Abstimmung zu Todesstrafe? Aufregung um Hofer

Abstimmung zu Todesstrafe? Aufregung um Hofer
Nach einer Aufregung um eine Aussage Norbert Hofers präzisiert er nun: Er lehnt die Todesstrafe strikt ab.

FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer ist strikt gegen eine Volksabstimmung über die Wiedereinführung der Todesstrafe. Dass er diese Klarstellung treffen musste, hängt mit einer Antwort auf einen Außenpolitik-Fragebogen der APA zusammen: Die APA-Außenpolitik hatte die beiden Präsidentschaftskandidaten gefragt, ob sie Volksabstimmungen auch zu Fragen zulassen würden, die der Europäischen Menschenrechtskonvention widersprechen (z.B. Wiedereinführung der Todesstrafe).

Hofer: "Könnte Abstimmung nicht verhindern"

Hofer hatte darauf geantwortet: "Ich bin davon überzeugt, dass die Menschen ein gutes Gespür dafür haben, welche Themen für direkt-demokratische Abstimmungen geeignet sind und dass die Wiedereinführung der Todesstrafe nicht mit unseren Werten vereinbar ist." Der FPÖ-Kandidat hat sich im Wahlkampf für die Stärkung der direkten Demokratie nach Schweizer Muster ausgesprochen, wo Volksabstimmungen mit Wählerunterschriften erzwungen werden können.

Das wurde von mehreren Medien so interpretiert, dass Hofer eine Abstimmung über die Todesstrafe in Österreich nicht ablehnen würde. Dem widerspricht er nun in einem schriftlichen Statement an die APA. "Aus dem Umstand, dass ich die Todesstrafe als nicht mit unseren Werten vereinbar erachte, folgt, dass ich eine solche Volksabstimmung strikt ablehne", teilte er mit. Zugleich räumte er ein, dass er eine solche Volksabstimmung als Präsident nicht verhindern könnte. "Die Kompetenz, diese im völlig unwahrscheinlichen Fall der Ansetzung durch das Parlament nicht zuzulassen bzw. zu verhindern, habe ich jedoch als Bundespräsident nicht. Ich würde mich jedoch in einer politischen Debatte vehement dagegen aussprechen."

Verfassungsjurist: "Hofer könnte Abstimmung verhindern"

Mit dieser Einschätzung hat der Präsidentschaftskandiat aber nicht recht, sagt Verfassungsjurist Theo Öhlinger: Der Bundespräsident kann die Unterschrift verweigern, wenn das Ergebnis „evident verfassungswidrig“ wäre, sagt Öhlinger zum kurier.at. Und da die Europäische Menschenrechtskonvention in Österreich im Verfassungsrang steht und sie die Einführung der Todesstrafe verbietet, wäre eine solche Volksabstimmung verfassungswidrig – womit der Bundespräsident sie verhindern könnte.

Auch aus der SPÖ gibt es bereits eine erste Reaktion auf Hofers Statement. Klubobmann Andreas Schieder gibt sich in einer Aussendung "entsetzt", dass die Todestrafe als möglicher Gegenstand einer Volksabstimmung genannt wurde: "Unmenschliche Strafen wie Folter oder Todesstrafe können und dürfen in einem zivilisierten Land nie Gegenstand einer Abstimmung sein. Sie widersprechen allen menschenrechtlichen Grundsätzen und Verpflichtungen Österreichs", sagt er.

Auch Hofers Kontrahent Alexander Van der Bellen sagt im selben Fragebogen, dass Grund- und Menschenrechte nicht Thema von Volksabstimmungen sein dürfen. Die APA hatte die Hofburg-Kandidaten um die Beantwortung eines Katalogs mit 14 Fragen aus dem Bereich der Außenpolitik gebeten. In einer Aussendung ergänzte er: "Ein Bundespräsident muss in Sachen europäischer Grundwerte eine unmissverständliche, glasklare Haltung vertreten. Alleine das Zulassen einer Volksabstimmung über die Einführung der Todesstrafe stellt das Grund- und Menschenrecht auf Leben zur Disposition. Diese rote Linie darf nicht überschritten werden."

