Brandstätters Blick: 2019 – Demokratie auf dem Prüfstand
Winston Churchill war einer der bedeutendsten Staatsmänner der Geschichte, er war auch ein begnadeter Redner und Autor, für seine historischen Werke hat er 1953 den Literaturnobelpreis gewonnen. Aber eines seiner Zitate darf man schon hinterfragen: „Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen, außer all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert wurden.“ Churchill erklärte das 1947 als einfaches Mitglied des britischen Parlaments, zwei Jahre zuvor war er nach dem Sieg gegen Hitler-Deutschland abgewählt worden – Dankbarkeit ist keine politische Kategorie. Der Kriegspremier, der später nochmals Regierungschef wurde, hatte in dieser Rede aber noch einen wichtigen Satz gesagt: „Niemand tut so, als sei die Demokratie perfekt oder allwissend.“
Mangelnde Perfektion ist wichtig in der Demokratie. Nur autoritäre Systeme bieten angeblich allwissende Führer an. Demokratie ist harte Arbeit aller Beteiligten, ständige Auseinandersetzung um die besten Wege, die oft Kompromisse sind, um die Gesellschaft nicht zu spalten.
2019 – Jahr der Bewährung
Hier stehen einige demokratische Staaten vor harten Bewährungsproben, gerade im Jahr 2019, allen voran die USA. Dort haben die Verfassungsväter die Gewaltenteilung, die „checks and balances“, besonders geschickt formuliert, ganz im Sinne der Aufklärung. Es ist kein Zufall, dass sich viele kluge Köpfe gerade jetzt mit der Aufklärung beschäftigen. Philipp Blom hat bei den Salzburger Festspielen darüber gesprochen, der Psychologe Steven Pinker fordert „Aufklärung jetzt“, während andere Autoren vor politischen Bewegungen und Führern warnen, die nur mit den Emotionen der Menschen spielen.
Das hat auch Donald Trump nun lange genug gemacht, im kommenden Jahr wird er auf die Untersuchungen des Sonderermittlers Mueller reagieren und das inzwischen demokratisch dominierte Repräsentantenhaus ernst nehmen müssen. Dazu kommt, dass die Börsen weiter verrückt spielen werden, wenn er die unabhängige Notenbank angreift. Das wird vielleicht sogar er begreifen.
Demokratie muss liberal sein
Die unabhängigen Institutionen einer Demokratie in den Griff bekommen, das wollen alle autoritären Politiker. Die Medien kann Trump nur beschimpfen, Ungarns Viktor Orbán ist da schon viel weiter. Aber auch der Freund der „illiberalen Demokratie“ merkt, dass das noch nicht jeden Widerstand wegräumt. Das Gesetz über die Überstunden hat einen Protest ausgelöst, den er in seiner Überheblichkeit nicht erwartet hatte. Und obwohl es die ungarische Regierung Vereinen der Zivilgesellschaft wirklich schwer macht, gibt es noch viele Menschen, die sich organisieren.
Die Europäische Union hat in diesem Jahr Verfahren nach Artikel 7 gegen Ungarn und Polen eröffnet, um das Funktionieren des Rechtsstaates zu überprüfen. Der Rechtsstaat, also das richtige Zustandekommen von Gesetzen und das geregelte Zusammenspiel der staatlichen Institutionen ist Grundlage der Demokratie.
Die bevorstehende Wahl zum Europäischen Parlament wird eine gute Gelegenheit, die Parteien nach ihrem Zugang zu Demokratie und Rechtsstaat zu prüfen. Wer sich gegen europäische Kontrolle wehrt, hat ein schlechtes Gewissen. Umso mehr werden rechte und rechtsextreme Parteien mit den Gefühlen der völkischen Zugehörigkeit ihre Missachtung des Rechtsstaats zu überspielen versuchen. Da wird es an den anderen Gruppierungen liegen, zu erklären, dass die europäischen Werte der Menschenrechte universal sind, also für alle gelten. Auch das gehört zur Aufklärung.
Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier meinte eben, in der Demokratie ist man „immer der Gefahr ausgesetzt, dass auch der andere mal recht haben könnte“. Wenn sich dieser Gedanke durchsetzt, dann ist diese Regierungsform in jedem Fall die denkbar beste. Darüber müssen wir 2019 in Österreich sprechen: Demokratischer Streit ist notwendig, er muss auf Augenhöhe geführt werden.
Demokratien können „dahinsiechen und durch ein Wimmern sterben“ schreiben zwei Harvard-Professoren. Darüber mehr in der kommenden Woche. Guten Rutsch.
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