Ein bissl Affront: CSU setzt Kurz auf Merkels Platz
"Jetzt ist er da! Juhu!" Dorothee Bär, eine gestandene CSUlerin, verfällt in Jubeltöne; ihre Parteikollegin Angelika Niebler spricht gar vom "Hoffnungsträger der europäischen Parteienfamilie", als sie ihn mit viel Verve vorstellt: Ein "Mann mit Empathie und Mut", einer "mit großer Zukunft" stehe da auf der Bühne, sagt sie.
Sebastian Kurz muss lächeln, als er das hört. Klar, schwer hat er es nicht hier, der Ehrengast des heutigen CSU-Parteitags, vor allem nicht im Vergleich zu jener Frau, die diesen Titel die letzten 16 Jahre tragen durfte: Heute, im Jahr eins nach dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, hat die CSU ihn der Kanzlerin vorgezogen. Erstmals seit ihrem Antritt als Parteichefin sitzt Angela Merkel nicht neben Parteichef Seehofer, man hat sie diesmal nicht eingeladen. Anwesend ist sie natürlich trotzdem irgendwie, vielleicht auch weil ihr Stuhl heute von Sebastian Kurz besetzt ist: Mit ihrer Nicht-Einladung hat man zwar den "Dissens auf offener Bühne" vermieden, wie der Parteichef sagt; mit Kurz’ Einladung will man Merkel aber durchaus ärgern. Der Zwist der Schwestern, der nun schon eineinhalb Jahre dauert, geht so nur in die Verlängerung.
13 Minuten voll Lob
Dass Kurz’ Auftritt genau so lang dauert wie jene Schmährede, mit der Seehofer im vergangenen Jahr die Kanzlerin düpierte, ist da ein unterhaltsamer Zufall. 13 Minuten lang führte der oberste Bayer die Kanzlerin damals wegen ihrer Flüchtlingspolitik vor – inhaltlich war das durchaus dem ähnlich, was Kurz heuer in seinen 13 Minuten auf der Bühne sagt. Sätze wie "der politische Islam hat in unserer Gesellschaft keinen Platz" oder "es waren wir Österreicher und Bayern, die von Anfang an eine andere Haltung vertreten haben", sind Streicheleinheiten für die gebeutelte CSUler-Seele – und Stiche Richtung Berlin. Österreich und Bayern Seite an Seite, vor allem in der Flüchtlingsfrage, "das Zusammenspiel funktioniert", sagt Kurz, nicht ohne einen Wortwitz auf Kosten David Alabas zu machen.
Kurz als Symbolfigur
Der Dank der Bayern ist ihm dafür sicher. "Wenn du Hilfe brauchst, ruf uns an", sagt CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer; "du hast mit deiner Politik bewiesen, dass du prädestiniert bist, auf Parteitagen ein Grußwort zu sprechen", setzt er nach. Sebastian Kurz, der heuer schon fünf Mal bei der CSU zu Gast war, ist für die Bayern die beste Symbolfigur ihres Protest gegen Berlin – er steht mit seinem Schritt weg von Merkel auch für den Bruch, der sich innerhalb Deutschlands vollzogen hat. "Tektonische Verschiebungen" nennt Horst Seehofer dies in seiner anschließenden Rede; eine hübsche Umschreibung dafür, dass die AfD der CSU auch im eigenen Land zusetzt.
Wie damit umgehen? Für Seehofer ist das recht klar. Noch konservativer, noch rigider will er seine Partei aufstellen, "gegen den politischen Islam", für Obergrenzen, dafür, dass " Deutschland Deutschland bleibt". Kurz spricht ihm auch da aus der Seele. Man dürfe das Thema Flüchtlinge "weder links noch rechts überlassen", sagt Seehofers liebster Außenminister. Nur ein Unterschied bleibt bei aller Übereinstimmung: Die CSU liegt, etwas anders als die ÖVP, bei 44 Prozent – in Gefahr ist für sie nur die absolute Mehrheit.
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