Asylrecht: Kneissls Außenministerium kritisiert Kickls Entwurf scharf

PK "PRÄSENTATION DER NEUEN KAMPAGNE DER FPÖ": KICKL
Das FPÖ-geführte Außenministerium wittert Menschenrechtsverletzungen, die Rechtsanwältekammer Verfassungswidrigkeiten.

Das Völkerrechtsbüro des Außenministeriums hält dem Innenministerium vor, dass Teile des Fremdenrechtspakets im Widerspruch zu internationalen Menschenrechtsverpflichtungen stehen - konkret die Verschärfung für straffällige jugendliche Asylwerber und die Verlängerung der Staatsbürgerschafts-Wartefrist für Asylberechtigte. Scharfe Kritik daran üben auch die Rechtsanwälte und die SOS Kinderdörfer.

Die von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vorgelegte Fremdenrechtsnovelle 2018 sieht vor, dass für jugendliche Straftäter im Asylrecht dieselben Konsequenzen gelten wie für Erwachsene - vom Ausschluss aus dem Familienverfahren über Verlust des Aufenthaltsrechts bzw. Status des subsidiär Schutzberechtigten bis hin zur Abschiebung. Dabei schreibt das Jugendgerichtsgesetz vor, dass Jugendlichen die Chance auf Resozialisierung nicht durch zusätzliche, zur Strafe hinzutretende Folgewirkungen erschwert oder unmöglich gemacht werden soll.

Widerspruch zu Menschenrechten

Diesen Grundsatz für den Asylrechts-Bereich aufzuheben steht "mit Österreichs internationalen Menschenrechtsverpflichtungen im Widerspruch", stellt das Völkerrechtsbüro im von Karin Kneissl (FPÖ) geführten Außenministerium fest - und verweist auf die Kinderrechtskonvention. Die SOS Kinderdörfer erinnern an den Anlass dieser Regelung: Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich kürzlich festgestellt, "dass dieser besondere Schutz selbstverständlich für alle Jugendlichen in Österreich gilt, unabhängig von Herkunft oder Aufenthaltsstatus".

Ein "Spannungsverhältnis" zur Genfer Flüchtlingskonvention sieht das Völkerrechtsbüro darin, dass anerkannten Flüchtlinge künftig (wie Migranten auch) zehn statt bisher sechs Jahre auf die Staatsbürgerschaft warten sollen. Die GFK schreibe die beschleunigte Einbürgerung von Flüchtlingen vor. Deshalb sollte man zumindest nur auf acht Jahre verlängern, wird in der Stellungnahme empfohlen.

"Es gibt daher aktuell keine budgetäre Bedeckung für Deutschkurse für AsylwerberInnen" wird zudem trocken zur Tatsache mitgeteilt, dass auch aussichtsreiche Asylwerber keinen Rechtsanspruch mehr auf Sprachkurse haben, sondern diese nur unter Berücksichtigung der finanziellen Ressourcen bekommen sollen. Und erklärt: Im jetzt zuständigen Außenministerium sei man bei der Budgeterstellung davon ausgegangen, dass sich darum das damals zuständige Innenministerium kümmert.

Rechtsanwälte gegen mehrere Maßnahmen

Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) fordert, sowohl die Verschärfung für straffällige junge Asylwerber als auch die verlängerte Staatsbürgerschafts-Wartefrist ersatzlos zu streichen. Die Rechtsanwälte sehen noch andere bedenkliche Punkte: Dass (künftig automatisch als gestellt geltende) Asylanträge hier Neugeborener ohne nähere Befassung der Behörden zurückgewiesen werden, wenn über einen Elternteil eine "aufenthaltsbeendende Maßnahme" verhängt wird, steht im "groben Widerspruch" zur mit der EU-Asyl-Verfahrensrichtlinie gebotenen Einzelfallprüfung. Bei Kinderflüchtlingen hätten die Behörden sogar eine besondere Ermittlungspflicht.

Verfassungswidrig könnte zudem die Verkürzung weiterer Fristen für Beschwerden (etwa gegen "aufenthaltsbeendende Maßnahmen" oder gegen Aberkennung von Asyl) von vier auf zwei Wochen sein. Der Verfassungsgerichtshof habe schon dreimal verkürzte Beschwerdefristen in Asylverfahren aufgehoben, merken die Rechtsanwälte an.

Die SOS Kinderdörfer kamen in Summe zum Schluss: Der Entwurf nehme "in keinerlei Art und Weise auf Kinderrechte und die Bedürfnisse von besonders vulnerablen Personen, zu welchen insbesondere unbegleitete aber auch begleitete minderjährig Flüchtlinge gehören, Rücksicht. Dadurch wird das Kindeswohl der betroffenen Kinder gefährdet." Kritisiert wird zudem, dass in der Vorlage Kickls der Anschein erweckt werde, "als handle es sich bei asylwerbenden Personen pauschal um Menschen, welche den österreichischen Staat ausnutzen oder kriminelle Tendenzen haben würden".

Paket wird mehr Kosten und Arbeit verursachen

Das von Kickl vorgelegte Fremdenrechtspaket verursacht den Behörden mehr Arbeit und mehr Kosten. Asylwerbern Bargeld und Handys abzunehmen muss durchgeführt, Daten ausgelesen, dokumentiert und verwaltet werden - und nicht alle werden das widerspruchslos hinnehmen. Das ohnehin überlastete Bundesverwaltungsgericht erwartet einen starken Anstieg der Beschwerdeverfahren.

