Doch was genau ist damit gemeint?
Zur Erinnerung: Genau eine solche hat es 2019 erstmals, nämlich im Anschluss an die Ibiza-Krise gegeben.
Nachdem Bundeskanzler Sebastian Kurz die Koalition mit der FPÖ aufgekündigt hat, wurde er im Mai 2019 als erster amtierender Bundeskanzler mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und der "Liste Jetzt" aus dem Amt gewählt.
Das Kabinett Bierlein
Daraufhin beauftragte Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs Brigitte Bierlein mit der Bildung einer Expertenregierung.
Dies gelang. Bierlein wurde im Juni als erste Bundeskanzlerin angelobt und führte die Amtsgeschäfte mit partei-unabhängigen Experten an der Spitze der Ministerien bis zur Nationalratswahl bzw. genauer: bis zur Angelobung der neuen Bundesregierung unter Sebastian Kurz im Jänner 2020.
Wäre eine solche Regierungsform auch jetzt eine Variante?
Das grundlegende Problem bzw. die wesentliche Voraussetzung für eine Expertenregierung ist, dass diese von einer Mehrheit im Parlament unterstützt wird. Doch das ist - und hier beginnen die Schwierigkeiten - längst nicht absehbar.
Im Unterschied zu 2019 ist unklar, ob bzw. welche im Parlament vertretenen Parteien der momentan mit der Verwaltung betrauten Regierung unter Alexander Schallenberg weiter vertrauen würden. Eine Experten- bzw. Übergangsregierung kann nur so lange arbeiten, so lange sie nicht von einer Mehrheit im Parlament abgewählt wird. Und eine solche Mehrheit haben die nach wie vor von ÖVP und Grünen nominierten Bundesminister seit 29. September nicht mehr.
Ob die FPÖ und andere Parlamentsparteien Schallenberg und sein Team weiter im Amt lassen würden - und vor allem: mit welchem Ziel? - ist derzeit völlig offen.
Denn vorerst sind die Einschätzungen und Wünsche der im Parlament vertretenen Parteien durchaus unterschiedlich.
Die SPÖ zum Beispiel stellt sich auf ein mögliches Scheitern der blau-türkisen Verhandlungen ein. Die Wunsch-Option der Roten besteht aber nicht in einer Expertenregierung und raschen Neuwahlen, sondern in einer Wiederaufnahme der Anfang Jänner gescheiterten Verhandlungen mit ÖVP und Neos. Im Vorfeld der aktuellen SPÖ-Gremiensitzung wurde an die teilnehmenden Genossen sogar ein entsprechendes Wording ausgegeben - nur für den Fall, dass sie auf dem Weg in die Parteizentrale von Medienvertretern abgefangenen werden. „Unsere Hand bleibt ausgestreckt“, heißt es darin wortgleich mit den jüngsten Aussagen von Parteichef Andreas Babler. Und weiter: „Wir appellieren an die vernünftigen Kräfte in der ÖVP – nehmen wir die Verhandlungen wieder auf.“
Bei der SPÖ ist man überzeugt, dass man mit einem neuen Anlauf in Richtung Zweier- oder Dreierkoalition am schnellsten der politische Stillstand überwinden könne, schließlich habe man mit Volkspartei und Neos ja schon viele fertige Inhalte ausverhandelt. Mit einer Neuwahl würden hingegen wieder Monate ohne handlungsfähige Regierung ins Land ziehen.
Erst als zweite Variante, wenn die ÖVP nicht dazu bereit sei, würde die SPÖ auch eine Expertenregierung unterstützen, wie Babler in einer Videobotschaft am Montag bekräftigt.
Auch wesentliche Vertreter der Volkspartei rechnen damit, dass nach einem allfälligen Scheitern der Verhandlungen von FPÖ und ÖVP noch einmal alle Parteien bis auf die FPÖ an einen Tisch kommen, um über eine Regierung zu verhandeln.
Die Schwierigkeit dabei: ÖVP und Neos glauben wenig bis gar nicht daran, dass mit der Babler-SPÖ nun gelingen kann, was zum Jahreswechsel gescheitert ist.
So will Neos-Chefinl Beate Meinl-Reisinger offiziell zwar nicht ausschließen, dass man wieder verhandelt. Die zweite und dritte Reihe hinter ihr ist aber, gelinde gesagt, mäßig begeistert von der Vorstellung, erneut mit der Babler-SPÖ zu verhandeln. "Das wären einfach weitere verlorene Wochen", sagt ein früherer Verhandler zum KURIER.
Grüne für alles offen
Einzig die Grünen geben sich in alle Richtungen offen, wie es weitergeht - ob Expertenregierung, Neuverhandlungen oder Neuwahlen: „Alles ist besser als das, was mit einem Kanzler Herbert Kickl drohen würde.“
Bleibt die Frage: Wie sieht eigentlich die Hofburg das Ganze?
Auf KURIER-Anfrage gibt man sich bedeckt. "Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet", heißt es im Büro von Van der Bellen. Auf Spekulationen, ob eine Expertenregierung oder doch Neu-Verhandlungen wahrscheinlicher seien, will sich das Staatsoberhaupt erst gar nicht einlassen.
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