Differenzen auch bei Faymann

Unterschiedlicher Meinung sind die beiden Kandidaten auch, was einen möglichen EU-Ratspräsidenten Werner Faymann betrifft. Van der Bellen sagte, er würde eine Kandidatur Faymanns unterstützen, "denn es wäre eine Ehre, wenn ein Österreicher dieses wichtige Amt bekommen würde". Als langjähriger Bundeskanzler kenne er den Europäischen Rat sehr gut. Ein wenig verklausuliertes Nein kommt dagegen von Hofer: "Ich glaube, es war ein guter Schritt von Werner Faymann, sich aus der Politik zurückzuziehen und andere Wege einzuschlagen."

Unterschiede in Beurteilung der Krim-Annexion

Unterschiedlich sehen Hofer und Van der Bellen die vor eineinhalb Jahren erfolgte Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland. Der FPÖ-Kandidat sagt, dass "der Wille der Betroffenen zu akzeptieren" sei. Van der Bellen plädierte für ein Abkommen über die Krim zwischen Kiew und Moskau.

Mit Sorge sehen beide die Unabhängigkeitsbestrebungen der bosnischen Serben. Ein Unabhängigkeitsreferendum "widerspräche den gegenwärtigen internationalen Verträgen in Bezug auf Bosnien-Herzegowina", betonte Van der Bellen. Hofer warnte vor "Unabhängigkeitsbestrebungen ohne Verhandlungen", doch könnte man "sehr vorsichtig" mit einem "Loslöseprozess" beginnen, wenn das Referendum verfassungsmäßig durchgeführt würde.

Nicht vorpreschen wollen die beiden Kandidaten, was eine Verlegung der österreichischen Botschaft in Israel von Tel Aviv in die Hauptstadt Jerusalem betrifft. "So lange der endgültige Status von Jerusalem nicht gelöst ist, sollte die Botschaft in Tel Aviv bleiben", sagte Van der Bellen. Hofer sagte, dass darüber der Außenminister entscheiden solle und er sich als Bundespräsident nicht einmischen möchte. "Aber üblicherweise befinden sich die Botschaften in der Hauptstadt."

In der Südtirol-Frage betonten Hofer und Van der Bellen die Schutzmachtfunktion Österreichs. Zum Thema Doppelstaatsbürgerschaft kommt vom FPÖ-Kandidaten ein klares Ja in Bezug auf Südtiroler, während Van der Bellen das als Sache von Bundesregierung und Parlament ansieht.

Keine Positionierung zu Trump

Die Frage, ob Trump oder Putin die größere Gefahr für den Weltfrieden seien, beantworten beide Kandidaten mit einem Verweis auf die Notwendigkeit guter Beziehungen Österreichs zu den USA und Russland. Zur Frage, welcher Nachbarstaat Österreich außen- und europapolitisch am nächsten steht, verweist Hofer auf die Visegrad-Gruppe als "Korrektiv innerhalb der Europäischen Union". Dagegen betont Van der Bellen in Anspielung auf eben diese Gruppe, "dass es EU-Staaten gibt, deren Regierungen nationalistische Bestrebungen verfolgen und viele andere, die einen klar pro-europäischen Kurs verfolgen, den ich auch für Österreichs Zukunft für den eindeutig besseren Weg halte".

Beide Kandidaten sind offen für europaweite Volksabstimmungen, wobei Hofer aber eine klare Unterscheidung wünscht, "welche Themen europäische Befugnisse oder nationalstaatliches Recht betreffen". Van der Bellen meint, dass "grundlegende Reformen von europaweiter Bedeutung in europaweiten Volksabstimmungen getroffen werden" könnten. Kritisch sehen die Hofburg-Kontrahenten den Vorschlag einer EU-Armee, sie plädieren stattdessen für eine engere Zusammenarbeit der EU-Staaten in Sicherheitsfragen. Ein grundsätzliches Ja kommt von beiden zum EU-Beitritt der Westbalkanstaaten.

