Causa Rami: Neos fordern Berufsverbot für Verfassungsrichter
Wie genau die Kollegen dem „Neuen“ den Kopf gewaschen haben, darüber gehen die Aussagen ein wenig auseinander: Manche sprechen von einer „ordentlichen Standpauke“, bei der Michael Rami „Beton“ bekommen haben soll; andere erzählen es mit mehr Zurückhaltung – er habe einfach eine „deutliche Zurechtweisung“ erfahren.
Gesichert ist: Michael Rami, fachlich unumstrittener Jurist und jüngstes Mitglied an Österreichs wichtigstem Höchstgericht – dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) – hat von mehreren Kollegen eine Rüge ausgefasst. Und das hat vor allem damit zu tun, dass er im Zivilberuf Rechtsanwalt ist.
Die Sache selbst ist schnell erzählt: Rami gilt als Experte für Medien- und Wirtschaftsstrafrecht. Und als solcher hat er zuletzt innerhalb von wenigen Tagen sowohl den Innenminister als auch den Vizekanzler vor Gericht vertreten.
Genau das missfällt Ramis Richter-Kollegen. Aus folgendem Grund: Als Verfassungsrichter muss Rami darüber mitentscheiden, ob Gesetze der Verfassung widersprechen. Die Gesetze bringt derzeit unter anderem die türkis-blaue Bundesregierung auf den Weg – der wiederum Innenminister und Vizekanzler angehören.
Zugespitzt besteht das Problem darin: Als Rechtsanwalt bekommt Rami Geld von Personen, die ein vitales politisches Interesse daran haben, dass Rami als Verfassungsrichter zu ihren Gunsten entscheidet.
Strikte Regeln
Formal ist die Angelegenheit kein Problem. „Die Befangenheitsregeln werden bei uns ausnehmend strikt gehandhabt“, sagt VfGH-Präsidentin Brigitte Bierlein. Demnach nehmen sich Verfassungsrichter beim leisesten Verdacht einer Befangenheit selbst aus dem Spiel und nominieren für den jeweiligen Fall ein Ersatz-Mitglied.
Aber was bedeutet die interne Selbstkontrolle für einen Höchstrichter im Sold von aktiven Ministern? Kann und soll er sich bei allen Fällen entschlagen, die Gesetze der amtierenden Regierung berühren?
Die Problematik einer allzugroßen Nähe zur Spitzenpolitik stellt sich in hübscher Regelmäßigkeit: Als Verfassungsrichter Johannes Schnizer 2016 in Interviews öffentlich den Verdacht äußerte, die FPÖ habe die Anfechtung der Bundespräsidentenwahl wohl von langer Hand geplant, warf ihm die FPÖ parteipolitische Agitation vor. Dazu muss man wissen: Kurz bevor Schnizer an den VfGH kam, war er Klubjurist der SPÖ und Kabinettschef von Bundeskanzler Gusenbauer.
Und erst im Vorjahr wurde die Frage der Vereinbarkeit von Spitzenpolitik und Richteramt bei Wolfgang Brandstetter aktuell: Der Justizminister wechselte de facto direkt aus der Bundesregierung in das Höchstgericht – und muss sich seither bei vielen Verfahren allein schon wegen des Anscheins einer Befangenheit aus dem Spiel nehmen.
Als „organisatorisch herausfordernd“ beschreibt VfGH-Präsidentin Bierlein diesen Zustand. Das ist nobel gesagt und vermutlich untertrieben. Umso mehr stellt sich die Frage: Wäre es nicht an der Zeit, Bestellung und Beschäftigung am VfGH zu reformieren? Etwa, indem man eine generelle „Abkühlphase“ („cooling down“) für Politiker vorsieht und VfGH-Richtern Nebenjobs verbietet?
Neos mobilisieren
Spätestens am Dienstag werden Fragen wie diese im Parlament wieder diskutiert. Denn der stellvertretende Klubchef der Neos, Nikolaus Scherak, bringt einen Entschließungsantrag ein, in dem die Regierung aufgefordert wird, das Richteramt neu zu ordnen.
„Der Aufgabenbereich am VfGH hat seit den 1920er Jahren extrem zugenommen. Trotzdem gilt das Richteramt am Verfassungsgerichtshof immer noch als Nebenjob“, sagt Scherak zum KURIER.
Im Vergleich mit anderen Ländern sei das ein Unikum. „Sowohl am Internationalen Gerichtshof, in Belgien, Spanien oder Deutschland gilt ein Berufsverbot. Auch die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International warnt vor Nebentätigkeiten für Richter, weil diese immer Abhängigkeiten mit sich bringen können.“
VfGH-Richter Rami sieht das anders. Für den KURIER war er vorerst nicht zu sprechen. Dem Vernehmen nach hat er intern aber deponiert, Minister-Mandanten vorerst nicht aus der Kundenkartei zu streichen.
Die Betonung liegt auf „vorerst“. Denn seit Ende des Vorjahres arbeitet eine interne Arbeitsgruppe im Verfassungsgerichtshof daran, die Befangenheitsregeln für Richter zu überarbeiten.
Es werde, so heißt es, wohl zu einer Verschärfung kommen. Und allfällige Kopfwäschen würden sich damit hoffentlich erledigen.
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