Blindenverbände in Wien und Berlin fordern lautere Fahrgeräusche von E-Autos

Midsection of young blind man with white cane walking across the street in city.
Batterieelektrische Fahrzeuge müssen bis 20 km/h ein künstliches Fahrgeräusch erzeugen

Ein gewichtiges Pro-Argument der Elektromobilität ist der leise Motor. Innenstädte könnten wieder erblühen, das öffentliche Leben auch an viel befahrenen Straßen wieder attraktiv werden, etwa am Wiener Gürtel, wenn der Großteil der Fahrzeuge elektrisch und leise ist.

Doch genau das ist auch ein neues Problem: Wir haben uns an laute Autos mit mehr oder minder röhrenden Verbrennermotoren insofern gewöhnt, als dass beim Überqueren der Straße nicht nur die Augen, sondern auch die Ohren zurate gezogen werden. Mit Elektroautos würde dieser Aspekt zu einem Gutteil wegfallen – und damit die Sicherheit gefährden, wenn man sich nicht sicher sein kann, ob man ein tonnenschweres Auto überhört. Um die Menschen an die stilleren E-Autos zu gewöhnen, gibt es seit 2021 die Pflicht für

E-Autos für das Warnsystem AVAS (Acoustic Vehicle Alerting System). Dabei handelt es sich um einen eigenen Geräusch-Generator in den Fahrzeugen, der Fahrgeräusche erzeugt, die einem Verbrennungsmotor ähneln. Es wird aber nur bei geringen Geschwindigkeiten abgestrahlt, um Verkehrsteilnehmer über das rollende Fahrzeug zu informieren. Ab einer Geschwindigkeit zwischen 20 km/h und 30 km/h (sowie beim Rückwärtsfahren) sind die Wind- und Rollgeräusche der Reifen des Fahrzeuges laut genug, um ausreichend zu warnen – so war jedenfalls die Idee.

Laut wie Verbrenner

Doch das reicht nicht, sagen die Blindenverbände in Österreich und Deutschland: „Beim Verbrenner kann man hören, wie stark jemand aufs Gas drückt, ob ein Fahrzeug sanft oder kräftig beschleunigt“, sagte der Präsident des deutschen Verbandes, Hans-Werner Lange. Das AVAS sei nicht so gut herauszuhören und müsse aussagekräftiger werden. „Dabei wäre es hilfreich, wenn die Industrie sich am gewohnten Verbrennergeräusch orientiert.“

Gegenüber dem KURIER heißt es in Wien: „Wir vertreten dieselbe Position wie unsere deutschen Kolleginnen und Kollegen, die Europäische Blindenunion (EBU) und die Weltblindenunion (WBU)“, sagt Markus Wolf, Präsident des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Österreich. „Wir sind froh, dass es ein akustisches Warnsignal gibt, aber die Bestimmungen dazu gehen uns leider nicht weit genug. Die EBU und wir haben damals gefordert, dass ein Geräusch bis 40 km/h verpflichtend sein muss, es nicht nur 56 Dezibel betragen soll und vom Fahrzeuglenker nicht abgeschaltet werden darf. Wir haben leider nur ein Kompromiss erreichen können, haben jetzt nur ein künstliches Geräusch bis 20 km/h mit 56 Dezibel und der Lenker kann das Geräusch gleich nach dem Losfahren ausschalten. Für die Sicherheit der blinden und stark sehbehinderten Personen bräuchten wir mehr und fordern daher auch mehr, wie auch der DBSV“.

Aus dem Verkehrsministerium von Leonore Gewessler hieß es dazu gegenüber dem KURIER, für Verbesserungen sei die Ministerin „immer offen“.

Übrgens hat eine Studie der „Unfallforschung der Versicherer“ von 2022 gezeigt, dass mit der steigenden Zahl an E-Autos das generelle Unfallrisiko steigen könnte. Eine Anpassung des Geräuschmoduls AVAS sei demnach nötig.

Bernhard Gaul

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