ÖVP-Generalsekretär: "Da werden Menschen an den Pranger gestellt"
Er ist Fliegenfischer, seit 20 Jahren Vizebürgermeister in Wiener Neustadt, und „quält“ bisweilen, wie er sagt, das Saxofon: Christian Stocker ist neuer Generalsekretär der ÖVP.
Wie tickt der Mann, der sich als „Schild der Partei“ sieht? Und wie geht es ihm als Rechtsanwalt und Mitglied des ÖVP-Korruptions-U-Ausschusses mit der Justiz und dem Ausschuss?
„Ich suche Konflikte nicht, aber ich gehen ihnen sicher nicht aus dem Weg “, sagt Stocker zu der Frage, wie er’s anlegen will. „Aber der Konflikt ist kein Selbstzweck.“ Harter Streit sei mitunter nötig. „Aber ich will meinem Gegenüber danach immer die Hand geben können.“
Stocker weiß, dass das ein hehres Ziel ist – zumal in seiner Position. „Auf kommunaler Ebene ist das Klima ein anderes, aber in der Bundespolitik ist eine Intensität und persönliche Note dabei, die für mich neu war.“
Besonders intensiv ist für ihn diese neue, teils „tiefe Ablehnung“ im U-Ausschuss sichtbar: „Das ist leider ein Ort, an dem Grenzen oft überschritten werden. Ein Beispiel, wie Politik eher nicht sein sollte.“
Ein harter Befund. Wie untermauert Stocker ihn?
„Im U-Ausschuss geht es nicht um Aufklärung, sondern ums Stimmung machen. Die Geschichten, die manche Abgeordneten vorher und nachher erzählen, haben oft wenig damit zu tun, was Auskunftspersonen im Parlament erzählen.“
Keine Balance
Stocker wünscht sich dringend eine Reform des U-Ausschusses: „Die Balance ist verloren gegangen, weil die Verfahrensordnung die Oppositionsrechte gegen eine Regierungsmehrheit schützt. Aber in diesem U-Ausschuss gibt es keine Regierungsmehrheit.“
Laut Stocker müssen die formalen Spielregeln überarbeitet werden. „Fragen wie ,Welche Akten sind zu liefern’ oder ,Was darf gefragt werden?’ müssen klarer umrissen werden.“
Auch die Höchstgerichte – vor allem der Verfassungsgerichtshof – sollte „engere Leitplanken“ vorgeben. Extrem „unbefriedigend“ ist für Stocker, dass strafrechtlich irrelevante Unterlagen, die im Zuge von Ermittlungen gesichert werden, im U-Ausschuss und so auch in der Öffentlichkeit landen. „Strafakten dürfen kein Bassena-Tratsch werden.“
Unzumutbar
Damit das gelingen kann, erneuert Stocker eine Forderung, die die ÖVP im Gegenzug für die Zustimmung zur neuen Bundesstaatsanwaltschaft stellt: Die Rechte von Beschuldigten müssen gestärkt werden. „Egal wen es trifft: Es ist unzumutbar, wenn sich Ermittlungsverfahren über Jahre hinziehen.“ Die betroffenen Menschen hätten nicht nur Anwaltskosten zu stemmen, sondern müssten damit leben, dass sie und ihre Familie beruflich wie privat schwere Nachteile erleiden. „Was hilft es jemandem, wenn er nach zehn Jahren eine Einstellung des Verfahrens erreicht? Da ist sein Leben ein anderes und viele berufliche Möglichkeiten sind vertan und Freunde haben sich abgewandt. Da werden Menschen öffentlich an den Pranger gestellt.“
Es sei anzudenken, Ermittlungsverfahren nach drei Jahren einer Prüfung zu unterziehen. „Dass länger ermittelt wird, muss die Ausnahme, nicht die Regel sein.“
Hart ins Gericht geht Stocker mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. „Wenn man sich die Aussagen der Rechtsschutzbeauftragten oder von ehemaligen Mitarbeiterinnen anhört, und wenn man weiß, dass sich hier Mitarbeiter gegenseitig heimlich aufnehmen, dann muss man festhalten: Da stimmt etwas nicht.“
Auch Indikatoren wie die Dauer von Ermittlungen oder die Zahl der Einstellungen und Freisprüche zeige, dass „diese Behörde im Vergleich zu anderen Justiz-Behörden nicht die effizienteste ist. Es gibt Reformbedarf.“
Bei der Frage der Bundesstaatsanwaltschaft bleibt Stocker hart: „Natürlich braucht es eine parlamentarische Kontrolle – und zwar ständig. Wenn wir im U-Ausschuss laufende Polizei-Ermittlungen überprüfen können, so muss das auch mit staatsanwaltschaftlichem Handeln gehen. “ Er verstehe, dass die Justiz skeptisch sei. „Aber als Parlamentarier sage ich: Das muss sein!“ Diesbezüglich ist für Stocker auch der Vorschlag eines ständigen Justiz-Unter-Ausschusses im Parlament nicht vom Tisch. „Wir haben das bei den Nachrichtendiensten und dem Militär, warum soll das nicht auch bei der Justiz möglich sein?“
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