Tiefrote Zahlen: Warum Österreich wieder im Budgetchaos steckt

HG FINANZMINISTERIUM: "AKTUELLE SITUATION DES STAATSHAUSHALTS" - MARTERBAUER
Österreich schlittert noch tiefer in die Haushaltskrise, Finanzministerium und Länder bedenken einander mit Schuldzuweisungen. Welche Fehler beide Seiten gemacht haben.

Das Budgetdefizit fällt auch heuer höher aus als erwartet. Statt der geplanten 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) dürfte der Wert wohl auf 4,9 Prozent klettern – vielleicht noch höher. Während der Bund um 0,3 Prozentpunkte oder eine Milliarde Euro besser abschneiden soll als geplant, macht das Minus von Ländern und Gemeinden den Budgetpfad zunichte. Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) hat die schlechte Botschaft bereits bestätigt.

Um die Situation aber genau beurteilen zu können, benötigt er noch Detailangaben der Gebietskörperschaften. Darauf pocht auch Finanzstaatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl (ÖVP) am Mittwoch beim Ministerrat. Das Problem: Während Finanzministerium (BMF) und die Länder monatlich den Budgetvollzug aktualisieren, melden die Gemeinden ihre Werte nur quartalsweise. Aber warum steckt Österreich überhaupt, wie im Vorjahr, in dieser Situation? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

War vorherzusehen, dass der Budgetpfad heuer nicht hält?

Bis vor wenigen Tagen betonten das BMF und auch der Fiskalrat noch das Gegenteil. Was auffällt: Das BMF hatte ursprünglich für alle Länder und Gemeinden ein Defizit von 4,8 Milliarden Euro eingeplant. Doch Wien ging zu Jahresbeginn bereits von einem Minus von bis zu 3,8 Milliarden Euro aus. Alle anderen Länder und Gemeinden hatten demnach nur noch einen Schulden-Spielraum von einer Milliarde. Aus Wiener Sicht war dieser Voranschlag des BMF nicht nachvollziehbar.

Wie hoch ist die Neuverschuldung von Ländern und Gemeinden tatsächlich?

Derzeit kursiert ein Wert von insgesamt rund sieben Milliarden. Wien dürfte trotz Einsparungen auf 3,2 Milliarden kommen. Niederösterreich und die Steiermark liegen wohl bei einem Minus von nur knapp unter einer Milliarde. Im Westen und im Burgenland sind die Prognosen weniger schlimm. Es sei wichtig, nicht alle Bundesländer über einen Kamm zu scheren, betont Eibinger-Miedl.

Wie will das BMF nun für mehr Klarheit sorgen?

Die Steiermark hat derzeit den Vorsitz der Landeshauptleutekonferenz inne. Finanzlandesrat Willibald Ehrenhöfer (ÖVP) vertritt die Länder in Budgetfragen nach außen. Er behauptet in der Kleinen Zeitung, die Bundeszahlen nicht nachvollziehen zu können. Marterbauer hat sich wiederum in einem Schreiben an Ehrenhöfer gewandt und um genaue Informationen aus den Ländern gebeten. Man warte auf eine baldige Rückmeldung, heißt es aus dem BMF.

Was bedeutet die Situation für die Verhandlungen zum Stabilitätspakt?

Der Stabilitätspakt regelt, wie stark sich die Gebietskörperschaften neuverschulden dürfen – nicht zu verwechseln mit dem Finanzausgleich, der die Aufteilung der Bundesmittel regelt. Bisher laufen die Gespräche sehr schleppend. Vergangenen Freitag war ein Treffen geplatzt, nachdem die Länder „aus Termingründen“ abgesagt hatten. Grund dürfte viel eher die verschlechterte Budgetlage gewesen sein. Das BMF drängt in den Verhandlungen vor allem darauf, die Budgetzahlen der Gemeinden künftig schneller zu bekommen – bisher ohne Erfolg. Ändert sich das nicht, liegen Marterbauer wohl wieder erst im März die finalen Daten vor.

Wie ist das Verhältnis zwischen SPÖ-Ministerium und dem roten Wien?

Angespannt. Insider berichten, dass vor allem Wien das BMF bei den Verhandlungen zum Stabilitätspakt teils scharf kritisierte. Das Finanzressort würde versuchen, der Hauptstadt „den Schwarzen Peter“ zuzuschieben. Am Mittwoch attackiert Christian Deutsch, Wiens Vorsitzender des Gemeinderatsausschusses für Finanzen, Eibinger-Miedl öffentlich: „Die Staatssekretärin behauptet ahnungslos, dass das Defizit der Stadt Wien auf 3,2 Milliarden Euro gestiegen sei.“ Das Gegenteil sei wahr: Wien habe das Defizit auf 3,2 Milliarden gesenkt.

PG ZUR VORSCHAU AUF DEN STAATSHAUSHALT 2026: MARTERBAUER / EIBINGER-MIEDL / SCHELLHORN

Wie sieht es innerhalb der Regierung aus?

SPÖ-Vertreter geben hinter den Kulissen den ÖVP-geführten Ländern und der blauen Steiermark die Schuld, die ÖVP Wien. Öffentlich versuchen türkise und rote Regierungsvertreter wiederum zu kalmieren. Neos-Klubobmann Yannick Shetty nimmt „alle“ Bundesländer in der Verantwortung. Und die Opposition? Die FPÖ meint, der Bund wolle sich an den Ländern abputzen, während die Grünen die Hauptverantwortung – wie schon 2024 – bei den „intransparenten“ Ländern verorten.

Welche Sparmaßnahmen drohen nun?

Eibinger-Miedl will noch keine Maßnahmen kommentieren. Die SPÖ könnte auf eine Erhöhung von Grundsteuer oder Wohnbauförderung drängen.

Was sagen Ökonomen?

Hanno Lorenz vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria meint, alle hätten ihre Hausaufgaben nicht erledigt: „Selbst wenn das Bundesbudget besser laufen sollte als im März geplant, bleibt es tiefrot. Und das mit Rekordeinnahmen, die in Europa ihresgleichen suchen. Der Elefant im Raum sind die Ausgaben.“ Die Schuldzuweisungen in der Budgetdramatik seien verantwortungslos – und die Entwicklung Wiens fatal: „Die Neuverschuldung hat sich gegenüber 2024 fast verdoppelt, und 2024 war schon kein gutes Jahr. 2025 droht der Schuldenstand der Stadt damit um 25 Prozent zu steigen“, so Lorenz.

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