Warum ohne vier Österreicher nichts geht bei der Klimakonferenz

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30. Klimakonferenz: Wer verstehen will, wie Verhandlungen bei einer Weltkonferenz ablaufen, muss die Österreicher fragen. Die heimischen Beamten stellen gleich vier Verhandlungsführer.

Zu Beginn der zweiten und entscheidenden Woche der 30. Klimakonferenz in Belém, Brasilien, herrscht unter Delegierten und Aktivisten noch vorsichtige Zuversicht. Die erste Woche verlief durchwachsen: Das Vorsitzland Brasilien musste sich heftige Kritik gefallen lassen – sowohl wegen gravierender Sicherheitsprobleme, nachdem brasilianische Ureinwohner das eigentlich streng bewachte Konferenzgelände stürmten, als auch wegen organisatorischer Mängel wie zu schwacher Klimaanlagen. Bei rund 32 Grad und extrem hoher Luftfeuchtigkeit im Herzen des Amazonas ist die Belastung für alle enorm.

Brasiliens Präsident Lula da Silva hat den Tagungsort bewusst in den Regenwald verlegt – als Signal an die Welt. Hier, wo die Folgen der globalen Erwärmung unmittelbar sichtbar sind, wird über die Zukunft der großen tropischen Wälder Südamerikas, Afrikas und Südostasiens verhandelt. Ohne deren Schutz bleiben ambitionierte Klimaversprechen letztlich bedeutungslos.

Schlüsselrolle

Eine wichtige Rolle spielen vier österreichische Beamte, die den Ausgang zentraler Verhandlungskapitel mitprägen könnten. Um das zu verstehen, muss man wissen, wie Verhandlungen zwischen den 192 Vertragsstaaten des Klimarahmenabkommens funktionieren: Zu Beginn erarbeiten die Vorsitzenden der thematischen Arbeitsgruppen einen Textentwurf, in dem jedes Wort in Klammern steht. Erst in der Endphase übernimmt das Vorsitzland – diesmal Brasilien – die Führung und versucht, diese Klammern zu „entfernen“, also strittige Punkte durch Verhandlungen aufzulösen. Ein erfundenes Beispiel: „(Alle) (die entwickelten) Vertragsstaaten (verpflichten sich) (bemühen sich) (wollen) bis (2050) (2060) (2070) (alle) fossilen (Brennstoffe) (Treibstoffe) nicht mehr (in der Mobilität) (im Energiebereich) zu verwenden.“

Profis der Klimaverhandlungen: Elfriede Moore, Cornelia Jäger, Jakob Wiesbauer-Lenz und Jose Delgado Jiminez

Verhandlungsprofis Jäger, Delgado, Wiesbauer-Lenz und More.

Untergruppen

Verhandelt wird nicht im Plenum, sondern in vielen kleineren Gruppen, denen sich die Staaten anschließen. Die EU-27 haben eine gewichtige Stimme, die größte Staatengruppe ist aber die G77, zu der sämtliche Entwicklungsländer sowie China gehören. Innerhalb dieser wiederum gibt es zahlreiche Untergruppen: die kleinen Inselstaaten (AOSIS), die arabischen Staaten, die am wenigsten entwickelten Staaten oder die afrikanischen Staaten.

50 Themen

Insgesamt stehen rund 50 Themen auf der Agenda – von Emissionsminderung über Technologietransfer bis hin zu Schäden und Verlusten und der Finanzierung. Und genau hier kommen die Österreicher ins Spiel: Gleich vier dieser Gruppen werden von Beamten aus dem Umwelt- und Finanzministerium geleitet, wobei der Vorsitz jeder Gruppe geteilt wird – mit einem Mitglied aus dem globalen Norden (also den Industriestaaten) und aus dem globalen Süden.

Umweltminister Norbert Totschnig, der auch in Belém verhandelt, verweist mit Stolz auf das internationale Vertrauen in sein Team: „Auch hier in Belém zeigt sich, dass international weiterhin großes Vertrauen in Österreichs Verhandlungsgeschick gesetzt wird. Für mich ist es ein Privileg, mit diesen Profis zusammenzuarbeiten.“

Da wäre etwa Elfriede More, sie ist Ko-Vorsitzende im Bereich Technologie, Cornelia Jäger leitet die Verhandlungen über bereits eingetretene und noch zu erwartende Klimaschäden (Loss and Damage), Jakob Wiesbauer-Lenz das nicht minder schwierige Thema über die Emissionen der internationalen See- und Luftfahrt und José Delgado aus dem Finanzministerium leitet Teile des Finanzierungskapitels.

„Wir haben die Aufgabe, das Mandat der jeweiligen Verhandlungsgruppe abzuarbeiten, so lange, bis es nur mehr Fragen gibt, für die es eine politische Entscheidung benötigt“, erklärt More, Leiterin der Abteilung für Internationale Klima- und Umweltangelegenheiten. „In den Verhandlungsgruppen müssen wir genau zuhören, was die Vertreter der Vertragsparteien sagen, wir machen Textentwürfe, moderieren die Verhandlungen, und schauen, dass die Atmosphäre im Raum bestmöglich ist, dass jeder zu Wort kommt. Und dabei müssen wir herausfinden, was die Knackpunkte der einzelnen Verhandler sind, und überarbeiten dann entsprechend die Dokumente, bis jedes einzelne Thema abgeschlossen ist.“

„Wir sind faire Makler“

Warum österreichische Beamte so häufig als Verhandlungsführer gefragt sind? More bleibt diplomatisch: „Die Verhandler der anderen Staaten kennen uns inzwischen ganz gut, und wissen, dass wir faire Makler sind. Es hat sich herumgesprochen, dass wir das gut machen, und deshalb werden wir immer wieder gefragt.“

Wie das Endergebnis dieser 30. Klimakonferenz aussehen könnte, wagt sie nicht vorherzusagen. Klar sei nur der Arbeitsaufwand: „Unsere Arbeitszeitregeln sind während einer Klimakonferenz definitiv außer Kraft gesetzt. Offiziell enden zwar immer um 18 Uhr die Verhandlungen, doch fast immer geht es danach informell weiter. Und danach müssen wir das Vereinbarte und mögliche Kompromisse in die Verhandlungstexte schreiben, was besonders heikel ist. Ich war schon in der ersten Woche mehrmals erst kurz vor 2 Uhr früh mit meiner Arbeit fertig. Ich weiß aber auch, dass es immer wieder vorkommt, dass durchgearbeitet wird, vor allem gegen Ende der Verhandlungen. Da wird kaum mehr geschlafen“, sagt More.

Einstimmigkeit

Wenn die Arbeitsgruppen schließlich zu Ergebnissen kommen, wandern diese ins Plenum der Konferenz – und dort gilt das Prinzip der Einstimmigkeit. Kein Staat darf widersprechen.

Was offen bleibt, muss dann eben bei der nächsten, der 31. Klimakonferenz, weiterverhandelt werden.

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