Asyl: Verhandlungen zwischen türkiser "Härte" und blauer "Schikane"

Asyl: Verhandlungen zwischen türkiser "Härte" und blauer "Schikane"
In den Koalitionsverhandlungen soll die FPÖ gefordert haben, Gesundheitsleistungen für Asylwerber auf ein Minimum zu reduzieren. Theoretisch machbar, sagt Europarechtler Obwexer.

Auf den ersten Blick scheinen ÖVP und FPÖ beim Asylthema recht einig: Beide wollen einen härteren Kurs – inklusive mehr Abschiebungen und weniger Familiennachzug. In den bisherigen Verhandlungen gestaltet sich das Thema aber doch komplizierter, ist aus der ÖVP zu hören. 

Einerseits stelle sich die Frage der Machbarkeit. Nicht alles, was die FPÖ sich vorstellt bzw. in ihrem Wahlprogramm gefordert hat, sei rechtlich umsetzbar oder praktikabel. Vom rechtsextremen Kampfbegriff „Remigration“ ganz zu schweigen. Und andererseits: „Wir sind dabei, wenn es darum geht, streng, hart und gerecht vorzugehen. Aber manches, was die FPÖ vorschlägt, grenzt an Schikane.“

Ein aktuelles Beispiel wäre der blaue Vorstoß, der über die Krone publik wurde: Aus „Verhandlerkreisen“ wird berichtet, dass die medizinische Versorgung von Asylwerbern auf eine Notversorgung beschränkt werden soll. Dafür soll ihnen auch ein „kleiner Beitrag“ aus der Grundversorgung abgezogen werden. Zudem soll ein anerkannter Flüchtling nur dann vollen Zugang zum Gesundheitssystem bekommen, wenn er gewisse Integrationskriterien erfüllt. Angeblich wurde dazu ein rechtliches Gutachten in Auftrag gegeben.

„Gewisser Spielraum“

In der FPÖ werden derlei Pläne weder bestätigt noch dementiert. ÖVP-Innenminister Gerhard Karner wollte sich am Rande eines Medientermins nicht äußern, betonte aber grundsätzlich, dass er „sehr stolz darauf“ sei, „in einem Land zu leben, wo Menschen, die krank sind, auch versorgt werden. Das wird auch in Zukunft so sein.“ Da, wo ein System missbraucht werde, wolle er das bekämpfen.

Aber geht das überhaupt – die Gesundheitsversorgung für Asylwerber einschränken? 

„Der Gesetzgeber hat einen gewissen Spielraum“, sagt Europarechtler Walter Obwexer. Laut einer EU-Richtlinie, die Mindeststandards für die Versorgung festlegt, haben Asylwerber ein Recht auf „notwendige medizinische Behandlung“. Welche Leistungen das genau sind, dazu gibt es vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) keine Entscheidungen. 

Es sei jedenfalls davon auszugehen, dass es mehr ist als nur eine „Notfallversorgung“, aber weniger als die Leistungen, die einem Inländer mit gesetzlicher Krankenversicherung zustehen, erklärt der Europarechtler.

36 Monate Wartezeit in Deutschland

In Deutschland gibt es bereits eine Regelung: Für Asylwerber gilt eine Wartezeit, die erst im Vorjahr von 18 auf 36 Monate erhöht wurde. In dieser Zeit haben sie keine Krankenversicherung, sondern gehen mit einem „Behandlungsschein“, der über die Kommunen abgerechnet wird, zum Arzt. Inkludiert sind Behandlungen bei akuten Krankheiten und Schmerzen, die medizinische Versorgung von Schwangeren und Wöchnerinnen, empfohlene Schutzimpfungen sowie Vorsorgeuntersuchungen für Kinder und Jugendliche. Zahnersatz wird nur gedeckt, wenn er aus medizinischen Gründen nicht aufschiebbar ist.

Die deutsche Regierung erhofft sich Einsparungen im dreistelligen Millionenbereich, Studien geben das aber nicht her: Als erwiesen gilt, dass gesundheitliche Probleme sich verschlimmern, wenn sie verschleppt werden – und damit wird langfristig auch die Behandlung teurer. Hinzu kommt, dass jemand, der gesundheitlich nicht fit ist, auch dem Arbeitsmarkt nicht voll zur Verfügung steht.

Diskriminierung

Die kolportierten Pläne der Koalitionsverhandler haben ihre Grenzen: Bei Asylberechtigten zu kürzen, sei nicht möglich, sagt Europarechtler Obwexer und erinnert an ein Urteil des EuGH in Bezug auf Oberösterreich: Dort sollte nur dann die volle Wohnbeihilfe ausbezahlt werden, wenn Integrationsvorgaben eingehalten werden. „Das war eine verbotene Diskriminierung“, sagt Obwexer. Asylberechtigten stehen dieselben Leistungen zu wie Österreichern und EU-Bürgern.

Unter „Schikane“ verbuchen türkise Verhandler übrigens auch die blaue Idee, Asylwerbern für die Notversorgung etwas vom Taschengeld abzuzwacken. Zumal sie derzeit – unter der Voraussetzung, dass sie gemeinnützige Arbeit leisten – nur 40 Euro im Monat erhalten.

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