Das Innenministerium selbst rechne (laut Vorblatt) mit zwischen 5.000 und 15.000 oder noch mehr zusätzlichen Verfahren. Für das Bundesverwaltungsgericht würde das - niedrig geschätzt - zehn Prozent mehr neu anhängigen Fälle bedeuten. Damit würde der "Rucksack" vergrößert, warnt Präsident Harald Perl. Schon jetzt übersteigen die anhängigen Verfahren die Abschlüsse bei weitem: Aktuell verzeichne das BVwG (durch den Rückstandsabbau des Bundesamts für Asylwesen) 38.000 offene Verfahren, für heuer seien weitere 40.000 bis 42.000 zu erwarten - weit mehr als die 29.200 Verfahren, die das BVwG 2017 abschließen konnte.

Um trotzdem einen "effektiven Verfahrensablauf zu ermöglichen" - Ziel von Kickls Paket sind ja eigentlich schnellere Verfahren -, müsste der Personalstand des Gerichts "jedenfalls ausgebaut werden": Ein Anstieg um 1.000 Verfahren entspreche der Arbeitsleistung von sieben Gerichtsabteilungen. Im Bundesfinanzrahmen sei das nicht vorgesehen. Und dazu kämen noch Verfahrenskosten: Dolmetscher, Zeugen- und Beteiligtengebühren sowie Rechtsberater kosten pro Asylverfahren am BVwG durchschnittlich 454 Euro. Das macht 454.000 Euro für 1.000 Beschwerdeverfahren, rechnet Perl vor.

Auch der Österreichische Rechtsanwaltskammertag befürchtet, dass die - im Entwurf als Ziel genannte - Beschleunigung der Verfahren "unrealistisch ist, insbesondere da den zuständigen Behörden über weite Strecken zusätzliche Aufgaben überantwortet werden".

Der Städtebund macht sich ebenfalls Sorgen über einen "weiteren nicht vorherzusehenden Anstieg von Anträgen und damit verbundenen Arbeitsaufwand" - der "ohne zusätzliche Personalressourcen kaum zu bewältigen sein wird". Die Stadt Wien hat ausgerechnet, was Eintreibung, Verwaltung und Verrechnung des geplanten Grundversorgungsbeitrags der Asylwerber kosten würde: 2,057.386 Euro Mehrkosten bei 15.000 Antragstellern. Um diese abzudecken, müsste jeder Asylwerber 257 Euro (120 müssen jedem belassen werden) bei sich haben. Viele führen jedoch wenig bis kein Geld mit sich, merkten auch Grüne Landesräte und die Agenda Asyl an - weshalb diese Maßnahme weit mehr Kosten verursachen werde als abgedeckt werden könne. Ein Beitrag zur Grundversorgung sei damit nicht zu erwarten.

Kosten zu Ländern verschoben?

Das Land Salzburg hat in der Begutachtung noch eine weitere finanzielle Frage aufgeworfen - nämlich ob der Grundversorgungs-Beitrag (der ganz beim Bund verbleiben soll) nicht eine Kostenverschiebung bewirkt, "hinsichtlich derer den Ländern voller Kostenersatz zu leisten ist". Denn Salzburg fürchtet, dass der Aufwand der Länder für die Grundversorgung steigt - wenn der Bund nur mehr den Kostenbeitrag kassiert, die Asylwerber aber nicht mehr auf Hilfsbedürftigkeit überprüft.

Die Fremdenrechtsnovelle dürfte zudem ein Fall für das - mit der am 25. Mai in Kraft tretenden EU-Datenschutzgrundverordnung - neue Datenschutzrecht werden. Die Datenschutzbehörde stellt die Frage in den Raum, ob eine Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) durchgeführt werden muss. Denn bei der Auswertung der Handys könnten Daten gefunden werden, die "wesentliche Auswirkungen auf die Lebensführung der betroffenen Person haben" - wenn sich nämlich (was das Innenministerium als Zweck nennt) herausstellt, dass der Asylwerber in einen anderen Dublin-zuständigen Staat rückgeführt werden kann.

Insgesamt seien in dem Entwurf "datenschutzrechtliche Aspekte (Löschung, Datenminimierung, etc.) im Gesetzesentwurf vielfach ignoriert und teils missachtet" worden, obwohl die EU-Verordnung demnächst in Kraft tritt. Besonders bedenklich sei die Informationspflicht für Ärzte, wenn abzuschiebende Ausländer aus dem Krankenhaus entlassen werden, kritisiert auch die Rechtsanwaltskammer, die diesbezüglich die Bedenken der Ärztekammer gegen eine Verletzung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht unterstützt.

Neos fordern Maßnahmen gegen Lehrlingsabschiebungen

Die NEOS fordern von der Regierung Maßnahmen gegen Abschiebungen von Flüchtlingen, die gerade eine Lehre absolvieren. Konkret schwebt Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn die Umsetzung der deutschen "3plus2"-Regelung in Österreich vor. Flüchtlinge erhalten dabei die Möglichkeit, die Ausbildung abzuschließen und eine zweijährige Anschlussbeschäftigung auszuüben.
 

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