"Kann so nicht bleiben": Karner kündigt nach Amoklauf Konsequenzen an

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hält nach dem Amoklauf an einer Grazer Schule Reaktionen des Gesetzgebers für unbedingt notwendig. "Nach so einer Wahnsinnstat können und werden wir nicht zur Tagesordnung übergehen. Es muss Konsequenzen und Änderungen geben", sagte er am Freitag vor dem Innenministerrat in Luxemburg. Dass etwa wegen Datenschutz "die Waffenbehörden keinen Zugriff auf Daten der Stellungsbehörden haben", sei "unerträglich und wird so nicht bleiben können".
Neben einer möglichen Verschärfung des Waffengesetzes gehe es auch etwa um Maßnahmen zu verstärktem Opferschutz und bei der Schulsicherung. "Es wird über viele Bereiche diskutiert. Es wird notwendig sein, hier gesamthaft Überlegungen anzustellen." Man müsse dem Landeskriminalamt Steiermark Zeit lassen, "sämtliche Hintergründe zu ermitteln, und es ist wichtig, dass diese Ergebnisse auch in die Beratungen der Bundesregierung mit einfließen. Auch deshalb war für mich klar, dass ich an diesem Innenministertreffen teilnehme, um mich auch bilateral mit Kollegen zu beraten. Das alles wird einfließen. Es geht um notwendige Konsequenzen, die gezogen werden müssen", so Karner, der auch seinen EU-Amtskollegen, aus deren Kreis es viele Solidaritätsbekundungen gegeben habe, "persönlich meinen Dank dafür aussprechen" wollte.
Bilaterale Gespräche über Erfahrungen und Konsequenzen
Er werde aber auch bilaterale Gespräche mit Vertretern jener Länder, in denen es in jüngerer Vergangenheit ähnliche Taten gegeben habe, suchen. "Ich werde mich mit diesen Kolleginnen und Kollegen austauschen, welche Konsequenzen hier gezogen worden sind, was notwendig ist, was getan werden muss." Konkret nannte Karner Frankreich, Schweden und Tschechien.
In der ostfranzösischen Kleinstadt Nogant hatte am Dienstag ein 14-jähriger Schüler bei einer Taschenkontrolle vor seiner Schule eine Erziehungsassistentin erstochen. Entsprechende Kontrollen waren im Februar zur Bekämpfung von Messergewalt in und um Schulen angeordnet worden. Zwischen Ende März und Ende Mai wurden daraufhin bei rund 6.000 Taschenkontrollen 186 Messer beschlagnahmt und 32 Schüler in Polizeigewahrsam genommen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron macht sich seither für ein EU-weites Social-Media-Verbot für Kinder unter 15 Jahren stark. Er macht den Einfluss sozialer Medien mitverantwortlich für Gewalt unter jungen Menschen.
In der zentralschwedischen Stadt Örebro hatte im Februar ein 35-jähriger bei dem schlimmsten Schusswaffenangriff in der Geschichte Schwedens in einem Bildungszentrum zehn Menschen getötet, sechs weitere verletzt und danach Suizid begangen. Der Attentäter hatte eine Jagdlizenz und besaß mehrere Jagdwaffen legal. Die Polizei fand allerdings keine Hinweise darauf, dass er diese je zur Jagd verwendet hatte. Auch in Schweden hatte daraufhin eine Debatte um eine Verschärfung der Waffengesetze begonnen.
In Prag hatte im Dezember 2023 ein 24-jähriger Student im Hauptgebäude der Philosophischen Fakultät 14 Menschen erschossen und danach Suizid begangen. Zwei Jahre zuvor hatte die Regierung des damaligen Premiers Andrej Babis das Recht auf Waffengebrauch und -besitz in der Verfassung verankert. Nach dem Amoklauf wurden die Waffengesetze verschärft. Beschlagnahmungen von Waffen wurden vereinfacht. Zudem sollen etwa Psychiater Einblick ins zentrale Waffenregister erhalten, um feststellen zu können, ob ihre Patienten über Schusswaffen verfügen. Bis 2026 sollen alle Änderungen umgesetzt werden.
EU-Richtlinie zu Mindeststandards bei Waffengesetzen
In der EU gibt es eine Richtlinie zu Mindeststandards bei Waffengesetzen. Ob diese verschärft werden sollten, darauf wollte sich der österreichische EU-Migrationskommissar Magnus Brunner vor Beginn der Sitzung nicht festlegen: "Es ist wichtig, zu schauen, was die Ermittlungen ergeben - dann muss man die richtigen Schlüsse ziehen. Ob es auf der europäischen Ebene zu einer Verschärfung kommt, oder die Mitgliedsstaaten ihre nationalen Möglichkeiten ausnützen, das werden wir dann sehen."
Auch auf nationaler Ebene laufen bereits erste politische Verhandlungen an
Es gebe bereits politische Gespräche zwischen den Koalitionsparteien, hieß es am Freitag aus dem Bundeskanzleramt auf APA-Anfrage. Über konkrete Inhalte wollte man sich vorerst nicht äußern.
Der Täter hatte die Waffen, mit denen er an der Schule Menschen tötete, legal besessen. Er hatte im März bei einer zivilen Behörde einen psychologischen Test absolviert und hatte sich damit legal eine Pistole beschaffen können. Das Bundesheer hatte hingegen die psychische Instabilität des Grazers festgestellt.
Warum es dennoch zum Erhalt der Waffen gekommen war, war auch Thema beim Sicherheitsrat Donnerstagabend. Dass grundsätzlich Maßnahmen folgen müssen, befürworten alle Parteien. Gegen eine Verschärfung des bestehenden Waffengesetzes spricht sich aber die FPÖ aus und sieht darin "mehr eine reine Symbolpolitik als eine wirksame Maßnahme gegen Kriminalität".
Stellungsdaten "vertraulich"
Auf Unverständnis auch bei den Freiheitlichen stößt allerdings die Tatsache, dass für den Erhalt der Waffenbesitzkarte keine Stellungsdaten herangezogen werden. Diese sind als "vertraulich" klassifiziert und dürfen ohne Zustimmung des Betroffenen nicht weitergegeben werden. Stattdessen muss bei einer zivilen Behörde ein psychologischer Test absolviert werden.
Laut Kanzleramt soll neben den allgemeinen Kriterien für den Waffenbesitz auch die Verwendung der Stellungsdaten politisch diskutiert werden. Gespräche zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS seien bereits am Laufen, hieß es. Dem Vernehmen nach dürfte es mit möglichen Gesetzesänderungen recht schnell gehen. Auch übers Wochenende soll dem Vernehmen nach gesprochen werden.
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