Auf die Frage, wo die Europäische Union in zehn Jahren stehen soll, äußert Hofer den Wunsch nach einer "echten Bürgerunion" mit Mitbestimmung und gemeinsamer Bewältigung der "großen Themen". Van der Bellen äußert die Erwartung, dass die EU in einem Jahrzehnt "näher zusammengerückt, entscheidungsstärker, wirtschaftlich erfolgreicher sein" werde.

14 Fragen für zwei Kandidaten: Die APA - Austria Presse Agentur hat Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen in aktuellen außenpolitischen Fragen von Südtirol bis zur Krim, vom Gespann Trump/Putin bis zu einem EU-Ratspräsidenten Werner Faymann auf den Zahn gefühlt. Die Antworten in Gegenüberstellung:

Wird die EU in der derzeitigen Form überleben oder wie wird bzw. soll sie in zehn Jahren aussehen?

HOFER: Die Europäische Union befindet sich derzeit in einer Krise. Die Idee der Gründerväter war eine Wirtschaftsunion, weil Staaten, die eng kooperieren, auch keine Kriege gegeneinander führen. Hier müssen wir ansetzen und hier muss auch Österreich seinen Betrag leisten. Ich hoffe, dass sich die EU in zehn Jahren zu einer echten Bürgerunion entwickelt hat, in der es Mitbestimmung gibt und auch die großen Themen gemeinsam bewältigt werden.

VAN DER BELLEN: Die Herausforderungen in Österreich und in Europa sind größer geworden. Großbritannien wird aus der Europäischen Union austreten. Der Brexit verursacht bereits jetzt Schäden für Wirtschaft und Arbeitsplätze. Auch in Österreich ist die Situation mit fast 500.000 Arbeitslosen angespannt. Ich bin überzeugt, dass Österreich das gemeinsame Europa braucht. An der EU gibt es viel zu kritisieren, aber eines ist unbestreitbar: Europa ist ein Wohlstands-, ein Freiheits- und Friedensprojekt, das unserem Land und jedem Einzelnen von uns viele Vorteile gebracht hat. Und die großen Herausforderungen können wir in Europa nur gemeinsam lösen. Das Spekulieren mit einem EU-Austritt schadet der Wirtschaft und gefährdet Arbeitsplätze. Jeder zweite Arbeitsplatz ist vom Export anhängig. Ich halte einen einseitigen Kurs für gefährlich, der vorschlägt, dass Österreich einem neuen 'Ostbündnis' beitreten soll. Natürlich soll Österreich mit den Visegrad-Staaten gute Beziehungen fortsetzen. Aber wir brauchen gute Beziehungen zu allen Staaten der Europäischen Union und darüber hinaus, vor allem aber zu unseren wichtigsten Handelspartnern Deutschland und Italien. Ich will, dass Österreich ein starkes und wirtschaftlich erfolgreiches Land im Herzen Europas bleibt. Als Bundespräsident werde ich daher in enger Abstimmung mit Bundeskanzler und Außenminister eine Gesprächsoffensive mit meinen Amtskollegen in der EU starten, um die Zusammenarbeit in Europa zu stärken. Ich hoffe, Europa wird in zehn Jahren enger zusammenarbeiten, näher zusammengerückt sein, entscheidungsstärker, wirtschaftlich erfolgreicher sein, und eine deutlich geringere Arbeitslosigkeit aufweisen.

Sind Sie für einen direkt durch alle EU-Bürger gewählten Europäischen Präsidenten oder europaweite Volksabstimmungen, um die demokratische Legitimität der EU-Politik zu stärken?

HOFER: Ich bin für den Ausbau der direkten Demokratie in Österreich nach dem Vorbild der Schweiz, weil die Menschen bei wichtigen Entscheidungen - die große Auswirkungen auf sie haben, wie zum Beispiel die Freihandelsabkommen CETA und TTIP - mit eingebunden werden sollen. Das gilt für mich auch auf EU-Ebene. Aber es muss klar unterschieden werden, welche Themen europäische Befugnisse oder nationalstaatliches Recht betreffen. Ich befürworte eine subsidiäre Union, wo wir die großen Aufgaben gemeinsam bewältigen und die vielen Kleinigkeiten - wie beispielsweise Grillhandschuhe ausgestaltet sind - den Nationalstaaten zur Regelung überlassen.

