Justizministerin Sporrer: "Gewalt gibt es auch in gut situierten Kreisen“
SPÖ-Justizministerin Anna Sporrer plant für das zweite Quartal 2026 die Evaluierung des Sexualstrafrechts.
SPÖ-Justizministerin Anna Sporrer ist zuversichtlich, dass sich bei den Frauenrechten viel zum Besseren bewegt hat. Sie befürwortet ein Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahre. Dieses soll aber nicht in der Verfassung verankert werden.
KURIER: Frau Sporrer, zuletzt hat ein sechsjähriges Mädchen für Bewunderung gesorgt, weil es mit einem bestimmten Handzeichen die Polizei auf den gewalttätigen Stiefvater aufmerksam gemacht hat und diese dann eingeschritten ist. Wie haben Sie das gesehen?
Anna Sporrer: Es ist wirklich erstaunlich, dass ein sechsjähriges Kind dieses Zeichen schon kennt. Das zeigt uns aber auch, dass wir bei der Gewaltprävention doch einen Schritt weitergekommen sind. Diese Zeichen gibt es schon seit einigen Jahren, damit Opfer, die in einer Gewaltspirale stecken und sich oft nicht leicht artikulieren können, auf ihre Situation aufmerksam machen.
In diesem Fall war gegen den gewalttätigen Mann bereits ein Betretungsverbot ausgesprochen worden. Dennoch hat er seine Frau und die Kinder wieder in seine Gewalt gebracht. Zeigt das nicht, dass solche Betretungsverbote viele Männer nicht wirklich abhalten können?
Wir schauen uns Modelle im Ausland an, die dort sehr gut funktionieren. Ich habe mich dazu bereits mit meinem spanischen und meinem rumänischen Amtskollegen ausgetauscht. Auch in Deutschland plant man, dass solche Gefährder entweder durch eine elektronische Fußfessel oder ein elektronisches Armband auf Distanz gehalten werden. Hält er die Distanz nicht ein, gibt es einen Alarm bei der Polizei und dann wird eingeschritten.
Sie setzen sich schon sehr lange für Frauenrechte ein, nicht erst als Ministerin. Sind Sie nicht frustriert, dass man in diesen Punkten noch nicht weiter ist, dass die Zahl der Femizide weiterhin hoch ist?
Im Gegenteil – ich bin zuversichtlich, weil wir wirklich weitergekommen sind. 1993 war die große Menschenrechtskonferenz in Wien. Da haben wir den Slogan „Frauenrechte sind Menschenrechte“ propagiert. Und wir arbeiten seither daran, diesen Grundsatz in die Realität zu bringen. Aber wir müssen noch weiter gehen, um an die Opfer von Gewalt heranzukommen. Wir müssen schauen, dass mehr Informationen über das sehr gute Netz im Gewaltschutz mit Notrufen, Gewaltschutzzentren und Gewaltambulanzen an die Opfer kommen.
Ist das Ganze auch ein Problem der Migration?
Das würde ich so nicht sagen. Gewalt kommt in allen gesellschaftlichen Schichten vor, leider auch in allen Kulturen. Ich habe als Rechtsanwältin sehr wohl gesehen, wo in besser situierten Kreisen Gewalt ausgeübt wurde. Nur die sieht die staatliche Struktur nicht so deutlich. Ökonomisch bessergestellte Gewaltopfer sind nicht ausschließlich auf Frauenhäuser und Gewaltschutzzentren angewiesen.
Gemeinsam mit der Frauenministerin haben Sie sich vorgenommen, bezüglich der Frauenrechte den Satz „Nur ein Ja ist ein Ja“ gesetzlich zu verankern, wenn es um sexuelle Handlungen geht. Warum wollen Sie das und bis wann soll es umgesetzt werden?
Hier geht es darum, dass das Konsensprinzip in das Strafrecht einfließen soll. Bisher haben wir bei der Frage, ob die sexuelle Integrität, die sexuelle Selbstbestimmung einer Person verletzt worden ist, den Grundsatz, dass Nein auch Nein heißt. Im Strafprozess geht es aber dann bei sexuellen Übergriffen sehr stark darum, wie das Opfer zum Ausdruck gebracht hat, dass es die sexuelle Handlung nicht gewünscht hat. Wenn wir das Konsensprinzip „Nur ein Ja ist ein Ja“ einführen, richten wir den Fokus im Strafverfahren vom Opfer auf den mutmaßlichen Täter. Das ist nicht nur aus juristischer Sicht notwendig. Ich erlebe auch schon seit einigen Monaten, seit wir diese Debatte führen, dass sich vor allem junge Leute fragen, ob das nicht jetzt schon gilt, dass sexuelle Handlungen zwischen Menschen im Einvernehmen stattfinden müssen. Das soll sich nun auch im Recht widerspiegeln.
Aber die Beweisführung ist dann genauso schwierig wie derzeit, da bei solchen Intimitäten meist nur zwei Menschen anwesend sind. Und dann steht erneut Aussage gegen Aussage. Dann geht es erneut darum, wer glaubwürdiger ist.
Das ist richtig. Aber die Staatsanwaltschaften und die Richterinnen und Richter, die diese Frage zu beurteilen haben, sind da sehr gut geschult.
Zum ausführichen Interview mit Justizministerin Anna Sporrer
Anna Sporrer (63)
Die Juristin Anna Sporrer aus Mödling ist zuletzt Vizepräsidentin des Verwaltungsgerichtshofs gewesen, ehe sie im März als SPÖ-Justizministerin angelobt wurde.
