EU-Parlament will Ungarn ausbremsen. Kein EU-Ratsvorsitz?

Ungarns Premier Viktor Orban
Im Streit Viktor Orbán gegen die EU legt das EU-Parlament einen Zahn zu: Jetzt kämpft es dafür, Ungarn nächstes Jahr die anstehende Ratspräsidentschaft vorzuenthalten. Erfolgschancen: gering

Es sind nur ein paar Zeilen in einer langen Resolution. Doch sie sind der wahre Aufreger einer Forderungsliste, die das EU-Parlament am Donnerstag mit großer Mehrheit verabschieden wird: Die EU-Regierungen werden darin aufgefordert, Ungarn die in der zweiten Jahreshälfte 2024 anstehende EU-Ratspräsidentschaft vorzuenthalten.

Warum? Ungarn, das zuletzt bei fast allen wichtigen Entscheidungen in der EU blockierte oder bremste, wird nächstes Jahr genau solche Einigungen als EU-Ratspräsidentschaft voran treiben müssen: „Das wäre so, als würde man den Schulhofschläger zum Schuldirektor machen,“ empört sich der EU-Abgeordnete Moritz Körner.

So wie der deutsche Liberale denken viele EU-Mandatare: Der rechtspopulistische Regierungschef Viktor Orbán solle nicht sechs Monate lang auf der europäischen Tribüne stehen, um seine illiberale Agenda durchzupeitschen.

Hinter der Resolution stehen Christdemokraten, Sozialdemokraten, Grüne, Liberale, Linke und sogar auch einige Rechtspopulisten.

Alle Macht beim Rat

So spektakulär diese noch nie da gewesene Forderung daherkommt – so wenig kann sie das EU-Parlament durchsetzen. Alle Macht liegt hier bei den europäischen Regierungen (EU-Rat).

Und diese zeigen keinerlei Regung, dieser Forderungen auch nur einen Millimeter nachzukommen: „Wir haben klare Regeln“, sagt Europaministerin Karoline Edtstadler, „es ist im EU-Vertrag nirgends vorgesehen, einen Ratsvorsitz abzuerkennen.“

EU-Parlament will Ungarn ausbremsen. Kein EU-Ratsvorsitz?

Ratspräsidentschaften können verschoben werden – so etwa rückte Österreich 2018 ein halbes Jahr nach vorne, weil sich Großbritannien aus der EU verabschiedet hatte.

Doch einem Land per Strafe den Vorsitz zu entziehen, würde auch praktisch gesehen gewaltige Probleme bringen:

Verhandlungen

Die Ratspräsidentschaft bedeutet enorm viel Arbeit für die Verwaltung eines Landes, ihre Ministerien und Beamten müssen die EU-Gesetzesverhandlungen in allen Bereichen voranbringen – und das als neutraler Verhandler. Genau diese Unvoreingenommenheit zweifelt das EU-Parlament bei der Führung in Budapest an.

„Nichts zu tun“, meint SPÖ-EU-Abgeordneter Andreas Schieder „spielt Orbán am meisten in die Hände.“

Doch auch er gesteht ein: Im Grunde sei die Forderung, Ungarn den Ratsvorsitz vorzuenthalten „Aktionismus“. Zunächst gehe es vor allem darum, eine Diskussion anzustoßen. „Schon vor Jahren, als das EU-Parlament gefordert hat, Ungarn das Geld zu streichen, hieß es: Wo steht das in den Verträgen? Aber genau das ist geschen, heute ist es so.“

Tatsächlich blockiert Brüssel derzeit 27 Milliarden Euro für Ungarn. Begründung: Erst müssten sämtliche Einschnitte in die unabhängige Justiz wieder zurückgenommen werden.

Eine EU-Parlamentarierdelegation konnte sich in der Vorwoche bei einem Besuch in Ungarn überzeugen, „dass der finanzielle Druck allmählich zu wirken scheint.“ Doch die wichtigsten Punkte seien noch immer nicht umgesetzt. Der FDP-EU-Abgeordnete Körner: „Die Gelder dürfen noch nicht freigegeben werden.“

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