Brandstätter: "Werde unabhängigen Journalismus immer verteidigen"
Im Frühjahr 2010 war es keine leichte Entscheidung, meine erfolgreiche Kommunikationsagentur aufzugeben, um in den Journalismus zurückzukehren. Die Freiheit des Unternehmers war mir wichtig, die Herausforderung, mit ausgezeichneten Journalistinnen und Journalisten eine unabhängige Tageszeitung gestalten zu dürfen, war aber noch reizvoller.
Bevor ich am 1. August 2010 in die Redaktion kam, traf ich den großen Publizisten Hugo Portisch, der ja selbst KURIER-Chefredakteur war und im Jahr 1964 mit dem ORF-Volksbegehren einen unabhängigen Rundfunk erreichte. Conny Bischofberger, damals KURIER-Autorin, hat uns gemeinsam in Portischs Haus in der Toskana interviewt. Ich habe dieses Gespräch immer wieder gelesen, weil es so viele Hinweise und auch Mahnungen für die tägliche Arbeit enthält. Auf die Frage, was eine gute Zeitung ist, meinte Portisch: „Eine Zeitung, die mich nicht kalt lässt, eine Zeitung die Fakten liefert, diese aber auch richtig einordnet.“
Und worauf müssen Journalistinnen und Journalisten achten? Hugo Portisch: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Wo immer die Würde des Menschen in Frage gestellt wird, muss man auf die Barrikaden gehen. Der Kampf gegen Ungerechtigkeit, gegen Vorurteile, gegen Neidgenossenschaften, gegen Angstmacherei ist die Hauptaufgabe einer Zeitung.“
Der digitale Wandel
Das technische Umfeld hat sich in diesen neun Jahren massiv verändert. Digitale Plattformen vernetzen die Menschen und bieten permanent Informationen an, die Redaktionen mussten sich darauf einstellen, und der KURIER ist dafür sogar in ein neues Gebäude übersiedelt und bietet mit schauTV auch Fernsehinformationen. Der finanzielle Druck steigt, das gilt für alle Medienhäuser, die Werbung hat andere Möglichkeiten gefunden, und die Bereitschaft der Konsumenten, für gute journalistische Arbeit gutes Geld zu bezahlen, nimmt nicht unbedingt zu.
Aber das ändert nichts an den Grundsätzen, die Hugo Portisch formuliert hat, und die auch im Redakteursstatut festgeschrieben sind. „Der KURIER betrachtet sich als Instrument der demokratischen Meinungsbildung im Sinne einer umfassenden Informationsfreiheit.“ Hier müssen wir alle in Österreich wachsam bleiben. Die Demokratie wurde uns geschenkt, aber sie ist nicht garantiert. Die sozialen Medien sollten uns stärker miteinander verbinden, führen aber oft dazu, dass Menschen gegeneinander aufgehetzt werden. Das nützt jenen in der Politik, die nur auf Emotionen setzen, um Sachdebatten, bei denen sie keine Antwort haben, zu verhindern.
In Ruhe arbeiten lassen
Hier setzt die Aufgabe des unabhängigen Journalismus ein. Er war immer wichtig, tat sich früher aber finanziell leichter. Und die Politik muss lernen, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren und die Medien einfach in Ruhe arbeiten lassen. Wenn das erreicht wird, sind wir bei der Wahrung der Demokratie schon ein Stück weiter. Aber man kann und muss sich auch wehren.
Ich bedanke mich bei den Leserinnen und Lesern und beim gesamten Team des KURIER für neun gemeinsame Jahre. Ich bedanke mich für alle Mails, gerade auch die kritischen, die mich in meinen Gedanken weitergebracht haben. Künftig werde ich akzeptieren müssen, was über mich geschrieben wird. Und in anderer Rolle unabhängigen Journalismus immer verteidigen.
Helmut Brandstätter verlässt am 31. Juli den KURIER und wechselt in die Politik.
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