VAN DER BELLEN: Die EU muss sich jedenfalls weiterentwickeln, um wieder handlungs- und entscheidungsfähiger zu werden. Es können auch Kompetenzen der EU wieder zu den Mitgliedsstaaten zurückgehen, was ja schon derzeit unter dem Titel Subsidiarität diskutiert wird. Aber daraus zu schließen, dass wir keine übernationale Institution brauchen, halte ich für falsch. Grundlegende Reformen von europaweiter Bedeutung könnten in europaweiten Volksabstimmungen getroffen werden, das Europaparlament sollte mehr Gewicht bekommen.

Wie stehen Sie zu einer "EU-Armee"?

HOFER: Für uns Österreicher ist die Neutralität ein sehr hohes Gut. Ich befürworte eine enge Zusammenarbeit in Sicherheitsbelangen und bin der Meinung, dass eine Europäische Armee eine Verzahnung der Armeen der Mitgliedstaaten sein muss und kein amorphes Heer unter einem Zentralkommando.

VAN DER BELLEN: Eine Stärkung der gemeinsamen Außenpolitik in Europa ist ein Gebot der Stunde. Ein Mehr an Zusammenarbeit und eine verstärkte Abstimmung der Streitkräfte in Europa ist dann sinnvoll, wenn Friedenserhaltung dabei die höchste Priorität hat. Selbstverständlich muss die Beibehaltung der österreichischen Neutralität, eines Eckpfeilers des Selbstverständnisses unserer Nation, sichergestellt sein. Mit einer Eingliederung des Bundesheeres in eine EU-Armee ist dies nicht vereinbar.

Sehen Sie einen EU-Beitritt Serbiens und der anderen Westbalkan-Staaten um das Jahr 2020 als realistisch und wünschenswert an?

HOFER: Es ist wünschenswert, Balkanstaaten in die EU aufzunehmen. Vor 25 Jahren tobte dort noch ein fürchterlicher Krieg. Heute gibt es mit den Nachfolgestaaten Verhandlungen, das ist zu begrüßen. Wann einzelne Balkanstaaten wirklich reif für einen Beitritt sind, wird sich in den Verhandlungen zeigen. Derzeit spießt es sich bei Serbien noch an der Kosovo-Frage. Aber auch innerhalb der EU gibt es Staaten, wie beispielsweise Spanien, die den Kosovo nicht als eigenen Staat anerkannt haben. Es wird hier viel diplomatisches Geschick brauchen, aber ich glaube, dass Serbien gute Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft mitbringt.

VAN DER BELLEN: Kein anderes Land hat so enge wirtschaftliche und historische Beziehungen zum Westbalkan wie Österreich. Mittelfristig steht eine Beitrittsperspektive für die Westbalkan-Staaten für alle Beobachter außer Zweifel. Freilich ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Annäherung die schrittweise Umsetzung des europäischen Rechtsbestandes. Gespräche werden ja bereits seit längerem geführt. Über den Weg dorthin gibt es unterschiedliche Ansichten, viele Fragen sind noch offen. Der Beitritt der Staaten sollte von Österreich unterstützt und gut vorbereitet werden.

Würden Sie eine etwaige Kandidatur von Werner Faymann als EU-Ratspräsident unterstützen?

HOFER: Ich glaube, es war ein guter Schritt von Werner Faymann, sich aus der Politik zurückzuziehen und andere Wege einzuschlagen.

VAN DER BELLEN: Ja, denn es wäre eine Ehre, wenn ein Österreicher dieses wichtige Amt bekommen würde. Faymann war lange Jahre Bundeskanzler und kennt daher den Europäischen Rat sehr gut. Österreich hatte immer eine Brückenfunktion in Europa inne. Daher würde ich eine Kandidatur selbstverständlich unterstützen."

Würden Sie bei Volksabstimmungen auch Fragen zulassen, die der Europäischen Menschenrechtskonvention widersprechen (z.B. Wiedereinführung der Todesstrafe)?

