Asfinag-Vorstand: "Unsere Brücken sind Baby-Boomer“

Asfinag-Vorstand Hartwig Hufnagl
Hartwig Hufnagl über das Ende der Klebevignette 2027, den möglichen Baustart für den Lobau-Tunnel und ob die Parteifarbe des Verkehrsministers einen Unterschied macht.

Seit 2019 ist Hartwig Hufnagl Asfinag-Vorstand, seit fünf Jahren E-Autofahrer. Im Innenpolitik-Podcast Milchbar erklärt er, was „nachhaltige Mobilität“ ist.

KURIER: Wie viel nimmt die Asfinag jährlich mit der Pkw-Vignette und Lkw-Maut ein?

Hartwig Hufnagl: Im Geschäftsjahr 2024 haben wir mit Mautprodukten rund 2,5 Milliarden Euro eingenommen. Ungefähr zwei Drittel kommen aus der Lkw-Maut, ein Drittel aus der Jahres- bzw. Tagesvignette und den Streckenmauten. Dazu kommen noch Umsätze von unseren Pachtgründen und Enforcement-Geldern (Strafen; Anm.). In Summe generieren wir knapp drei Milliarden Euro.

Was machen Sie mit den Milliarden?

Wir reinvestieren die Einnahmen, weil wir ja ein umfangreiches Bauprogramm zu stemmen haben. Wir planen in 6-Jahres-Zyklen und haben gerade erst das Bauprogramm 2026 bis 2031 mit einem Investitionsvolumen von 12,5 Milliarden Euro verabschiedet.

Teile der Einnahmen gehen an den Bund. Von welchen Größenordnungen sprechen wir da?

Wir sind körperschaftssteuerpflichtig und schütten jährlich eine Dividende an den Bund aus. Der Fiskus verdiente im letzten Jahr rund 900 Millionen Euro mit der Asfinag. Durchschnittlich beträgt die Dividende 250 Millionen Euro, 2025 lag die Dividende bei 305 Millionen Euro – bei einer Eigenkapitalquote von 47 Prozent durchaus berechtigt.

Die Wirtschaft kritisierte zuletzt die Erhöhung der Lkw-Maut. Was halten Sie dem entgegen?

Aus Sicht der Spediteure ist das natürlich nachvollziehbar. Wir verlangen Maut, weil die Infrastruktur dementsprechend benutzt wird. Dafür stellen wir auch Rastanlagen und eine sichere Infrastruktur zur Verfügung.

Letztes Jahr war die Asfinag vermehrt mit der Tauernautobahn in den Medien. Auf welchen Stau müssen wir uns in den Ferien einstellen?

Ich rufe unseren Slogan in Erinnerung: „Baustellen vergehen, Fortschritt bleibt“. Wenn wir diesen hochqualitativen Zustand unseres Infrastrukturnetzes auch die nächsten Jahrzehnte aufrechterhalten wollen, dann bedarf es jährlicher und gezielter Investitionen. All unsere Streckenabschnitte, Brücken und Tunnelanlagen sind in einem sehr guten Zustand. Nur 0,94 Prozent unserer Assets werden mit „Nicht genügend“ beurteilt, mehr als zwei Drittel mit „Sehr gut“ bis „Befriedigend“.

Gilt die Benotung auch für die über 5.000 Brücken?

Die Brücken sind in einem durchaus sehr guten Erhaltungszustand. Unsere Brücken sind Baby-Boomer – also großteils in den 1960er- und 1970er-Jahren entstanden und am Ende ihres Lebenszyklus angelangt, weshalb viele Brücken nun im Bau- und Sanierungsprogramm zu finden sind.

Hartwig Hufnagl mit Bernhard Gaul, Johanna Hager

Wer beurteilt, ob etwas „Sehr gut“ ist?

Das ist eine Kerndisziplin der Asfinag. Über hundert Erhaltungsmanager prüfen Straßenoberflächen und Tunnelanlagen. Brücken werden abgeklopft und mit Drohnen gesichtet. Wir haben Monitoring-Systeme und Sensoren, die akkurat Auskunft darüber geben, wie der Gesamtzustand ist und welche Materialermüdungserscheinungen es gibt. Bei Brücken beginnen wir schon zwölf Jahre im Voraus mit Planungsmaßnahmen, damit wir am Ende des Lebenszyklus die betriebswirtschaftlich und technisch richtigen Maßnahmen treffen. Baustellen wird es immer geben. Es ist wie bei anderen Investitionen – beim normalen Häuslbauer oder Hotelier – notwendig, um den Erhalt sicherzustellen.

Die Asfinag wirbt damit, ein „nachhaltiger Mobilitätspartner“...

...es klingt wie ein Paradoxon, dass ein Straßen- und Infrastrukturbetreiber nachhaltig wirken kann, aber wir tun es. Unsere gesamte Pkw-Flotte ist umgestellt und dekarbonisiert, jetzt nehmen wir die Leicht- und Schwer-Lkws in Angriff.

