Protokoll von Blau-Türkis. Der Zwischenbericht der Koalitionsverhandler zeigt viele Themen im Konsens – aber auch große Brocken, die sehr weit weg von einer Einigung sind
223 Seiten hat das dem KURIER vorliegende, aktuellste Dokument der blau-türkisen Regierungsverhandler.
Der Großteil der möglichen Maßnahmen ist im Konsens, vieles wird an andere Verhandlergruppen delegiert (etwa an die Finanzgruppe), oft sind nur Forderungen der Volkspartei oder der Freiheitlichen gelistet, und dann gibt es jene Passagen in tiefroter Schrift, wo es keine Einigung, also einen Dissens gibt.
Dass dieses interne Dokument überhaupt öffentlich wurde, ist sicher keine vertrauensbildende Maßnahme. Aber was steht konkret in dem „Protokoll“, das nicht mehr als ein Zwischenbericht ist?
Die 13 „UG-Kapitel“ (Untergruppen) sollen von Verfassung und Deregulierung (UG1) bis zur Untergruppe 13 „Landwirtschaft, ländlicher Raum, Umwelt und Klimapolitik“ die nächsten viereinhalb Jahre Regierungszeit regeln. Solche Koalitionsverträge waren schon in der Vergangenheit immer die „Bibel“ der Koalitionsparteien – alles, was dort vereinbart wurde, kann umgesetzt werden, alles andere muss erst verhandelt werden.
Bereits bekannt sind für die Volkspartei nicht akzeptierbare Maximalforderungen der FPÖ wie ein Aussetzen der EU-Beflaggung von Amtsgebäuden, ein Ende der Absetzbarkeit des Kirchenbeitrags oder ein Aus der Pflichtmitgliedschaft bei Arbeiter- und Wirtschaftskammer samt Aus für die Kammerumlage 2.
Doch selbst bei vermeintlich einfachen Themen wie Asyl und Migration finden sich zahlreiche dunkelrot markierte Passagen der Verhandler. Die Freiheitlichen möchten das Asylrecht per Notgesetz aushebeln, Flüchtlinge an der Grenze abweisen (Pushbacks legalisieren) und EuGH-Urteile nicht umsetzen (geht nur mit EU-Austritt). Bekannt ist auch die FPÖ-Idee, dass Asylwerber nur minimal gesundheitlich versorgt werden sollen.
Fraglich auch die Forderung nach einem strikten Migrationsmodell nach dänischem Vorbild. Hier sind die Vorzeichen andere, denn als die EU Anfang der 1990er-Jahre entschieden hat, Migrationspolitik zu einer europäischen Gesamtaufgabe zu machen, hat sich Dänemark ein sogenanntes Opt-out ausbedungen. Das bedeutet: Dänemark muss nicht bei allen Regeln mitmachen und darf sich bestimmte Rechte vorbehalten. Diesen Sonderstatus hat sich Österreich (oder Deutschland) vertraglich nicht zugesichert. Strittig sein dürfte auch der blaue Wunsch nach einer Aufkündigung des UN-Flüchtlingspakts. Größter Knackpunkt bleibt, wer im Innenressort für Polizei, Geheimdienste und Asyl zuständig sein wird. Das Ressort wollen beide.
Dunkelrot ist die FPÖ-Position nach einer „stufenweisen Abschaffung der ORF-Haushaltsabgabe“ samt neuer Führungsstruktur des Rundfunks und viel weniger Budget.
Beim Thema Luftraumüberwachung und Luftraumverteidigung will die FPÖ, dass nicht einmal der Begriff „Sky Shield“ im Regierungsprogramm auftaucht. Die Blauen wollen das EU-Abwehrsystem jedenfalls verhindern, die ÖVP will es umsetzen und ausbauen. Für Dissens sorgt zudem die FPÖ-Idee für einen Ausstieg aus der Nato-Partnerschaft für den Frieden.
Strittig ist die FPÖ-Forderung, den Grundwehrdienst wieder auf 10 Monate zu verlängern und den Zivildienst gleich auf 14 Monate.
Im Bereich Krankenkassen und Pensionen ist sehr viel im Konsens. Es finden sich aber auch blaue Forderungen wie „Aufarbeitung und schonungslose Analyse der Corona-Zeit“ oder „Kein Beitritt zum Pandemievertrag der WHO“, die für die Volkspartei kaum akzeptierbar sind.
Bildung
Spannend ist die Einigung im Bildungskapitel auf „Mitwirkungspflichten der Eltern und Erhöhung der Sanktionen z. B. Kürzung von Sozialleistungen bei wiederholten Verletzungen oder Vernachlässigungen ebendieser Pflichten“.
Dissens gibt es kaum – wenn dann nur beim Thema Gendern oder dem „Ausbau ganztägiger Schulangebote bei lückenlosem Erhalt der Wahlfreiheit der Eltern“. Im Konsens ist die Forderung „Deutsch vor Schuleintritt“ – wie immer das dann umgesetzt werden soll.
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