HOFER: Ich bin davon überzeugt, dass die Menschen ein gutes Gespür dafür haben, welche Themen für direkt-demokratische Abstimmungen geeignet sind und dass die Wiedereinführung der Todesstrafe nicht mit unseren Werten vereinbar ist.

VAN DER BELLEN: Themenbereiche, die Grund- und Menschenrechte berühren, sollen nicht Gegenstand von Volksabstimmungen sein. Ja zu einer Stärkung der Bürgerechte, vor allem auf lokaler Ebene sind vorausschauende Bürgerbeteiligungsprozesse ein Schlüssel, um Konflikten vorzubeugen und Projekte zur Zufriedenheit möglichst aller zu verbessern."

Würden Sie ein Unabhängigkeitsreferendum in der bosnischen Republika Srpska (Serbenrepublik) anerkennen?

HOFER: Wenn das Referendum verfassungsmäßig durchgeführt wurde und es auch eine entsprechende Mehrheit gibt, so muss man sehr vorsichtig mit diesem Loslöseprozess beginnen. Gerade am Balkan haben wir gesehen, wohin Unabhängigkeitsbestrebungen ohne Verhandlungen führen können.

VAN DER BELLEN: Es widerspräche den gegenwärtigen internationalen Verträgen in Bezug auf Bosnien-Herzegowina. Sowohl die Regierungen in Sarajevo als auch in Belgrad werden hoffentlich im Rahmen der Beitrittsverhandlungen von der europäischen Perspektive so weit motiviert werden, dass dies auch auf die Vertreter der Republika Srpska wirkt. Überlegungen in Richtung neuerlicher Grenzverschiebungen sind problematisch.

Soll Österreich die Annexion der Krim anerkennen oder weiter als völkerrechtswidrig verurteilen?

HOFER: Im März 2014 hat ein Referendum auf der Krim gezeigt hat, wohin sich die Menschen zugehörig fühlen. Diese Frage muss man auch im historischen Kontext sehen, daher ist der Willen der Betroffenen zu akzeptieren.

VAN DER BELLEN: Österreich sollte die Annexion der Krim nicht anerkennen, aber sich im Rahmen seines OSZE-Vorsitzes 2017 darum bemühen, dass die Konfliktbeilegung zwischen der Ukraine und Russland vorangetrieben wird. Dazu braucht es einerseits die Umsetzung des Minsk-Abkommens in Hinblick auf die separatistischen Teilgebiete Donezk und Lugansk. Aber es braucht auch eine politische Verständigung und ein Abkommen über die Krim zwischen Kiew und Moskau. Das kann ein langwieriger Prozess werden, der aber für den Frieden in der Region unerlässlich ist."

Soll Österreich seine Botschaft in Israel nach Jerusalem verlegen?

HOFER: Es obliegt dem Außenminister den Standort auszuwählen, da möchte ich mich als Bundespräsident nicht einmischen. Aber üblicherweise befinden sich die Botschaften in der Hauptstadt.

VAN DER BELLEN: Dies ist eine heikle Frage, da sie den Friedensprozess zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde beeinflusst. So lange der endgültige Status von Jerusalem nicht gelöst ist, sollte die Botschaft in Tel Aviv bleiben. Österreich sollte somit die Botschaft nur dann nach Jerusalem verlegen, wenn Jerusalem auch die international anerkannte Hauptstadt Israels ist. Diesen Schritt sollten wir nur im Einvernehmen mit den anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union setzen.

Falls das italienische Verfassungsreferendum scheitert, sollte sich das Statut Südtirols ändern?

HOFER: Österreich sollte seiner Schutzfunktion in Südtirol verstärkt nachkommen. Das Referendum wird diese aber einschränken, was mir nicht gefällt. Selbst ältere Mandatare der SVP sehen diese im Referendum versprochene Mitsprachemöglichkeit Südtirols kritisch, das liegt wohl an deren Erfahrung, dass einige Versprechen aus Rom in den letzten Jahrzehnten nur am Papier gegolten haben.

