Ärztekammer warnt vor Personalmangel

Landarzt Dr. Manfred Eder
Versorgungslücken drohen, das Ministerium will gegensteuern.

Diese Zahlen sind beeindruckend: Von allen in Österreich berufstätigen Ärzten sind laut aktueller Statistik der Ärztekammer fast 27 Prozent älter als 60 Jahre. Bei den davon niedergelassenen Ärzten ist der Prozentsatz der 60 plus noch höher, das sind 43 Prozent der berufstätigen Ärzte.

Demnach steht eine Welle an Pensionierungen bevor. Dazu Ärztekammer-Präsident Artur Wechselberger: „Bald geht eine ganze Generation in Pension.“ Derzeit gebe es nur punktuell Versorgungslücken. Vor allem am Land müssten Kassenstellen mehrmals ausgeschrieben werden, bis sich ein Bewerber findet. Mittelfristig sei jedoch damit zu rechnen, dass „das Problem hoch akut wird, wenn nichts passiert. Man darf das nicht verschlafen.“

Genug Nachwuchs

Das Gesundheitsministerium kalmiert. Die Statistik müsse bereinigt werden, um auf jene Zahl an Medizinern zu kommen, die pensionsbedingt das Versorgungssystem verlassen. So müssten Ärzte, die für die Versorgung nicht relevant seien (zum Beispiel Verwaltung, Anm.) ebenso abgezogen werden wie Wahlärzte. Diese Privatärzte stellen mehr als die Hälfte der rund 18.540 niedergelassenen Mediziner.

Wichtig für die Mehrheit seien aber die rund 7200 Kassenärzte. Weil auch das Pensionsalter Reform bedingt steige, sei damit zu rechnen, dass innerhalb der kommenden zehn Jahre zwischen zehn und 15 Prozent der heute tätigen Ärzte pensioniert werden. „Pro Jahr haben wir bis zu 1800 Universitätsabsolventen. Selbst wenn die Hälfte von ihnen nicht ins Spital oder in eine Ordination geht, bleiben uns an die 900 Jungärzte, die in die Versorgung wollen“, sagt Silvia Türk, Leiterin der Abteilung für Qualitätsmanagement im Ministerium.

Mangel an Universitätsabgängern bestreitet auch der Chef der Ärztekammer nicht. Das Um und Auf seien künftig aber die Arbeitsbedingungen, die besonders dem stark steigenden Frauenanteil unter den Ärzten gerecht werden müssten. Dazu komme die Qualifikation, die heutigen Anforderungen entsprechen müsse sowie der Abbau von Hürden im System. Viele wanderten jetzt schon mangels attraktiver Arbeitsmöglichkeiten ins Ausland ab. Artur Wechselberger: „Niemand will mehr von der Bürokratie und Kontrollen drangsaliert werden. Ein Arzt will Medizin betreiben, er will sich nicht zum Erfüllungsgehilfen der Sparpolitik machen. Warum gibt es denn schon so viele Wahlärzte?“

Reform

Obwohl das Ministerium die Angst der Ärztekammer nicht teilt, weiß auch Türk, auf wen und worauf es künftig ankommt. „Die Jungen sind der Knackpunkt. Sie brauchen gute Angebote, vor allem die Frauen.“

Auch mit dem Ziel, junge Ärzte in das System zu holen, wurde zuletzt eine Reformkommission installiert. Darin vertreten: Bund, Länder, Universitäten, Sozialversicherung und Ärztekammer.

Die Kommission wird den Ärztebedarf laufend beobachten. Die Versorgung durch Spitäler und Praxen wird als Ganzes gesehen. Effekt für die Jungen: Sie sollen schon in der Ausbildung absehen können, wo sich ihr zukünftiger Arbeitsplatz in Österreich befindet und so auch dazu motiviert werden, in die Region zurückzukehren, aus der sie stammen – und damit auch aufs Land.

Es gibt keinen Ärztemangel, sondern ein Verteilungsproblem. Zu viele Medizinstudenten bleiben nach dem Studium in den Ballungsräumen, vor allem in und rund um Wien, zu wenige gehen wieder zurück in ihre ländliche Heimat. Oberösterreich glaubt, das Problem mit einer eigenen neuen Medizin-Uni lösen zu können. Nicht nur Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle ist skeptisch, ob das der richtige Weg sei. Auch Expertinnen wie die Ex-Chefin des Bundesinstituts für Gesundheit, Michaela Moritz, halten davon wenig: „Den größten Ärztemangel gibt es im Mühlviertel, im Waldviertel und im Südburgenland. Da kann man nicht überall Medizin-Unis hinbauen.“

Kärnten und das Burgenland haben Alternativ-Strategien für eine „Rückholaktion“ von Ärzten in ihre Heimat entwickelt. Dabei gibt es mehrere Ansatzpunkte:

Training

Das Burgenland und künftig auch Kärnten finanzieren ein Training für Maturanten, um die Aufnahmeprüfungen für das Medizinstudium zu bestehen. Im Burgenland wurde gerade erstmals ein Blockseminar abgehalten, es gab 115 Teilnehmer. „Ein Erfolg“, sagt Burgenlands Gesundheitslandesrat Peter Rezar (SPÖ). Kärntens Gesundheitslandesrat Peter Kaiser (SPÖ) will dieses Service ebenfalls anbieten und so die Zahl derer, die die Aufnahmetests bestehen, anheben. Dass es funktionieren kann, zeigt Oberösterreich. Dort ist die Quote derer, die die Tests bestanden haben, von 22 auf 41 Prozent angestiegen. Von den 180 Kärntnern haben zuletzt nur 14 Prozent die Aufnahmeprüfung geschafft. Kaiser: „Dieses Training garantiert einen fairen Zugang zum Medizinstudium unabhängig vom Einkommen.“

Praxis zu Hause

Die neue Studienordnung für Medizin, die ab dem Wintersemester 2014/’15 gelten soll, kommt der Rückholaktion ebenfalls zugute. Künftig müssen Medizinstudenten das sechste Studienjahr zur Gänze praktizieren – im Spital und in der Arztpraxis. Burgenland und Kärnten wollen verstärkt mit den Universitäten kooperieren und den Medizinstudenten aus ihren Bundesländern Praktikantenstellen in ihren Landesspitälern und Arztpraxen anbieten.

Servicestelle

In Kärnten wird eine Servicestelle für Kärntner Medizinstudenten eingerichtet, damit der Kontakt nicht abreist.

Berufstätige Ärzte

41.268 Ärzte gibt es in Österreich – darunter sind 20.834 Fachärzte, 13.382 Allgemeinmediziner und 6777 Turnusärzte.

Niedergelassene Ärzte

Die Ärztekammer führt 18.540 als Mediziner mit Ordination. 10.796 davon sind Fachärzte, 7652 Allgemeinmediziner.

Vertragsärzte

7216 Ärzte haben Verträge mit Krankenversicherungen, davon sind 4101 praktische Ärzte und 3115 Fachärzte.

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