"Der Terror ist Gotteslästerung"

"Der Terror ist Gotteslästerung"
Beatrix Mayrhofer über Terror und warum junge Muslime oft orientierungslos sind.

KURIER: Schwester Beatrix, Ostern ist das Fest der Hoffnung. Wie kann man in einer Terrorwoche wie dieser, noch Hoffnung schöpfen?

Schwester Beatrix: Wann braucht man die Hoffnungsbotschaft notwendiger als im Angesicht des Terrors? Hoffnung ist die Gegenbotschaft zum Terror, der versucht, uns die Perspektive zu nehmen, sowie uns in ein Gefühl der Bedrohung, und der Unterwürfigkeit zu versetzen. Der Focus ist jetzt natürlich auf den Opfern in Brüssel. Gleichzeitig sterben Tausende in Syrien oder in Eritrea, deren Schicksal uns gar nicht berührt.

Ist das eine unterschwellige Kritik, dass der Tod eines Europäers mehr zählt als der eines Syrers oder Afrikaners?

Es ist der Versuch aufmerksam zu machen, dass wir eine Menschheitsfamilie sind. Wir sollten immer hinterfragen: Was sind die Gründe für die Terroranschläge? Diese Attentate haben ihre Wurzeln. Ich denke mir oft, was passiert im Leben eines 26-Jährigen, dass er zum Terroristen wird?

Die Attentäter morden im Namen Gottes. Ist das Gotteslästerung für Sie?

Da ist eine Gotteslästerung und eine schauderbare Verwendung des Wortes Gott. Das ist Blasphemie und Perversion. Im Namen Gottes zu Töten ist eine Verhöhnung Gottes.

"Der Terror ist Gotteslästerung"
Schwester Beatrix Mayrhofer
Sie waren viele Jahre an einer sogenannten Brennpunktschule Direktorin mit Kindern aus 40 verschiedenen Nationen und 20 unterschiedlichen Glaubensrichtungen. Wie vermitteln Sie den Kinder die Botschaft, den Glauben in friedlicher Weise zu praktizieren?

Wir setzen einerseits stark auf die Bildung, andererseits machen wir auf jene Botschaft aufmerksam, die alle Religionen gemeinsam haben – den Frieden. In unserer Schule gibt es beispielsweise das multikulturelle Friedensgebet, wo jeder auf seine Weise und in seinen Formeln Seite an Seite mit seinen Freunden für den Frieden betet.

Registrieren Sie bei den muslimischen Schülern an Ihrer Schule, dass sich das Wertebild in den letzten Jahren im Vergleich zu früher verändert hat?

Meine Wahrnehmung ist, dass es verstärkt ein Ringen um die Identität bei unseren Schülern gibt. Sie fragen sich: Wer bin ich denn eigentlich? Wo gehöre ich hin? Ihre Rollenbilder beziehen die jungen Menschen aber noch aus der Form, wie der Islam in Pakistan, Afghanistan, Indonesien oder Marokko gelebt wird. Das sind aber ganz unterschiedliche Ausprägungsformen des Islams. Wir würden dringend sehr gute muslimische Lehrer benötigen, die den jungen Menschen helfen, den Islam zu reflektieren und die Botschaft des Korans in den europäischen Kontext zu übersetzen. Da sind die meisten völlig überfordert und hilflos. Die Jugendlichen möchten gerne treue Moslems sein, wissen aber nicht, wie das in Europa aussieht. Zusätzlich brauchen wir aber auch das gelebte Zeugnis des lebendigen Christentums. Auch unsere christlichen Schüler sollten ihren Glauben verstehen. Fragen Sie heute die Menschen auf der Straße,was wir zu Ostern feiern. Die meisten werden keine Antwort geben können, weil wir uns so lange keine Mühe mehr gemacht haben, die Glaubensinhalte zu transportieren.