In skandinavischen Ländern ist es ja schon eingeführt. Haben Sie sich die Erfahrungen angesehen? Ist die Zahl solcher Fälle, die angezeigt werden, dort stark gestiegen?
In Schweden wurden sehr gute Ergebnisse erzielt, einerseits durch eine Bewusstseinsänderung in der Bevölkerung. Aber auch in den Verfahren, in denen so die Position der Opfer gestärkt ist. Es ist auch die Zahl der Verurteilungen gestiegen. Wir in Österreich müssen jetzt schauen, dass wir die gesetzliche Grundlage schaffen. Da haben wir uns im Nationalen Aktionsplan darüber verständigt, dass wir im zweiten Quartal 2026 die Evaluierung des Sexualstrafrechts insgesamt angehen.
Dort wird dieses Konsensprinzip dann verankert?
Dort soll es verankert werden. Am Ende des Tages werden wir da einen politischen Kompromiss dazu finden.
Ein Thema, das Sie seit Ihrem Amtsantritt begleitet, ist die Installierung einer Bundesstaatsanwaltschaft. Wo steht dieses Projekt momentan?
Die Bundesstaatsanwaltschaft soll eingerichtet werden, damit jeglicher Anschein einer politischen oder sonstigen unsachlichen Einflussnahme auf Strafverfahren verhindert wird. Es geht darum, dass die Staatsanwaltschaft in Ruhe und ohne Zurufe von irgendeiner Seite entscheiden soll, ob und wie Ermittlungsverfahren geführt werden, ob es zu einer Anklage kommt oder nicht. Wir haben in einem Ministerratsvortrag im Juli bereits die Eckdaten beschlossen. Es soll eine Dreierspitze geben, damit die Verantwortung nicht nur auf einer Person lastet. Und es soll diese oberste Fachaufsicht unabhängig von jeder Einflussnahme arbeiten können.
Wie wird das sichergestellt?
Das soll dadurch sichergestellt werden, dass nur Personen mit einer spezifischen Qualifikation im Bereich des Strafrechts hier tätig werden können. Die sollen aus dem Kreis der Staatsanwaltschaft und der Richterschaft kommen und durch eine hochkarätige unabhängige Auswahlkommission ausgewählt werden.
Anna Sporrer im Studio des KURIER: „Staatsanwälte sind gut geschult.“
Also eine unabhängige Auswahlkommission und nicht das Parlament?
Die Auswahlkommission, die eine Liste von qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern erstellt, soll unabhängig sein. Es können dort Vertreterinnen und Vertreter aus der Justiz , aber auch andere Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft Mitglied sein. Anhand dieser Liste soll dann aber auch das Parlament bei der Personalauswahl beteiligt werden. Das haben wir so festgelegt. Diese Beteiligung des Parlaments soll zu einer höheren demokratischen Legitimierung dieser unabhängigen Behörde führen.
Von einer Expertengruppe, die unter Ihrer Vorgängerin ein Papier zur Bundesstaatsanwaltschaft erarbeit hat, wurde auch empfohlen, parlamentarische U-Ausschüsse erst dann einzusetzen, wenn Strafverfahren dazu abgeschlossen sind. Das war in der Vergangenheit nicht der Fall.
Das ist für mich eindeutig. Vorausgeschickt sei, dass die parlamentarische Kontrolle ein sehr wichtiges Recht ist. Aber eine parlamentarische Kontrolle kann nicht in laufende Strafverfahren eingreifen. Das bedeutet, dass ein Strafverfahren erst rechtskräftig abgeschlossen sein muss, bevor ein U-Ausschuss hier einsetzen und die Tätigkeit der Staatsanwälte und Staatsanwältinnen in Verfahren kontrollieren kann.
Derzeit gibt es auch die Debatte, ein Kopftuchverbot für unter 14-jährige Mädchen einzuführen. Manche fordern, dass das in den Verfassungsrang gehoben wird, damit es vom VfGH nicht gekippt werden kann. Wie stehen Sie dazu?
Solche Einzelfragen sollten nicht im Verfassungsrang abgesichert werden, um sie vor dem Zugriff des Verfassungsgerichtshofs zu bewahren. Das ist kein geeigneter Weg. Wir haben uns im Regierungsübereinkommen darauf verständigt, dass ein solches Kopftuchverbot verfassungskonform umgesetzt wird. Und das ist jetzt auf dem Weg.
Seit Sie Ministerin sind, müssen Sie auch mit dem Hass im Netz – speziell gegen Politikerinnen und Politiker – umgehen. Sollte die Justiz nicht noch schärfer dagegen vorgehen?
Wir haben sehr gute Gesetze gegen Hass im Netz und die Staatsanwaltschaften verfolgen das auch. Wozu wir Politikerinnen und Politiker auch beitragen können, ist, dass wir insgesamt eine Besänftigung und Beruhigung im Diskurs einleiten und als gutes Beispiel vorangehen.
Sind vom Hass in den sozialen Medien Frauen noch mehr betroffen als Männer?
Das denke ich schon. Da gibt es Unterschiede, wo es nicht nur reine Beschimpfungen sind, sondern auch schwere sexistische Angriffe. Wo Frauen eben als Frauen noch stärker bloßgestellt werden.
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