Bioethik-Chefin: Impfpflicht nur für Gesundheitspersonal und über 60-Jährige

CORONAVIRUS: PK "PRO UND CONTRA ZUR ÖFFNUNGSSTRATEGIE": DRUML
Christiane Druml plädiert für ein Umdenken: Jene, die besonders gefährdet sind, müssten geschützt werden. Und das noch bevor die Welle im Herbst kommt.

Die Impfpflicht steht im Mai ein weiteres Mal auf dem Prüfstand: Die vier Experten einer Kommission müssen wieder einen Bericht abliefern, ob eine Impfpflicht medizinisch sinnvoll und rechtlich möglich wäre. Im März wurde die Impfpflicht wegen der Omikron-Variante ausgesetzt (mehr dazu hier) – und dazu könnte es nun wieder kommen. 

Eine Impfpflicht für alle ist ein massiver Grundrechtseingriff, der entsprechend zu rechtfertigen wäre: Die Omikron-Variante ist bekanntlich viel infektiöser als ihre Vorgänger - auch Geimpfte stecken sich an und geben das Virus weiter. Der modifizierte Impfstoff wird erst im September erwartet. Was die aktuellen Impfstoffe aber nach wie vor können: Sie schützen gut vor schweren Verläufen. 

Christiane Druml, Vorsitzende der Bioethik-Kommission, rät deshalb zu einem Umdenken: So wichtig sie sei, um die Pandemie zu bewältigen, sei die allgemeine Impfpflicht immer die „ultima ratio“. Die Bioethik-Kommission habe schon seit längerem empfohlen, sich vordringlich auf einzelne Gruppen zu fokussieren, sagt sie, und nennt konkret Gesundheitsberufe (inklusive Apotheker), Personen ab 60 Jahren und Risikopatienten aller Altersgruppen.  

„Das Ziel muss sein, das Gesundheitssystem vor einer Überlastung zu schützen. Indem man jene impft, die bei einer Corona-Erkrankung am ehesten schwer erkranken bzw. jene, die beruflich mit vulnerablen Gruppen zu tun haben, könnte man einen guten Effekt erzielen“, sagt Druml. 

In Italien, Deutschland und anderen Ländern gebe es bereits gute Erfahrungen mit der Impfung als Berufsvoraussetzung für Gesundheitsberufe. Die Impfpflicht für über 60-Jährige ist im deutschen Bundestag kürzlich gescheitert, in Italien wurde kürzlich eine Impfpflicht ab 50 Jahren eingeführt.

"Signal, dass Bevölkerung geschützt ist"

Die Regierung sollte schon vor dem Sommer noch einmal eine Kampagne starten, um die Menschen freiwillig zur Impfung zu bringen – gerade für jene, die besonders häufig mit dem Virus konfrontiert oder besonders gefährdet sind. Die Botschaft müsse sein: „Die Nutzen/Risiko-Abwägung spricht für die Impfung“, sagt Druml. 

Die Regierung dürfe sich im Sommer jedenfalls nicht zurücklehnen und abwarten, bis die neue Welle – womöglich durch eine neue Variante – kommt. „Es stimmt schon, dass wir keine Glaskugel haben und nicht mit Sicherheit wissen, was kommt. Aber schon aus ethischer Sicht braucht es das Signal, dass die Bevölkerung und das Gesundheitssystem gut geschützt sind und eine Impfung für eine langfristige, effiziente Pandemiebekämpfung sorgt“, betont die Chefin der Bioethik-Kommission. 

Von Laer ebenfalls für teilweise Impfpflicht

Ähnlich argumentierte auch die Virologin Dorothee von Laer am Donnerstag im Gesundheitsausschuss: Von Laer regte ebenfalls an, die Impfpflicht auf über 60-Jährige zu beschränken, wie die Parlamentskorrespondenz berichtete.

Man könne das Virus nicht ausrotten, eine Impfpflicht für besonders vulnerable Gruppen könnte aber dazu beitragen, das Gesundheitssystem vor einer Überlastung zu bewahren, so die Virologin. Schließlich würden Impfungen gut vor schweren Krankheitsverläufen schützen und damit Hospitalisierungen deutlich reduzieren.

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