Hartwig Hufnagl

Ihr Dienstwagen ist ein E-Auto? 

Ja, ich fahre seit über fünf Jahren rein elektrisch. Wir versuchen, auch nachhaltig zu bauen. Das heißt: Wenn wir eine große Sanierung anstreben, dann schauen wir, dass wir den Asphalt auf der Strecke abtragen, diesen zertifizieren, granulieren und wieder in die Straße oder den Belag einbauen. Die Baustelle bei Mondsee-Thalgau entspricht zum Beispiel zu 100 Prozent Kreislaufwirtschaft.

Die Umweltminister der EU haben dafür gestimmt, die Emissionen in den kommenden 15 Jahren um 90 Prozent zu reduzieren. Halten Sie das für möglich?

Ich glaube, es ist nicht unmöglich, aber eine Riesenherausforderung, in der es ein Zusammenspiel von ganz verschiedenen Segmenten geben wird müssen. Wir werden unseren Beitrag dazu leisten und entlang der Autobahnen und Schnellstraßen die Infrastruktur für Elektromobilität zur Verfügung stellen. Wir wollen im kommenden Jahr 22 Asfinag-Rastplätze mit Ladepunkten mit einer Leistung zwischen 6 und 12 Megawatt Peak ausstatten.

2026 wird zum letzten Mal die Vignette geklebt. Warum?

Ich bin dankbar dafür, dass der Gesetzgeber beschlossen hat, dass wir eine digitale Vignette bekommen. Wir reden von der Digitalisierung des Führerscheins, des Zulassungsscheins und jetzt der Vignette. Vom Habitus ändert sich wenig. Man geht in eine der 3.500 Vertriebsstellen, gibt sein Kennzeichen bekannt, bestätigt, bezahlt und fertig.

Dass die Vignette jedes Jahr mehr kosten muss ...

...das ist im Bundesstraßen-Mautgesetz so festgeschrieben. Die Vignette wird jährlich valorisiert, ist 2026 feuerrot und kostet 106,80 Euro. Man kann um 29 Cent pro Tag Autobahnen, Schnellstraßen mit allem Drumherum nutzen. Ich glaube, das ist ein fairer Preis.

LOBAUTUNNEL WIRD DOCH GEBAUT - GRÜNES LICHT VON VERKEHRSMINSITER HANKE: HANKE/HUFNAGL

Seit 2019 sind Sie Vorstand der Asfinag, wissen also wie es ist mit einem Infrastrukturminister der FPÖ (Norbert Hofer), der Grünen (Leonore Gewessler) und der SPÖ (Peter Hanke) zu arbeiten. Macht das einen Unterschied?

Es macht keinen Unterschied, weil alle drei Minister, so wie ich sie kennengelernt habe, Profis sind.

Bei Bauprojekten gibt es doch wohl Unterschiede – Stichwort Lobau-Tunnel, den Peter Hanke evaluieren ließ.

Bauprojekte sind immer evaluiert worden, ich erinnere mich an erste Evaluierungen unter der Ägide von Monika Forstinger (FPÖ, Anm.), Werner Faymann und Doris Bures (beide SPÖ, Anm.).

Pressekonferenz anlässlich 10 Jahre Rettungsgasse

Sollten die noch offenen Verfahren positiv beschieden werden, wann könnte dann gebaut werden?

Wenn wir einen höchstgerichtlichen Bescheid haben und dieser unanfechtbar vorliegt, dann werden wir wahrscheinlich einen Baustart 2032 ins Auge fassen können. Der Lückenschluss um Wien wäre dann 2040 fertig.

Gewessler hat das Klimaticket eingeführt. Laut Rechnungshof wurden viele Tickets verkauft, deren Auswirkungen auf die Umwelt sind aber gering.

Ich glaube, die Einführung des Klimatickets war ganz notwendig und richtig. Es geht darum, das Zugfahren zu attraktivieren, umzusteigen, wenn es Sinn macht. Das machen wir in der Asfinag auch. Ich nehme den Zug, wenn ich zum Beispiel zu Standorten nach Innsbruck muss.

Hartwig Hufnagl, Andreas Matthä

Wann nehmen Sie den Flieger?

Ganz selten, weil ich leider unter Flugangst leide.

Sie galten als freiheitliche Hoffnung und wurden für Positionen in einer FPÖ-Regierung genannt. Denkbar, dass Sie in die Politik wechseln? Ich liebe mein Unternehmen und ich liebe meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn, dann wäre das nur möglich, wenn sich politisch grundsätzlich etwas ändert und Politiker wieder den Mehrwert oder Stellenwert von der Gesellschaft eingeräumt bekommen, den sie brauchen, um Maßnahmen für Österreich zu entwickeln.

Wie meinen Sie das?

Es ist wichtig, dass wir mutige Politiker haben, die dementsprechend auch einen Freiraum haben, gestalten zu können und nicht bei jeder ersten Idee mehr oder weniger schon öffentlich oder auf Social Media geprügelt werden.

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