Schwechat: Anschlag jährt sich zum 30. Mal

Sabri al Banna, bekannt als Abu Nidal. Foto von 1982
Die Abu-Nidal-Gruppe verübte 1985 den blutigen Anschlag auf den Wiener Flughafen.

Am 27. Dezember 1985 feuerten drei junge Palästinenser am Flughafen Wien-Schwechat vor dem Check-In-Schalter der israelischen Fluglinie "El Al" mit Handgranaten und Kalaschnikows wild um sich. Der Drahtzieher des blutigen Anschlags vor 30 Jahren war der palästinensische Top-Terrorist Sabri al-Banna - alias Abu Nidal. In den 1970er und 80er Jahren zog er eine blutige Spur durch Europa und machte Österreich dreimal zum Schauplatz seiner Aktionen.

Zeitgleich mit der ursprünglich als Geiselnahme geplanten Schießerei am Flughafen verübte die Gruppierung des palästinensischen Guerilla-Führers einen offenbar koordinierten Anschlag auf dem römischen Flughafen Fiumicino, ebenfalls auf einen Schalter der "El Al". Die traurige Bilanz dieses Tages: drei Tote und 40 Verletzte in Wien, 16 Tote und mehr als 80 Verletzte in Italien. Die Verantwortung für die beiden Anschläge übernahm die Terrorgruppe "Fatah-Revolutionärer Rat" um Abu Nidal. Die Abspaltung der PLO verübte zwischen 1970 und 1985 zahlreiche Anschläge in mehr als 20 Ländern, bei denen nach US-Angaben insgesamt rund 900 Menschen getötet oder verletzt wurden.

Auch Österreich diente mehrmals als Ort für blutigen Aktionen der Gruppierung, die vom US-Außenministerium als "gefährlichste Terrororganisation mit dem weitesten Aktionsradius" charakterisiert wurde. Als erstes österreichisches Opfer der palästinensischen Terroristen wurde am 1. Mai 1981 der Wiener Stadtrat und Präsident der österreichisch-israelischen Gesellschaft Heinz Nittel erschossen. Am 29. August 1982 stürmten dann zwei Schwerbewaffnete die Synagoge in der Wiener Seitenstettengasse und töteten zwei Menschen, 20 weitere wurden verletzt. Die beiden Täter sowie der mutmaßliche Anführer des palästinensischen Terrornetzes wurden daraufhin verhaftet und verurteilt.

Der Auftrag für den Anschlag am Wiener Flughafen erging angeblich deswegen, weil es der Abu-Nidal-Organisation nicht gelungen war, die drei Gefangenen gegen einen "Nicht-Angriffs-Pakt" mit Österreich freizukaufen. Geplant war 1985 in Wien eigentlich eine Geiselnahme: Mit den überlebenden Passagieren hätten die Terroristen ursprünglich ein Flugzeug entführen und über Israel in die Luft sprengen wollen. Beim Schusswechsel mit der Polizei wurde jedoch ein Attentäter, Abdel Aziz Merzoughi, getötet.

Die beiden anderen, Tawfik Ben Ahmed Chaovali und Mongi Ben Saadaoui, wurden bei einer anschließenden Verfolgung auf der Autobahn gefasst. Kopf der international agierenden Terrororganisation war jedoch der weltweit gesuchte Terrorist Abu Nidal ("Vater des Kampfes"). Der palästinensische Top-Terrorist war 1973 aus der von Yasser Arafat geführten PLO-Teilorganisation Fatah ausgeschlossen worden, nachdem er Arafat zu große Kompromissbereitschaft vorgeworfen und mit Ermordung gedroht hatte. Ein PLO-Gericht verurteilte den Abtrünnigen daraufhin in Abwesenheit zum Tode.

Geboren 1937 in Jaffa, floh Abu Nidal nach der Gründung des Staates Israel mit seiner Familie nach Gaza, wo er in den 1960er Jahren seine erste Terrorgruppe gründete. In den folgenden Jahren stieg er zu einem der brutalsten und kompromisslosesten Terroristenführer der arabischen Welt auf. Zahlreiche Anschläge in über zwanzig Ländern weltweit gehen auf das Konto der straff geführten Terrororganisation Abu Nidals. Sein Hass richtete sich von Anfang an hauptsächlich gegen den Staat Israel, dessen Vernichtung erklärtes Ziel der Gruppe war, aber auch gegen kompromissbereite arabische Politiker und die USA.

Einer der spektakulärsten Anschläge der Gruppierung war 1982 die versuchte Ermordung des israelischen Botschafters in London, Shlomo Argov, der nach einem Kopfschuss lebenslang ein Pflegefall blieb. Das Attentat war letzter Auslöser für die von Ariel Sharon befehligte israelische Libanon-Invasion. Die Abu-Nidal-Gruppe bekannte sich außerdem zum Lockerbie-Anschlag von 1988, bei dem alle 259 Insassen eines in der Luft gesprengten Flugzeugs und elf Menschen am Boden ums Leben kamen.

Nach unbestätigten Berichten soll Abu Nidals Organisation mehrere PLO-Vertreter in Europa umgebracht haben und auch Auftragsmorde für die libysche und irakische Führung begangen haben. Dem französischen Geheimdienst zufolge erpresste Abu Nidal zudem mehrere arabische Golf-Monarchien, die ihm hohe Geldsummen zahlten, um von Anschlägen verschont zu bleiben. In Lauf der 1990er Jahre wurde es ruhig um den angeblich schwer erkrankten Terroristenführer. Nach Jahren in Syrien und Libyen tauchte Abu Nidal im Irak unter. Dort starb der 65-jährige Terrorist schließlich im Jahr 2002 unter mysteriösen Umständen.

Schwechat: Anschlag jährt sich zum 30. Mal
ZU APA 584 AI / II Archivbild vom 26.04.2000 der angeblichen Ehefrau Halimeh A. des "Finanzchefs" der Terrorgruppe Abu Nidal vor Beginn des Prozesses am Wiener Landesgericht. APA-Photo:Herbert Pfarrhofer.

Die Aktivitäten der palästinensischen Terrororganisation hatten jedoch auch in Österreich ein Nachspiel, das bis in die Nullerjahre reichte. Im Jänner 2000 verhaftete die österreichische Polizei eine Frau, weil sie ein vermutlich der Terrorgruppe gehörendes Bankkonto räumen wollte. Die acht Millionen US-Dollar (6,09 Mio. Euro), die nach wie vor auf dem Wiener Konto liegen, gehörten mit großer Wahrscheinlichkeit Abu Nidal. Die Ehefrau des mutmaßlichen Finanzchefs der palästinensischen Terrorgruppe reiste - nachdem sie auf Kaution freigelassen wurde - nach Libyen und damit außer Reichweite der österreichischen Justiz. Die gesperrten Millionen waren seither Gegenstand mehrerer Gerichtsprozesse.

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