Bereits zwei Monate nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine startete das Innenministerium eine „Aktion scharf“. Laut Innenministerium stiegen die Aufgriffe illegaler Migranten schon kurz nach Kriegsbeginn und man musste reagieren. „Die Vertriebenen-Richtlinie sicherte Ukrainern einen unkomplizierten Zugang zum Arbeitsmarkt. Schlepper machten auch in anderen Ländern Werbung für ein offenes Europa. Das war Marketing“, so Karner.
Um dem entgegenzutreten, wurden drei Schwerpunkte identifiziert: die Bekämpfung der Schleppermafia, Grenzkontrollen sowie die Verfahrensbeschleunigung an den Grenzen. Mit Erfolg, wie man im Innenministerium findet: Wurden im November 2022 noch rund 12.000 Asylanträge in Österreich registriert, waren es im Februar dieses Jahres „nur mehr“ 2.600.
Den derzeitigen Wert als generellen Trend zu interpretieren, dürfte aber nicht plausibel sein. „Bei den Flüchtlingsbewegungen muss man immer auch saisonale Effekte berücksichtigen“, erklärt Migrationsforscherin Judith Kohlenberger von der Wiener Wirtschaftsuniversität (WU). Sie verweist auf Italien, wo bei wärmeren Temperaturen die Ankünfte wieder steigen.
Eine entscheidende Rolle spiele zudem, dass Serbien auf Druck der EU vor einigen Monaten strengere Visaregeln eingeführt hat. Menschen aus Indien oder Tunesien können nun nicht mehr visafrei in den Balkanstaat einreisen. Die Zahl der Migranten aus den betroffenen Nationen ging dadurch in der EU stark zurück.
Viele der Asylwerber aus diesen Herkunftsländern hätten in Österreich aber ohnehin nur geringe Chancen auf einen Aufenthaltstitel gehabt. Laut Karner sind zwischen Mai 2022 und März 2023 von 110.000 illegal aufgegriffenen Migranten 25.000 in sogenannten Eil- und Schnellverfahren abgewiesen worden. „So viele wie noch nie in einem Jahr“, betont der Innenminister. Bei dieser Verfahrensart werden besonders aussichtslose Fälle innerhalb von 30 Tagen entschieden.
Einmal mehr verteidigte Karner die Verlängerung der umstrittenen Grenzkontrollen zu Ungarn und Slowenien. Diese seien seit 2015 in Kraft und müssten das auch bleiben, um dem Migrationsdruck zu begegnen.
Kontrolliert wird dabei nicht nur an der Landesgrenze: 160 Polizisten aus Österreich sind an den Grenzen in Serbien, Nordmazedonien und Griechenland bzw. auf ungarischem Boden im Einsatz.
In den vergangenen Monaten sind allein in Ungarn 30.000 Personen durch österreichische Kräfte kontrolliert worden. 149 Schlepper konnten so festgenommen werden. Der Fokus auf Ungarn ist damit zu erklären, dass seit März des Vorjahres die mit Abstand meisten illegalen Migranten (75.000) im Burgenland aufgegriffen wurden.
Flüchtlinge, die über Slowenien nach Österreich kommen, seien hingegen eine kleine Gruppe, merkt Kohlenberger an. Zudem weist sie auf unerwartete Nebeneffekte der strikten Grenzpolitik hin: „Mehr Kontrollen führen zwangsläufig auch zu mehr Asylanträgen.“ Ein Durchwinken gebe es dann nicht mehr.
Hinzu komme, dass mehr Menschen auf den gefährlicheren Seeweg ausweichen. Ihr zufolge sei es zuletzt sogar zu Fällen gekommen, bei denen Menschen versuchten, auf dem Seeweg von der Türkei nach Italien zu kommen. „Das Problem verlagert sich einfach“, analysiert die Migrationsforscherin.
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