Im Internet tobte ein Kampf, den eine 89-Jährige gewann

Im Internet tobte ein Kampf, den eine 89-Jährige gewann
Eine Holocaust-Überlebende dominierte im Finish die zunehmend wahlkampfentscheidenden sozialen Medien.

Wahlen gewinnt man heutzutage zu einem guten Teil durch Emotionen. Noch vor zwei Wochen dümpelte der längste Wahlkampf der 2. Republik dahin, bis Frau Gertrude, eine 89 Jahre alte Wienerin, erstmals in ihrem Leben auf Facebook auftrat. Eine "Holocaust-Überlebende mischt den Wahlkampf in Österreich auf", resümierte die Süddeutsche. "Entscheidet Oma Gertrude die Ösi-Wahl?", orakelte die Bild.

Frau Gertrude appelliert in diesem Video an die Österreicher: "Die Beleidigungen anderen gegenüber, das Runtermachen, das Schlechtmachen, das stört mich am allermeisten. Das Niedrigste aus dem Volk herausholen und nicht das Anständigste", das sei schon einmal der Fall gewesen. Ruhig erklärt sie, warum für sie deshalb Van der Bellen der bessere Kandidat ist.

"Übles Hetzvideo"

Das kurzes Video der Wienerin auf der Facebook-Seite von Alexander Van der Bellen wurde im Wahlkampf-Finish zum Internetrenner Nummer eins, brachte fast vier Millionen Klicks und viele Emotionen. "Das wohl übelste Hetzvideo, das jemals in diesem Land von einer Partei produziert wurde", urteilte etwa FPÖ Radenthein.

Das Phänomen der Sozialen Medien ist nicht mehr neu in der Politik, vor allem Facebook nimmt aber von Wahl zu Wahl an Bedeutung zu. In keinem anderen Medium gingen die Wogen in diesen elf Monate dauernden Wahlkampf so hoch wie auf der beliebtesten Internet-Plattform. Auf Facebook tummeln sich rund 3,6 Millionen Österreicher, wenn auch in unterschiedlicher Intensität. Das sind rund 41 Prozent aller Internetnutzer in Österreich.

Die jeweiligen Fans beider Kandidaten blieben sich in hochemotionalen und abwertenden Postings und Kommentaren nichts schuldig. Die Nase vorne hatte dabei klar die FPÖ – nicht nur im Vergleich zu Alexander Van der Bellen oder den Grünen Österreichs, sondern auch im Vergleich zu allen anderen politischen Gruppierungen des Landes. Dreh- und Angelpunkt des freiheitlichen Social-Media-Auftritts ist die Seite von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der mit 563.000 "Fans" absoluter Spitzenreiter ist, knapp vor dem unterlegenen FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer mit 310.000 "Fans". Der künftige Bundespräsident Alexander Van der Bellen dagegen hat knapp 260.000 "Freunde".

Neu in diesem Wahlkampf war, dass blaue wie grüne Wahlkampfteams erstmals auch ein "WhatsApp-Service" anboten – ein Kurznachrichtendienst, der kostenfrei über das Mobiltelefon abonniert werden kann.

Neu war auch, dass die FPÖ überwiegend "Nachrichten" der eigenen FPÖ-nahen Internetseiten wie unzensuriert oder wochenblick verbreiteten, die nicht selten von FPÖ-Funktionären gefüllt werden. Diesmal hat das alles für den Sieg des FPÖ-Kandidaten nicht gereicht – aber die Blauen sind mit ihrem Auftritt in den Sozialen Medien bereits jetzt bestens gerüstet für kommende Wahlkämpfe.

Alle aktuellen Informationen und Hintergründe zur BP-Wahl

Kommentare