Bund überlegt Kindergrundsicherung: Wie sie aussehen könnte

Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger hält das Ende der Kinderarmut in Österreich für „keine Utopie“.
Österreich könnte das erste Land der Welt sein, das Kinderarmut abschafft. Noch sind allerdings 368.000 Kinder in Österreich von Armut betroffen. Das heißt, dass mittlerweile fast jedes vierte (!) Kind z. B. nicht genug Wohnraum oder kein Geld für Freizeitaktivitäten hat, oder am Monatsende tagelang Toast essen muss, wie Befragungen der Volkshilfe zeigen.
Mithilfe einer sogenannten Kindergrundsicherung könnte man laut Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger die Kinderarmut weitgehend abschaffen. Deutschland hat den Prozess bereits gestartet, dort sind aktuell acht Ministerien in die Einführung einer Kindergrundsicherung involviert.
Aber auch in Österreich kommt immer mehr Bewegung in die Sache. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) hatte erst kürzlich in einem Puls 4-Talk erklärt: „Wir haben eine Reihe von Leistungen für Kinder, die etwas kompliziert sind […], eine Kindergrundsicherung oder ein derartiges Modell würde das auch vereinfachen. Wir arbeiten daran.“
Doch wie könnte die Kindergrundsicherung in der Praxis aussehen, was kostet sie und wie soll der Staat sie finanzieren?
Die Volkshilfe hat bereits ein mögliches Modell entwickelt und getestet. „Laut unseren Berechnungen kostete vor einigen Jahren ein Kind 625 Euro im Monat. In unserem Modell erhält jedes Kind einen Fixbetrag, etwa 200 Euro. Abhängig vom Haushaltseinkommen kommt dazu gestaffelt noch der Differenzbetrag bis zu den 625 Euro“, erklärt Fenninger. Haushalte mit den geringsten Einkommen würden demnach weitere 425 Euro pro Kind bekommen. Voraussetzung dafür wäre allerdings eine Erhebung der Haushaltseinkommen, wie sie etwa schon bei den Teuerungshilfen angeregt, aber nicht umgesetzt wurde.
Bessere Chancen
Kosten würde alleine die Differenzzahlung je nach Haushaltseinkommen (also ohne den Sockelbetrag von 200 Euro pro Kind) etwa 700 Millionen Euro, schätzt Fenninger. Finanzieren würde sich das laut ihm aber über die Jahre praktisch selbst. „Erstens wären auch diverse Transferzahlungen, die es jetzt gibt, abgedeckt. Zweitens sind Kinder, die nicht in Armut aufwachsen, z. B. in der Schule besser, verfügen über mehr Interesse und weniger gesundheitliche Probleme, sie haben also mehr Chancen am Arbeitsmarkt“, sagt Fenninger.
Davon, dass die Eltern das Geld für sich behalten könnten, statt es für ihre Kinder zu verwenden, sei großteils nicht auszugehen, sagt der Volkshilfe-Chef. „Wir wissen aus Erfahrung, dass in den allermeisten Fällen auch in den ärmsten Haushalten die Kinder z. B. das schönste Zimmer haben. In der Regel stecken die Eltern für die Kinder zurück.“ Zwar würde es immer einen gewissen Prozentsatz an Eltern geben, die das Geld für Alkohol oder Drogen ausgeben, das sei aber die Ausnahme. Außerdem würde es auffallen, wenn ein Kind trotz Grundsicherung etwa kein Wintergewand hat.
Umgekehrt habe das Forschungsprojekt der Volkshilfe gezeigt, dass Kinder mit Kindergrundsicherung z. B. wieder Interessen und Wünsche abseits der existenziellen Bedürfnisse, mehr Freunde und bessere Noten haben – und die „Toastzeit“ am Monatsende vorbei ist.Elisabeth Hofer
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