Strenges Korsett für Eigenwilligen

Alexander Van der Bellen
Van der Bellens Hunde und liebenswerte Gewohnheiten dürfen nicht mit in Hofburg.

"Die Keule der Hofburg-Etikette trifft jeden." Diese Prophezeiung für Alexander Van der Bellen stammt von einem, der es wissen muss. Meinhard Rauchensteiner ist seit 17 Jahren Redenschreiber in der Hofburg.

Ab heute Punkt 10.00 Uhr kann sich Van der Bellen dieser Keule nicht mehr entziehen. Dann startet sein neues Leben als neunter Bundespräsident. Vorbei ist es mit der Freiheit, mal schnell in legeren Jeans rote Chesterfield light kaufen zu gehen. "Das Protokoll hat man zwar schnell gelernt, aber ob man es auch innerlich akzeptiert, da bin ich mir nicht so sicher", zweifelt Rauchensteiner. Für einen eigenwilligen Menschen wie Van der Bellen sicher die größte Herausforderung. Jeder Schritt und jedes Wort steht unter Beobachtung. "Ein Drauf-los-Plaudern gibt es nicht mehr. Der Bundespräsident ist die offizielle Stimme der Republik. Das war auch für mich etwas gewöhnungsbedürftig", erinnert sich Heinz Fischer.

Strenges Korsett für Eigenwilligen
Interview mit Alexander Van der Bellen und seinem Sohn Florian Van der Bellen in Landeck am 15.04.2016.

VDB nie alleine. Dazu kommt im Alltag: Die Sicherheitsbeamten der Cobra sind ständig an der Seite des Bundespräsidentenpaares, ob man will oder nicht. "Im Idealfall wird der Polizeibeamte zu einem zusätzlichen Familienmitglied. Dann hat man das Gefühl, weniger Privatsphäre abzugeben", so Rauchensteiner. Bereits seit dem 5. Dezember wird das Gründerzeithaus in Wien-Mariahilf, wo der neue Bundespräsident wohnt, bewacht. Die Staatssicherheit prüft gerade, ob das First Couple in der Dachgeschoßwohnung weiter leben kann oder für die kommenden sechs Jahre in eine Dienstwohnung übersiedeln muss.

Doch bevor der Tag von früh bis spät in ein enges Zeitkorsett gedrängt wird und der ehemalige Uni-Professor seitenweise Protokolle studieren muss, steht heute die Angelobung am Programm.

Söhne bei der Angelobung. Um 10.00 Uhr startet die Zeremonie im Historischen Sitzungssaal des Parlaments. Neben Ehefrau Doris Schmidauer (53) werden auch die beiden Söhne Florian (Marketingexperte, lebt im Kaunertal) und Nicolai (lebt als Bauer in Deutschland) von der Tribüne aus beobachten, wie "Saschi" (so nennen sie ihren Vater) angelobt wird. Erster Arbeitstag. Nach dem anschließenden gemeinsamen Marsch Richtung die Hofburg wird der Neue zum ersten Mal seine rund 70 Mitarbeiter kennenlernen. "Seit dem 22. Mai hat Van der Bellen die Hofburg nicht mehr betreten", sagt sein Pressesprecher Reinhard Pickl-Herk. Auch an das barocke Ambiente seines Amtssitzes wird sich Van der Bellen erst gewöhnen müssen. "Man fühlt sich mehr in einem Museum als in einem Büro. Und wer schreitet schon jeden Tag auf seinem Weg ins Büro einen 64 Meter langen roten Teppich ab?", schildert Rauchensteiner. Der Grüne Salon, den man durch die Tapetentüre erreicht, ist Van der Bellens neues Arbeitszimmer. Hier finden die berühmten Vieraugengespräche statt. An den Wänden befinden sich zwei riesige Gemälde, die eine Aufführung von Christoph Willibald Glucks Oper "Il Parnasso confuso" durch Mitglieder der kaiserlichen Familie darstellen.

Keine First Dogs in der Hofburg. Eine gute und eine schlechte Nachricht warten auf den ersten grünen Bundespräsidenten: Die First Dogs Chico und Kita haben in der Hofburg striktes Hausverbot. Wenn Van der Bellen und seine Ehefrau gemeinsam auf Staatsbesuch sind, übernimmt seine Ex-Frau, die auf einem Hof im Burgenland lebt, gerne die Pflege – Patchwork-Family à la Van der Bellen.

Dafür nimmt man es im Leopoldinischen Trakt der Hofburg mit dem Rauchverbot nicht so strikt. Auch Heinz Fischer zündete sich gerne seine Pfeife im Arbeitszimmer an. In vielen Zimmern findet man Aschenbecher.

Die neue First Lady. Doris Schmidauer will als Bundespräsidentengattin einen ganz neuen Stil prägen. Sie denkt gar nicht daran, ihren Job als Klubmanagerin der Grünen aufzugeben. "Wenn es sich machen lässt, wird mich meine Frau begleiten, wenn nicht, dann eben nicht", betonte Van der Bellen im Wahlkampf mehrmals.

Geht es nach der Tradition, dann sollte die erste Reise des Bundespräsidenten in die Schweiz führen. Alexander Van der Bellen zieht es aber nicht zu den Eidgenossen, sondern vielmehr in die Machtzentrale der EU. Schon im Wahlkampf warnte er vor dem Öxit, sprach er sich massiv gegen die "Kleinstaaterei" und für die "Vereinigten Staaten von Europa" aus.

Dem Vernehmen nach will Österreichs neues Staatsoberhaupt in der dritten Februarwoche (zwischen 13. 2. und 17. 2.) erstmals mit den EU-Spitzenvertretern zusammen treffen. Da noch drei Wochen bis zum Reiseantritt Zeit sind, ist noch nicht sicher, ob das erste Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und den EU-Parlamentspräsidenten in Brüssel oder in Straßburg stattfinden soll. Auch SPÖ-Bundeskanzler Christian soll Van der Bellen auf seiner ersten Reise begleiten.

Pikantes Detail an diesem Termin: Am 14. und 15. Februar wird im EU-Parlament über das Freihandelsabkommen CETA mit Kanada abgestimmt. Van der Bellen sprach sich während des Wahlkampfes gegen CETA aus. Am 14. Februar wird Kanadas Premierminister Justin Trudeau eine Rede im EU-Parlament halten. Aus höchsten EU-Kreisen hat der KURIER erfahren, dass man in Straßburg damit rechnet, dass Alexander Van Bellen am 15. Februar ebenfalls ans Rednerpult treten wird. Allerdings scheinen hier noch diplomatische Unstimmigkeiten zu herrschen. Denn wenn Van der Bellen einen Auftritt im EU-Parlament hat, muss Kern sich mit der Rolle des Zuhörers zufriedengeben. Laut Protokoll darf nur jeweils der ranghöchste Politiker des Landes vor den EU-Abgeordneten sprechen.

Möglicherweise gibt es für Kern aber noch einen anderen Grund, der Entourage von Van der Bellen anzugehören. Er könnte die Gelegenheit nutzen, um mit Justin Trudeau über CETA zu sprechen. Denn immerhin muss er eine Lösung finden, wie die Unterstützer des CETA-Volksbegehrens befrieden kann.

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