VAN DER BELLEN: Südtirol hat für Österreich einen besonderen Stellenwert. Dabei spielt die Schutzmachtfunktion Österreichs für Südtirol eine wesentliche Rolle, die im 1946 abgeschlossenen Pariser Vertrag zwischen Österreich und Italien verankert ist. Dieses Abkommen ist die Grundlage für Südtirols gelebte Autonomie, die ein gutes Beispiel für das friedliche Zusammenleben verschiedener Sprachgruppen darstellt. Bei einem Scheitern des Referendums sollte das Statut Südtirols keinesfalls geschwächt werden.

Befürworten Sie Doppelstaatsbürgerschaften?

HOFER: Nein, ich glaube, von Personen, die nach Österreich zuwandern und hier leben wollen, kann auch verlangt werden, dass sie sich voll und ganz zu Österreich bekennen. Ausnahmen sollte es nur in besonderen Fällen gebe, etwa bei Sportlern oder Künstlern. Eine Personengruppe sollte die Doppelstaatsbürgerschaft unbürokratisch erhalten, nämlich die Südtiroler, da hat Österreich eine große Verantwortung.

VAN DER BELLEN: Die Möglichkeit einer Doppelstaatsbürgerschaft steht in Österreich derzeit nur Menschen offen, die diese aufgrund herausragender Leistungen, etwa im Bereich von Kultur und Sport, zuerkannt bekommen. Eine Diskussion zur Erweiterung des Staatsbürgerschaftsrechts kann eine sinnvolle Perspektive sein, das ist aber Sache der Bundesregierung und des Parlaments.

Wohin wird Sie Ihre erste Auslandsreise als Bundespräsident führen?

HOFER: Nach Tschechien.

VAN DER BELLEN: Der erste Staatsbesuch führt traditionellerweise in die Schweiz. Naheliegend wäre auch ein Besuch in Deutschland, unserem wichtigsten Handelspartner oder in Brüssel, dem politischen Zentrum der EU. Die Entscheidung über den ersten Staatsbesuch treffe ich in Ruhe, wenn ich gewählt bin.

Welcher Nachbarstaat steht Österreich derzeit in außen- und europapolitischen Fragen am nächsten?

HOFER: Die Visegrad-Staaten bilden derzeit bei vielen Themen ein Korrektiv innerhalb der Europäischen Union. Ich erachte eine Visegrad-Plus-Konferenz für sinnvoll, wo wir uns mit Tschechien, Polen, Ungarn und der Slowakei, aber auch weiteren Staaten wie Slowenien, Serbien und Kroatien regelmäßig treffen und über gemeinsame EU-Vorhaben diskutieren.

VAN DER BELLEN: Österreichs Ziel muss es sein, als neutrales Land im Herzen Europas gute Beziehungen zu allen Nachbarstaaten zu pflegen. Es ist bekannt, dass es EU-Staaten gibt, deren Regierungen nationalistische Bestrebungen verfolgen und viele andere, die einen klar pro-europäischen Kurs verfolgen, den ich auch für Österreichs Zukunft für den eindeutig besseren Weg halte.

Wer ist die größere Gefahr für den Weltfrieden: Trump oder Putin?

HOFER: Für Österreich ist es wichtig, ein gutes Verhältnis zu beiden Staaten zu haben. Österreich kann hier als neutraler Staat als Friedensvermittler seine Rolle finden. Ein Gipfeltreffen zwischen den USA und Russland auf österreichischem Boden würde unsere Rolle als neutraler Staat stärken und Österreich wieder jenen Stellenwert geben, den wir auch unter einem Bundeskanzler Bruno Kreisky in der Welt genossen haben.

VAN DER BELLEN: Österreich sollte sowohl zu den USA als auch zu Russland weiterhin gute Beziehungen pflegen. Noch ist nicht absehbar welchen Kurs die USA unter Präsident Trump einschlagen werden. Europa muss jetzt zusammenrücken, besser zusammenarbeiten und selbstbewusster auftreten. Ich hoffe, dass sich letztlich weder Trump noch Putin als eine Gefahr für den Weltfrieden herausstellen werden.

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