Beim Puppenspielen Vokabeln lernen
"Es schwingt die Ferse, es schwingt das Knie", klingt ein Lied aus der kleinen Musikanlage. Die acht Kinder zwischen sechs und acht Jahren wippen im Takt der Musik, zuerst auf der Ferse, dann kreisen sie ihre Knie. Alle Blicke sind dabei auf Martina Eibensteiner gerichtet. Sie ist die Sprachförderlehrerin in der Volksschule Mengergasse in Wien–Floridsdorf. "Jetzt schwingen die Hüften", heißt es im Lied: Pädagogin Eibensteiner zeigt es vor, die Kinder machen es lächelnd nach.
So schaut er also aus, der Deutsch-Förderunterricht in Wien. Kinder, die nicht ausreichend Deutsch können, um dem Regelunterricht zu folgen, müssen mitmachen. Obwohl: Die siebenjährige Farah plaudert inzwischen schon fröhlich auf Deutsch. Sie fragt den KURIER-Fotografen, ob sie auch einmal durch den Sucher schauen darf, und ist fasziniert vom Zoom der Profi-Kamera. "Farah hat erst im vergangenen Herbst begonnen, Deutsch zu lernen", erzählt die Lehrerin stolz. Und dann habe man erst bemerkt, dass sie noch viel mehr kann: Kurdisch, Arabisch, jetzt Deutsch – und auch schon ein bisschen Englisch.
Neue Wörter
Nach dem "Aufwärmspiel" setzen sich die Kinder im Kreis. Jetzt müssen Ariel, Magdalena, Mohamed, Larissa und ihre Mitschüler Vokabeln pauken. Rund 1000 Wörter umfasst der deutsche Wortschatz, der in etwa benötigt wird, damit die Kinder einigermaßen verstehen, was rund um sie passiert. Die Lehrerin legt eine Puppe und eine Kiste mit Puppenkleidung in die Mitte. "Das habe ich mir von meiner Tochter ausgeborgt." Reihum müssen die Kinder ein Kleidungsstück nehmen und es benennen. "Das ist eine Hose", sagt Utku vorsichtig, ganz sicher scheint er sich nicht zu sein. "Sehr gut", lobt seine Lehrerin. Und der Kleine sagt noch: "Die Hose ist blau."
Daheim sprechen diese Kinder Somali, Bengalisch, Arabisch, Kurdisch, Türkisch, erzählt Margret Sharifpour vom Sprachförderzentrum Wien. Die Sprachstartklassen sind verpflichtend. Rund elf Stunden pro Woche wechseln die Kinder von ihrer regulären Klasse zum Deutsch-Förderunterricht – jedenfalls in Wien, in jedem Bundesland ist das anders geregelt.
Rund ein Fünftel bis ein Viertel aller Schulkinder haben eine andere Umgangssprache als Deutsch, in Wiener Volksschulen sind es über 50 Prozent.
Und wie lange brauchen die Kinder, um fit für den Unterricht zu sein? Sehr unterschiedlich, sagen Eibensteiner und Sharifpour. Die einen saugen die neue Sprache auf wie ein Schwamm. Andere wieder brauchen mehr als zwei Jahre, was sich meist mit ihren bisherigen Lebenserfahrungen erklären lässt – Krieg, Verfolgung, Flucht. "Manche Kinder sprechen anfangs nur im Flüsterton und sind sehr verängstigt", sagt Eibensteiner. Können die Kinder auch am Nachmittag einen Hort besuchen oder sich in einem Sportverein engagieren, beschleunige das den Spracherwerb massiv.
Nun soll das Fördersystem ausgebaut werden – eine gute Idee? "Mehr ist immer gut", sagt Sharifpour. "Die Kinder haben damit sicher kein Problem", meint Eibensteiner. Bis die Reform greift, sind ihre Schützlinge aber sicher schon fit für die Schule.
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