Bürgermeister erzählen: "Fluktuation erschwert nachhaltiges Engagement"
KURIER-Dossier: Wie die Flüchtlingskrise Österreich veränderte
Die Größe macht’s: 357 Menschen leben in der kleinen Gemeinde Blons. Bis zu 21 Flüchtlinge sind seit Jänner 2015 im ehemaligen Gasthaus Adler untergebracht. Das macht Blons zu einem jener Vorarlberger Orte mit den meisten geflüchteten Menschen pro Kopf. Quartiergeber ist ein Privatmann, der das Haus im Ortszentrum zu elf Wohneinheiten ausbauen wollte. Stefan Bachmann, seit 2004 Bürgermeister in der Gemeinde im Großen Walsertal, sprach mit dem KURIER über die Herausforderungen in mehr als einem Jahr Flüchtlingsbetreuung.
KURIER: Herr Bürgermeister, wie viele Flüchtlinge wohnen aktuell in Blons?
Stefan Bachmann: Maximal waren es 21, jetzt sind es 17, wobei elf davon einen Flüchtlingsstatus haben. Die restlichen sechs haben schon einen positiven Asylbescheid und haben jetzt noch die Möglichkeit, vier Monate in dem Haus zu bleiben. Dann müssen sie sich eine Wohnung besorgen.
Wer betreut die Flüchtlinge?
Das gesamte Objekt wurde von der Caritas angemietet. Wir haben damit eigentlich relativ wenig zu tun. Am Anfang war die Zusammenarbeit hervorragend. Gemeinsam haben wir das Projekt der Bevölkerung vorgestellt und eine Willkommens- Veranstaltung gemacht. Dadurch, dass die meisten Flüchtlinge am Anfang Syrer waren, haben sie dann aber relativ schnell einen Asylstatus bekommen. Dann war der Wechsel leider sehr groß - und die Kommunikation mit der Bevölkerung hat rapide abgenommen.
Also die Fluktuation war zu groß, um eine feste Beziehung aufzubauen?
Wenn der Wechsel so groß ist, ist es schwierig, Kontakt zu halten. Einige Ehrenamtliche im Ort haben sich sehr bemüht, aber zuletzt war das nur noch mühsam. Man muss auch noch dazusagen, dass die Caritas gerade am Anfang wirklich tolle Mitarbeiter hatte, die die Herausforderung super gemeistert haben. Aber auch da gab es zwischenzeitlich einen Konflikt. Dadurch, dass es bei uns im Ort relativ wenige Probleme gab, werden hier nicht unbedingt die fachlich besten eingesetzt. Es wird immer mühsamer.
Weshalb? Weil auch die Leute in der Caritas an ihre Grenzen kommen?
Ja, richtig. Wobei ich die auch in Schutz nehmen muss. Der Stab in der Vorarlberger Caritas Flüchtlingshilfe hat inzwischen 200 Beschäftigte. Dass die nicht von null auf hundert alles organisieren können, ist klar. Das klingt jetzt so, als wäre das mit der Zeit nicht besser geworden, sondern eher schlimmer. Bei den Leuten, die jetzt hier sind, liegt das Problem in der Kommunikation. Die sind einfach nicht so offen mit der Kommune umgegangen. Wir müssen natürlich dazusagen, dass wir grundsätzlich keine Probleme hatten.
Wie ist das Verhältnis zwischen Blonsern und Flüchtlingen?
Es gibt immer solche und solche. Also wir haben dann schon geschaut, dass die Stimmung nicht kippt. Am Anfang war der Großteil dafür, zuletzt nicht mehr. Das liegt aber auch an dem ständigen Wechsel. Von den Syrern, die den Aufenthaltstitel bekamen, sind schnell viele wieder weg. Wir liegen auf 900 Metern Seehöhe, das ist für viele nicht so attraktiv und ungewohnt.
Welche Befürchtungen und Vorurteile gab es denn am Anfang?
Ja, das ist vielleicht im ländlichen Raum auch etwas anders. Ein paar ältere Leute dachten, die Flüchtlinge hätten einen Caritas-Tarif, mit dem sie rund um die Uhr telefonieren könnten. Solche Gerüchte haben wir gemeinsam mit der Caritas bereits am Informations- und Willkommensabend entkräften können. Natürlich ist es immer so eine Sache mit diesen Veranstaltungen: Wer kommt, wird informiert, wer nicht kommt eben nicht. Aber von den rund 350 Einwohnern kamen rund 150.
Wie ist aktuell die Stimmung in der Bevölkerung?
Also wir haben nach wie vor keine Probleme. Das liegt vielleicht auch daran, dass die Zahl der Flüchtlinge immer geringer wird. Von den 17 werden laut Heimbetreiber am Ende vielleicht noch zwei, drei übrig bleiben. Das hängt von dem Status der Heimbewohner ab. So wie es derzeit aussieht, wird das Objekt bald nicht mehr als Flüchtlingsheim gebraucht.
Sollten Ihrer Meinung nach Flüchtlinge auch künftig in kleineren Gemeinden untergebracht werden, oder sind größere Einheiten hier zielführender?
Eine Situation wie Traiskirchen möchte natürlich niemand haben. Kleinere Einheiten halte ich persönlich für geeigneter. Wir haben in der Umgebung auch Gemeinden, die Betriebshallen umgebaut haben – und ich habe auch von anderen Bürgermeistern gehört, was das für eine Riesenherausforderung ist. Teilweise sind Familien in diesen Hallen untergebracht – und was Kindergarten und Schule betrifft: oft sind die Voraussetzungen gar nicht gegeben. Da geht‘s dann nur mit guter Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden.
Haben Sie als Bürgermeister das Gefühl, von Land und Bund genügend informiert worden zu sein?
Also ganz am Anfang waren wir schon selbst auf der Hut, weil es geheißen hat, dass auch Familien kommen würden. Wir haben in Blons neben der Volksschule auch eine Mittelschule und insofern hätten wir natürlich vorplanen müssen. Am Ende waren es dann aber hauptsächlich Männer, und der Bedarf war nicht so groß wie anfangs befürchtet. Wo gibt es Ihrer Meinung nach noch Nachholbedarf auf Bundes- bzw. Landesebene? Bei einer Rückführung haben wir mal ein Erlebnis gehabt, dass an einem Sonntagabend plötzlich mehrere Polizeiautos vorgefahren sind. Das sind Sachen, die die Bevölkerung - insbesondere in so einem kleinen Dorf - extrem beunruhigen. Weshalb es zu dem Einsatz kam, hat man dann erst im Nachhinein erfahren. Aber ich verstehe, dass es schwierig ist, so einen Einsatz im Vorhinein anzukündigen. Wobei man sagen muss, dass es bis dato keinerlei strafrechtlichen Vorfälle gegeben hat. Einmal gab es einen Hungerstreik, der dann auch relativ schnell wieder eingestellt wurde.
Stefan Bachmann ist seit 2004 Bürgermeister in Blons.
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