen Hofer als "pro-russischen Kandidaten" (Pjatyj Kanal), "pro-russischen Nationalisten" ("Ukrajinska Prawda"), oder auch als "Freund Putins" (tsn.ua).

Corriere della Sera (Mailand)

"Die extreme Rechte reitet in Österreich auf der Migrantenwelle. Das Ergebnis des ersten Wahlgangs der Präsidentschaftswahlen in Österreich droht die politischen Verhältnisse im Land zu ändern."

La Stampa (Turin)

"Die FPÖ, die Partei des verstorbenen Jörg Haiders, feiert ihr bestes Ergebnis aller Zeiten. Ihr Erfolg bezeugt die zunehmende Verdrossenheit der Wählerschaft gegenüber den etablierten Parteien, aber auch die Sorgen wegen der Flüchtlingskrise. Nicht umsonst setzt Hofer die Regierung Faymann mit seiner Forderung nach einer restriktiveren Migrationspolitik arg unter Druck."

Der Standard

"Die Nominierung des ursprünglich zögerlichen Hofer war ein geschickter Schachzug von Parteichef Heinz-Christian Strache: Hofer verstand es, sich als FPÖ-Faserschmeichler den Wählerinnen und Wählern so anzudienen, dass sie sich selbst einen Blauen in der Hofburg vorstellen können."

Die Presse

"Die Wähler strafen zwei Parteien ab, die glauben, egal, welches Pferd für sie ins Rennen geht, der Platz in der Stichwahl sei per Realverfassung sicher. Das ist aber nicht mehr so. Im Gegenteil. Dass es neben der furiosen Bürger-Kandidatin Irmgard Griss ausgerechnet Alexander Van der Bellen, einem – durchaus geschätzten – Widersacher Jörg Haiders, gelungen ist, gemeinsam mit der FPÖ das Ende der SPÖ-ÖVP-Machtpolitik einzuläuten, ist ein schöner Treppenwitz der jüngeren Zeitgeschichte."

Profil

Drei Sätze des Lamentierens: Wir sprechen mit Norbert Hofer über eine Person, die fasziniert ist von großdeutschem Gedankengut. Wir sprechen über eine Person, die von einem Parteichef erfunden wurde, der im Neonazi-Milieu verkehrt hat. Wir sprechen über eine Partei, die den Bürgern mit dem Hypo-Skandal den größtmöglichen Schaden an ihrem Wohlstand zugefügt hat, im Gedankenspiel nur zu übertreffen durch eine Staatspleite.

Salzburger Nachrichten

"Wer wird die Stichwahl gewinnen? Die Geschichte zeigt, dass Platz eins im ersten Wahlgang noch gar nichts bedeutet. In der Mehrzahl der Fälle wurde der zunächst Zweitplatzierte Bundespräsident. Das könnte auch diesmal der Fall sein. Was der Schlachtruf "Alles, nur nicht Blau" bewirken kann, hat vergangenen Herbst die Wiener SPÖ vorgeführt. Ähnliches wird nun bis zur Stichwahl am 22. Mai versucht werden, um Norbert Hofer zu verhindern."

Kronen Zeitung

"Die erste Runde der Hofburg-Wahl ist geschlagen - und hat einen politischen Erdrutsch gebracht. Das von vielen Meinungsforschern vorausgesagte knappe Rennen um Platz eins ist ausgeblieben, die Österreicher wählten die Veränderung."

Neue Zürcher Zeitung

"Die Attribute der Kandidaten verweisen aber auch auf ein tiefer sitzendes Malaise der beiden Traditionsparteien. Der 64-jährige Hundstorfer und der Mittsiebziger Khol sind Bilderbuchvertreter jenes politischen Establishments, gegen dessen Reformunfähigkeit sich der Zorn der Wähler richtet."

The Guardian

"Während die Freiheitliche Partei an Unterstützung gewinnt, könnten Norbert Hofer, sollte er den Top-Job bekommen, den Weg zu Nationalratswahlen beschleunigen. Umfragen sehen die Freiheitliche Partei bei über 30 Prozent, während die Koalition Probleme hätte gemeinsam eine Mehrheit zu stellen" (Das englische Original finden sie hier).

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