Bei einem Auftritt in der ZiB24 haben Sie vor Kurzem, die Obergrenze und die Zäune in Europa stark kritisiert. Wenn es in Europa keine Solidarität gibt und die Terrorangst immer größer wird, wie soll man den Flüchtlingsstrom eindämmen? Auch wenn man im Herzen als Europäer keine Zäune will ...

Ich glaube, jene die in Europa Terror verbreiten wollen, kann kein Zaun abhalten. Sperrt man die große Masse dafür hinaus, damit man einen möglichen Terroristen verhindert? Trotzdem würde ich hoffen, dass es stimmt, dass niemand im Herzen Zäune will. Wenn das so ist, dann bin ich überzeugt, dass wir mit Verstand praktische Lösungen finden. Die diffuse Angst vor dem Fremden, die Sorge um die Arbeitsplätze und die Zukunft bedroht uns derzeit am meisten in Europa. Panisches Zumachen ist für mich keine Lösung. Was sich in Idomeni abspielt, halte ich fast nicht mehr aus. Es ist unerträglich, wenn ich sehe, dass ein Baby im Regenwasser gewaschen wird. Was wird aus den Kindern, die jetzt jahrelang keine Bildung bekommen?

Was ist Ihre Lösung?

Wenn ein Land nach dem anderen sagt: Wir wollen keine Flüchtlinge. Klar, dann bleiben Österreich, Deutschland und Schweden übrig. Aber ich denke, auch bei uns könnte noch mehr Hilfsbereitschaft da sein. Wenn sich jeder ein Herz nimmt, und versucht eine Familie aufzunehmen oder sich um sie zu kümmern, dann wäre schon viel gewonnen. Außerdem kann ich nur an die europäische Bischofskonferenz appellieren: "Christen macht den Mund auf und unterstützt die Regierungen für positive Lösungen."

Sind Sie manchmal über den harten Flüchtlingskurs der ÖVP verwundert? Darf sich die ÖVP eigentlich noch christlich-sozial nennen?

Der Kurs wundert mich auch in Bezug auf die Bezeichnung christlich-sozial. Er wundert mich aber gar nicht nicht im Hinblick auf die kommende Wahl. In dem Moment, wo es um Wahlen geht, geht es um eine Optimierung des Ergebnis und nicht um das, was eine christliche Botschaft ist. Deswegen müssen engagierte Christen sagen, aber das Evangelium sagt …

Was sollte die Botschaft von Papst Franziskus am Ostersonntag sein?

Ich könnte mir vorstellen und ich hoffe es, dass Franziskus sagt: "Fürchtet euch nicht. Lasst euch nicht einschüchtern. Lebt das Evangelium, lebt die Botschaft von Ostern und lebt das Bewusstsein, dass die Liebe stärker ist als der Tod. "

Findet Papst Franziskus in diesen schwierigen Zeiten immer die richtigen Botschaften?

Franziskus ist für mich wie eine Osterkerze. Er zieht eine Lichtspur durch das Wirrwarr unserer Gesellschaft, wo er ganz unbeirrt sagt: "Hört was Jesus verkündet, und setzt es in eurem persönlichen Bereich um." Aber er ist auch politisch unterwegs. Die Aufweichung der Fronten zwischen USA und Kuba verdanken wir Franziskus.

Beatrix Mayrhofer (69) hat ihr Leben Jesus Christus und der Schule gewidmet.Bis 2010 war sie Direktorin im Gymnasium des Schulzentrum der Armen Schulschwestern in der Friesgasse in Wien-Rudolfsheim. Hier wird vor allem die Integration großgeschrieben. 40 Muttersprachen sprechen die Schüler.

Nach der Pensionierung wurde Schwester Beatrix 2013 zur Präsidentin der österreichischen Frauenorden gewählt.In Österreich gibt es rund 3800 Ordensfrauen an. Neues Buch. Soeben ist ein Buch über das Leben von Ordensfrauen erschienen. Die vielfältigen Biografien geben den Einblick in eine wenig bekannte Welt "Ein bisserl fromm waren wir auch". Styria Verlag um 24,90 Euro

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