Grasser-Urteil hat ein Milliarden-Nachspiel

Eigentlich ist die Sache erledigt. Zumindest, was das Strafrecht angeht. Seit Ende März weiß Karl-Heinz Grasser, dass er schuldig bleibt. Der Oberste Gerichtshof hat die Freiheitsstrafe gegen den früheren Finanzminister und sechs Angeklagte bestätigt; Grasser muss in Haft, für das Gericht ist klar: Die im Erst-Urteil festgestellten Korruptionsvorwürfe treffen zu.
Es ist gut möglich, dass der Ex-Minister seine Haft schon begonnen hat. Formal hat er bis Dienstag Zeit, in der Justizvollzugsanstalt Innsbruck vorstellig zu werden. Doch um ihren Mandanten zu schützen, hüllen sich Grassers Anwälte beim Haftantritt in Schweigen.
Warum ist die Buwog-Causa nur "eigentlich" erledigt?
Das liegt daran, dass mit dem Schuldspruch auch festgehalten wurde, dass es bei der Privatisierung der 60.000 Buwog-Wohnungen illegale Absprachen gab.
Und das wiederum bedeutet: Derjenige, der beim Bieterverfahren vor mehr als 20 Jahren das Nachsehen hatte - konkret war das die CA Immo - ist möglicherweise ein Geschädigter.
Bereits 2020 hat die CA Immo eine Klage gegen die Republik eingebracht. Nicht weniger als 1,9 Milliarden Euro an Schaden macht das Konsortium geltend.
Im Prinzip bemisst sich die Summe wie beim Kauf einer Eigentumswohnung: Was hätte man für sie vor 20 Jahren bezahlt - und was ist sie heute wert?
Die Tatsache, dass ein früherer Finanzminister als Täter bestätigt worden ist, legt den Schluss nahe, dass die CA Immo entschädigt werden muss.
Doch so einfach ist die Sache nicht. Zuvor müssen zwei wesentliche Rechtsfragen beantwortet werden.
Die eine ist die der Verjährung, sprich: War die CA Immo früh genug dran mit ihren Schadensansprüchen?
Genau dieser Sachverhalt liegt schon beim Obersten Gerichtshof OGH. Und er muss in den nächsten Wochen entscheiden, ob die CA Immo nicht zu spät Alarm geschlagen hat.
Grundsätzlich haben potenziell Geschädigte in solchen Causen nur drei Jahre Zeit, um einen Schaden anzumelden.
Das Problem der CA Immo ist nun: Obwohl die Justiz schon im Jahr 2016 angekündigt hat, Karl-Heinz Grasser, Walter Meischberger und vierzehn weitere Personen anzuklagen, hat sie sich bis 2020 mit der Klage Zeit gelassen. Das war zu spät, argumentiert die Republik. Das war eigentlich logisch, hält die CA Immo dagegen. Immerhin müsse man als Geschädigter angesichts der erheblichen Gerichtskosten ja abwarten, welche Ergebnisse Ermittler und Gericht liefern bzw. vorlegen.
Sollte der OGH entscheiden, dass die CA Immo im Recht ist und dass ausnahmsweise eine andere, längere Verjährungsfrist zur Anwendung kommt, bleibt immer noch die spannende Frage, ob Grassers Taten der Republik "zugeschrieben" werden können.
Im Alltag ist die Sache ja eher einfach: Verursacht ein Polizist bei einer Verfolgungsjagd mit einem Streifenwagen einen Unfall, haftet dafür die Republik.
Bei Karl-Heinz Grasser ist es komplizierter. Ja, er war Finanzminister. Und ja, er war solcherart der ranghöchste Mitarbeiter der Finanzverwaltung.
Das Problem ist nur: Schon beim Schuldspruch gegen Grasser hat der OGH festgehalten, dass der Ex-Minister auch die Republik geschädigt hat - aus diesem Grund ist er dem Staat noch Millionen an Reparationszahlungen schuldig.
Das wissend, kann man argumentieren, dass die Republik nicht für Malversationen verantwortlich gemacht werden kann, die sie selbst geschädigt haben. Und: Im Unterschied zum erwähnten Streifenpolizisten ist Grasser nachweislich nicht in seiner "normalen" Amtstätigkeit für die Republik tätig gewesen.
Kurzum: Bis die Frage, ob die Republik Milliarden zahlen muss, geklärt werden kann, ziehen noch Monate, wenn nicht Jahre ins Land. Gegenüber dem KURIER wollten sich weder die Rechtsvertreter der CA Immo noch der Republik Österreich (in dem Fall ist das die Finanzprokuratur, Anm.) zur Causa äußern. Die Sache ist zu sensibel. Und was die CA Immo angeht, handelt es sich zudem um ein börsennotiertes Unternehmen - da wird jeder Halbsatz vom Markt und den Aktionären beäugt. Vor allem bei einer Milliardenklage.
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