Warum sich das Bundesheer von einem umstrittenen Feldmarschall trennt

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Ministerin Klaudia Tanner (ÖVP) benennt die Innsbrucker Conrad-Kaserne um. Wie das Bundesheer mit heiklen Kasernennamen umgeht.

Er gehört definitiv nicht zu den Lichtgestalten der österreichischen Geschichte: Feldmarschall Franz Conrad von Hötzendorf (1852 bis 1925) war nicht nur maßgeblich für die Entfesselung des Ersten Weltkriegs verantwortlich, sondern sorgte aufgrund seiner militärischen Fehlentscheidungen auch für die verheerenden Verluste der k.u.k.-Armee in der ersten Kriegsphase. 

Insofern wirkt es nachgerade wie ein Treppenwitz der Geschichte, dass nach dem wenig ruhmreichen Generalstabschef neben diverser Straßen  (etwa in Graz) ausgerechnet eine Kaserne des Bundesheers benannt ist: Das Amtsgebäude Feldmarschall Conrad in Innsbruck, wo sich die Wehrpflichtigen aus Tirol und Vorarlberg zur Musterung einfinden müssen. 

Schon vor längerer Zeit gab es in der breiten Öffentlichkeit wie in Offizierskreisen Bedenken gegen diese Benennung. Nun zieht das Bundesheer einen Schlussstrich: In einem Festakt erfolgte am Mittwoch die Umbenennung der Kaserne.

Umbenennung Bundesheer Amtsgebäude Conrad in Amtsgebäude Steiner in Innsbruck

Sie heißt künftig „Amtsgebäude Steiner“ – in Erinnerung an den Diplomaten und ÖVP-Politiker Ludwig Steiner (1922 bis 2015), der im Zweiten Weltkrieg als Teil der Gruppe O5 in Innsbruck aktiv am Widerstand beteiligt war. 

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Ludwig Steiner

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP): „Mit der Umbenennung würdigen wir den außergewöhnlichen Verdienst von Ludwig Steiner für Österreich und seine bedeutende Rolle in unserer Geschichte. Es ist mir ein großes Anliegen, dass das Wirken von prägenden Persönlichkeiten im Bundesheer weiterhin spürbar bleibt."

Zuletzt mehrere Umbenennungen

Während sich Städte wie Wien und Graz bei der Umbenennung von Straßen, die an historisch problematische Personen erinnern, schwertun, hat das Bundesheer in vergangenen Jahren gleich mehreren seiner Liegenschaften einen neuen Namen verpasst. Freilich oft auch begleitet von emotionalen Debatten. 

  • 2023 wurde die Klagenfurter Windisch-Kaserne in Georg-Goess-Kaserne umbenannt. Alois Windisch war hochdekorierter Offizier der k.u.k.-Armee, im Zweiten Weltkrieg jedoch an Kriegsverbrechen an Jugoslawien beteiligt, weshalb er später von jugoslawischen Gerichten auch verurteilt wurde. Zu Unrecht, wie Kritiker der Umbenennung argumentieren.
  • 2024 wurde aus dem Fliegerhorst Brumowski bei Tulln der Fliegerhorst Leopold Figl – Flugplatz General Pabisch. Der Jagdflieger Godwin Brumowski (1889 bis 1936) flog im Bürgerkrieg 1934 einen Einsatz gegen den Goethehof in Wien. Gegen die Umbenennung hatte vor allem die FPÖ mobil gemacht, die „Cancel Culture“ und eine politische Vereinnahmung des Bundesheeres ortete.
  • Einen anderen Weg ging man bei zwei Kasernen in Wien: Die Stiftskaserne erhielt 2020 den Zusatznamen „General-Spannocchi-Kaserne“. Der Offizier entwickelte das Konzept zur Raumverteidigung im Kalten Krieg. Die Rossauer Kaserne wiederum erinnert seitdem an Robert Bernardis, der am Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 beteiligt war, und an Anton Schmid, der in Wilna hunderte Juden vor dem Tod rettete.
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Umbenennung der Windisch-Kaserne

Eine zentrale Rolle für derartige Umbenennungen spielt die in den 90er-Jahren eingerichtete Militärische Denkmalkommission, ein neunköpfiges Gremium, das die Verteidigungsministerin berät und aus internen wie externen Fachleuten (wie etwa Militärhistorikern) besteht. Die Idee dahinter: Indem man die Entscheidung über solche sensiblen Fragen nicht allein in den Händen des Ministers belässt, will man dem Vorwurf zuvorkommen,  parteipolitische Motive  würden bei  Umbenennungen eine Rolle spielen.  

„Wir beschäftigen uns mit öffentlichen Diskussionen, die an uns herangetragen werden“, schildert der Vorsitzende Dieter Binder, Historiker in Graz, die Arbeitsweise des Gremiums. Auf Basis der Empfehlungen und in Abstimmung mit den lokalen Verantwortlichen treffe dann die Ministerin die Entscheidung. Wobei ihr für eine mögliche Neubenennung ein Dreiervorschlag unterbreitet wird.

Trägheitsmomente und "eklatante militärische Fehlleistungen“

Bei Conrad seien es seine „eklatanten militärischen Fehlleistungen“ und seine Rolle bei Kriegsausbruch, die ihn als Vorbild für eine Armee in einem demokratischen Staat ungeeignet machen würden, so Binder. 

Stellt sich die Frage, warum man erst jetzt zu dieser Erkenntnis gekommen ist. Einerseits, so der Historiker, habe Conrad sehr geschickte PR in eigener Sache betrieben, andererseits verweist er auf „ein gewisses Beharrungsvermögen“ und „institutionelle Trägheitsmomente“ innerhalb des Heeres. 

Wobei die Zahl heikler Kasernennamen in Österreich deutlich geringer ist als in Deutschland. Dies hat mit dem deutlich enger gefassten Traditionserlass zu tun, begründet ein Sprecher des Bundesheeres. Er berücksichtige lediglich Mitglieder der k.u.k.-Armee sowie des Bundesheers der Ersten und Zweiten Republik. Ausgeschlossen sind hingegen Persönlichkeiten mit Karrieren rein in der Wehrmacht, wovon jedoch wiederum Widerstandskämpfer ausgenommen sind. 

Dass sich das Bundesheer mit Umbenennungen leichter tut, wie etwa Städte und Gemeinden (in Graz wird seit Jahren über die Hötzendorf-Straße gestritten), hat für den Heeressprecher einen simplen Grund: Ein neuer Straßenname würde für Anrainer und Verwaltung eine enorme Umstellung (inklusive hoher Kosten) bedeuten. Ein Problem, das sich bei einem einzelnen Heeresgebäude in Grenzen halten würde.  

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