Schallenberg: Orbán wird Russland-Reisen "erklären" müssen

NATIONALRAT:  SCHALLENBERG
Laut dem Außenminister wird sich Orbán "erklären" müssen und verteidigte das eigene Fernbleiben von NATO-Gipfel.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat sich gegen einen Boykott des ungarischen EU-Ratsvorsitzes aus Protest gegen die Soloaktionen von Ministerpräsident Viktor Orbán ausgesprochen. "Ich glaube, dass wir professionell zusammenarbeiten werden", sagte Schallenberg am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal. Orbán werde sich für seine ohne EU-Mandat erfolgten Reisen "erklären" müssen, betonte der Minister. "Wir sollten klare Linien ziehen, aber auch die Kirche im Dorf lassen."

Kritik an "Friedensmissionen" von Orbán

"Mir ist nicht bewusst, dass gestern ein Treffen boykottiert worden wäre", kommentierte Schallenberg einen Zeitungsbericht, wonach Regierungsvertreter mehrerer EU-Staaten am gestrigen Dienstag einem Treffen unter ungarischem Vorsitz ferngeblieben seien. Zugleich kritisierte der Minister die als "Friedensmissionen" betitelten Reisen Orbáns, darunter zum mit EU-Sanktionen belegten Kreml-Chef Wladimir Putin. "Er hat nicht im Namen der Europäischen Union gesprochen. Er hat kein Mandat, keinen Auftrag", unterstrich Schallenberg. Im Namen der EU spreche Außenbeauftragter Josep Borrell, nicht Orbán. Dieser habe eine Reise "auf eigene Kosten" unternommen, "die nur Ungarn betrifft und sonst niemanden".

Gleichwohl sprach sich Schallenberg dafür aus, Putin wieder zurück an den Verhandlungstisch zu bringen. In diesem Zusammenhang sieht er auch eine Rolle Indiens, dessen Ministerpräsidenten Narenda Modi am Mittwoch in Wien ein großer Empfang bereitet wird. Indien sei "eine wichtige Stimme des globalen Südens und hat in Moskau Gehör", sagte er. Zugleich sei das Land nicht nur Russland verbunden, sondern stehe auch "in einer außergewöhnlichen Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten", wenn es um die Stabilisierung des indopazifischen Raumes geht. Die EU wiederum verhandle mit Indien gerade ein Freihandelsabkommen. "Ich kann nur davor warnen, die Welt in Schwarz und Weiß einzuteilen", unterstrich der Außenminister. Er trat zugleich dem Eindruck entgegen, dass es bei der Visite Modis nur um wirtschaftliche Interesse gehe. "Das ist ein hoch politischer Besuch."

Einladung für Modi ausgeschlagen

Schallenberg verteidigte auch seine Entscheidung, für den Besuch Modis die Einladung zum NATO-Gipfel in Washington auszuschlagen. "Auch ich schaffe es nicht, an zwei Orten gleichzeitig zu sein", sagte der österreichische Chefdiplomat. Modi sei der erste indische Regierungschef seit über 40 Jahren, der Österreich besuche. Auch werde er von Außenminister Subrahmanyam Jaishankar begleitet, den Schallenberg als seinen "persönlichen Freund" bezeichnete. Der österreichische Außenminister, der als Diplomatenkind mehrere Jahre in Neu-Delhi verbracht hat, pflegte in den vergangenen Jahren intensive Kontakte zu seinem indischen Kollegen, der etwa im Vorjahr das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker besuchte.

Keine Distanzierung zur Nato

Die Aufregung um seine Nicht-Teilnahme an einem Abendessen der NATO-Partner in Washington bezeichnete Schallenberg als "Stürmchen im österreichischen medialen Wasserglas". Er wies darauf hin, dass auch die Außenminister Irlands und der Schweiz nicht in die US-Hauptstadt gereist seien. Als Distanzierung vom westlichen Verteidigungsbündnis wollte Schallenberg dies keineswegs gewertet sehen. Österreich sei seit dem Jahr 1995 Teil der Partnerschaft für den Frieden mit der NATO und stehe zu dieser. Für Österreich sei aber auch klar, dass es ein "militärisch neutraler Staat" sei und keine Absicht habe, der NATO beizutreten. Die europäische Sicherheitsarchitektur bestehe nicht nur aus der NATO, sondern auch aus der EU, dem Europarat und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die ihren Sitz in Wien hat.

Schallenberg sprach sich auch für den Beschluss einer neuen österreichischen Sicherheitsstrategie aus und beschuldigte die mitregierenden Grünen, dass es dazu nicht kommt. Der außenpolitische Teil der Sicherheitsstrategie sei nämlich "fertig verhandelt". Es liege am Koalitionspartner, "der ein bisschen Wünsch-Dir-was betreiben will im Bereich Energie", sagte er mit Blick auf kolportierte Forderungen nach einem Ende der Gasabhängigkeit von Russland. Diesbezüglich bekräftigte Schallenberg das Ziel Österreichs, "raus aus dieser Abhängigkeit" zu kommen.

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